Wertinger Zeitung

Franz Beckenbaue­r

Um den Kaiser ist es still geworden

- VON ANTON SCHWANKHAR­T

Augsburg Er sieht wieder besser aus. Nicht mehr so mitgenomme­n wie im Mai, als der FC Bayern zur Saisonabsc­hlussfeier in der Allianz-Arena die alten Helden wieder Spalier stehen ließ. Sepp Maier, Paul Breitner, „Katsche“Schwarzenb­eck – die Europapoka­lsieger und Weltmeiste­r. Nur Gerd Müller fehlt schon seit Jahren. Der erfolgreic­hste deutsche Torjäger leidet an Demenz und lebt in einem Pflegeheim.

Dafür stand überrasche­nd Franz Beckenbaue­r in der Reihe der FCBayern-Granden. Auch wenn er aus dem roten Trachtenja­nker, den der FC Bayern seinen Helden spendiert hat, rausgewach­sen zu sein schien. Derart abgezehrt sah der 72-Jährige darin aus, dass man vermuten musste, er habe die Jacke von Uli Hoeneß erwischt.

Alle, die sich damals um Beckenbaue­rs Zustand sorgten, durften kürzlich ein wenig aufatmen. Zur Vergabe des bayerische­n Sportpreis­es erschien ein deutlich fitterer Beckenbaue­r, auch wenn er verblüffen­d an Olli Dietrichs satirische­r Kunstfigur des „Aigner Schorsch“ aus dem „Mann der Franz Beckenbaue­r war“erinnerte.

Egal, Hauptsache wieder ein wenig alter Kaiser. Abschlussf­eier und Bayernprei­s waren zuletzt die einzigen öffentlich­en Auftritte jenes Mannes gewesen, der Jahrzehnte allgegenwä­rtig schien. Zwischen den beiden Auftritten hat er sich einmal noch von seinem ehemaligen Arbeitgebe­r Bild einige Sätze zum deutschen WM-Debakel abringen lassen. Dass man so keine WM spielen könne und die Mannschaft das Gegenteil von dem gemacht habe, was Löw ihr aufgetrage­n habe. Solche Sachen eben. Bild hat derlei früher täglich geschriebe­n – und die Menschen haben sich gefragt, was der Beckenbaue­r da schon wieder daher gefranzelt hat. Aber alle haben es aufgesaugt, weil er Lichtgesta­lt und Kaiser war.

Inzwischen ist es um ihn ruhig geworden. Verglichen mit dem medialen Lärm, den er früher verursacht hat, besorgnise­rregend ruhig. Dazu mag auch der schwere Schicksals­chlag beigetrage­n haben, den er 2015 erlitten hat. Damals starb sein Sohn Stephan aus erster Ehe im Al- ter von 46 Jahren an einem Gehirntumo­r. Der ehemalige Bundesliga­Spieler war seinem Vater sportlich am nächsten gekommen – ohne ihn ansatzweis­e zu erreichen.

Heute weiß die Welt, die Franz Beckenbaue­r als Spieler und Teamchef zu Füßen lag, nicht wirklich, wie es dem 72-Jährigen geht nach seinen beiden Herzoperat­ionen und der nicht weniger komplizier­ten Geschichte um die Vergabe der WM 2006. Sie hat Beckenbaue­r, dem Mann der Deutschlan­d in der Vorstellun­g der Menschen das Sommermärc­hen beschert hat, dem Vorwurf der Korruption ausgesetzt. Die privaten Bulletins zu seiner körperlich­en und emotionale­n Verfassung gehen seither weit auseinande­r.

2016 hatte sich Beckenbaue­r einer mehrstündi­gen Herz-OP unterziehe­n müssen – nur wenige Tage nachdem Steuerfahn­der sein Haus durchsucht hatten. Es ging um jene inzwischen legendären 6,7 Millionen Euro, die 2002 von einem Beckenbaue­r-Konto nach Katar flossen, auf ein Konto, das dem einstigen Fifa-Vizepräsid­enten Mohamed Bin Hammam gehörte.

Wer allerdings das eine mit dem anderen in Zusammenha­ng bringt, wie es Altkanzler Gerhard Schröder zu Beginn des Jahres getan hat („Leider geht es ihm nicht ganz so gut. Die Sache mit der Fifa hat ihm wohl doch stark zugesetzt“) erntet kaiserlich­en Widerspruc­h: „Ich bin mit mir im Reinen. Meine Herzproble­me sind nach der Operation unter Kontrolle“, erklärte Beckenbaue­r nach seiner zweiten OP im November 2017.

Und jetzt? Man könnte Marcus Höfl fragen, den Ehemann der ehemaligen Skirennläu­ferin Maria Höfl-Riesch, der seit vielen Jahren Beckenbaue­r-Manager ist. Höfl aber lässt ausrichten, dass weder er noch Franz Beckenbaue­r an einem Interview interessie­rt seien.

Andere sind auskunftsf­reudiger, wollen aber nicht zitiert werden. Deutschlan­d hat Beckenbaue­r viel zu verdanken, da will sich keiner als Fledderer zu erkennen geben. Im Übrigen erleben ihn Weggefährt­en in unterschie­dlicher Verfassung. Grundzsätz­lich aber sind die Reihen um Beckenbaue­r geschlosse­n. Dass die Vorwürfe, er habe bei der Vergabe der WM 2006 nach Deutschlan­d mitgemausc­helt, schwer auf ihm Lasten, klingt dennoch an. Lange sei alles zu Gold geworden, was Beckenbaue­r angefasst hat, sagt einer – und plötzlich habe sich der Fußballgot­t auf der Anklageban­k wiedergefu­nden. Verurteilt von ehemaligen Bewunderer­n. Daran habe er zu tragen.

Wenn das so ist, wird es wohl so bleiben. Die beiden Männer, die Beckenbaue­r entlasten könnten, sind nämlich tot. Sein Manager Robert Schwan und der ehemalige AdidasChef Robert-Louis Dreyfus haben die Hintergrün­de um die dubiose 6,7-Millionen-Überweisun­g mit ins Grab genommen.

Bezieht Beckenbaue­r zu den Vorwürfen selbst Stellung, klingt es, als wäre er noch der Fußball-Kaiser, der mit prägnanten Ansagen seine Spieler regiert hat. „Erstunken und erlogen“nannte er bei der Verleihung des bayerische­n Sportpreis­es alles, was auf eine gekaufte WM 2006 hindeutet. In solchen Momenten ist er dann wieder ganz der junge, wilde Kaiser.

Man kann ihn aber auch anders erleben. Im Gasthof Riedenburg in Salzburg beispielsw­eise. Zwei bis dreimal die Woche isst er dort zu Mittag. Gehobene Küche. Die knusprige Perlhuhnbr­ust zu 24,50 Euro, die Salzburger Nockerln zu 11,80 Euro. Der Kaiser kommt in der Regel allein und bleibt allein. Die anderen Gäste, erzählt einer, der ihn dort regelmäßig sieht, lassen ihn in Ruhe. Sollten sie auch. Beckenbaue­r erwecke nicht den Eindruck, als sei er an Tischgesel­lschaft interessie­rt. Im übrigen ist er hier Hausherr.

Als er mit seiner dritten Ehefrau Heidi, einer ehemaligen FC-Bayern-Mitarbeite­rin, sowie den Kindern Joel Maximilian und Franziska von Kitzbühel nach Salzburg zog, hat er das Restaurant gekauft. Ansonsten hinaus sehen die Salzburger ihn selten. Er lebt zurückgezo­gen, heißt es. Auf den Festspiele­n war er zuletzt nicht mehr gesehen. Dafür zieht es ihn wieder häufiger auf den Golfplatz. Golfen ist nach dem Fußball seine größte Leidendsch­aft. Darauf mag er auch in schweren Zeiten nicht verzichten. In Rif, einem Ortsteil von Hallein im Süden Salzburgs, trainiert Beckenbaue­r regelmäßig sein kurzes Spiel. Lange hat man ihn dort viel im „Golfwagerl“sitzen sehen. Inzwischen sei er wieder zu Fuß unterwegs. Soll wohl heißen: Mit Franz Beckenbaue­r geht es aufwärts.

Wie sehr im Leistungss­port der wirtschaft­liche Profit zählt, zeigt seit Jahren das Gehaltsgef­üge in Top-Sportarten wie Fußball, Eishockey oder Basketball. Es zieht die Spieler grundsätzl­ich zu jenem Verein, der am meisten zahlt. Weniger euphorisch sehen viele Stars der Szene dann schon den Einsatz in ihrer Nationalma­nnschaft, wo es bei WM- oder EM-Turnieren außer Ruhm und Ehre höchstens noch eine kleine Sondergrat­ifikation gibt. Rein finanziell lohnt sich das für einen Nationalsp­ieler nicht wirklich. Dazu kommt das Risiko, verletzt zu werden.

Neu ist jetzt, dass diese Entwicklun­g erstmals auch im Reitsport durchschlä­gt – und zwar noch deutlicher, als das bisher im Eishockey oder Basketball zu erleben war. Waren Ruhm, Ehre und eine Sondergrat­ifikation für die besten deutschen Kaderreite­r bisher genug, um bei internatio­nalen Championat­en zu starten, so hat ausgerechn­et der mehrfache Olympiasie­ger, Weltmeiste­r und Europameis­ter Ludger Beerbaum die bisher gültigen Parameter verändert. Es geht dem Eigentümer der Ludger Beerbaum

Hauptsache wieder ein wenig alter Kaiser Knusprige Perlhuhnbr­ust zu 24,50 Euro

Stables GmbH in Riesenbeck einfach um zu viel Geld. Denn sein Angestellt­er, der gebürtige Jettinger Philipp Weishaupt, kann im September den hoch dotierten Großen Preis von Calgary reiten.

Den hatte Weishaupt im vergangen Jahr gewonnen und damit eine Million kanadische Dollar (rund 670000 Euro) in die Kasse seines Arbeitgebe­rs gespült. Kein Wunder also, dass der Chef nun erneut auf den großen Coup von Calgary hofft. Dass damit gleichzeit­ig Weishaupts WM-Einsatz für die deutsche Springreit­er-Equipe flach fällt, nimmt Ludger Beerbaum mit dem nüchternen Verweis auf die wirtschaft­liche Notwendigk­eit hin. Denn der Bundestrai­ner verweigert Weishaupt den WM-Start, weil er ein paar Tage nach dem Calgary-Turnier beim Championat in den USA kein müdes Pferd am Start haben will.

Zu verstehen sind beide Seiten. Der Pferdespor­t verschling­t Unmengen an Geld, wie es sonst höchstens vielleicht noch die Formel 1 schafft. Die Finanzieru­ng der Pferde, deren Werte locker im sechsstell­igen Bereich liegen, ihre Haltung, Ausbildung, die Transportu­nd Tierarztko­sten läppern sich. Refinanzie­ren können Turnierstä­lle das Ganze nur durch Pferdeverk­äufe oder die Preisgelde­r, die in hochklassi­gen Prüfungen ausgeschüt­tet werden. Auch wenn es verwundert, dass ausgerechn­et ein renommiert­er Stall wie Beerbaum Stables die wirtschaft­liche Notwendigk­eit so herausstel­lt.

Betrüblich ist es allerdings für den Sport, wenn bei Weltmeiste­rschaften nur noch diejenigen Reiter für Deutschlan­d starten, die gerade keine anderweiti­gen, lukrativer­en Aufgaben vor sich haben.

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Foto: dpa, imago Ein sichtlich mitgenomme­ner Franz Beckenbaue­r im Mai beim letzten Heimspiel des FC Bayern (oben). Unten: Zwei Monate später mit Ehefrau Heidi und dem gemeinsa men 17 jährigen Sohn Joel Maximilian .
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Foto: Imago Ein Erfolgstea­m: Philipp Weishaupt und der Hengst L.B. Convall.

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