Wertinger Zeitung

Eine Musikwelle überrollt uns

Der Korean Pop ist weltweit auf dem Vormarsch. Er unterschei­det sich in vielen Dingen total von unserem Pop

- VON SILVA METSCHL

Dillingen An der Korean Popular Music, kurz K-Pop, führt derzeit bei keiner globalen Sportveran­staltung der Weg vorbei. Nicht nur bei der Eröffnungs­feier der Olympische­n Spiele in Südkorea waren die Auftritte von „CL“und „EXO“Höhepunkte. Auch in der offizielle­n Playlist der Fifa zum Finale der WM ist mit „Power“ein koreanisch­er Song zu finden. Inzwischen gewinnt diese Musikricht­ung auch in Europa Fans, nicht zuletzt durch wiederholt­e Nominierun­gen und Gewinne bei großen Musikpreis­en wie den Teen Choice Awards im August. Dabei wissen die wenigsten, was den K-Pop vom westlichen Pop unterschei­det. Das Offensicht­liche ist natürlich die Sprache. Die meisten Lieder werden in Koreanisch gesungen, wobei es auch Ausreißer ins Englische gibt, und viele Stars japanische Alben haben. Auch bei den Alben gibt es einen Unterschie­d. Im K-Pop gibt es Mini- und richtige Alben, genauso wie die eben genannten Alben in japanisch.

Außerdem liegen zwischen den Veröffentl­ichungen der Künstler oft nur ein paar Monate, sodass mehrere Alben pro Jahr erscheinen. Die Minialben haben zwar meistens weniger Lieder als die großen, doch auch da gibt es starke Unterschie­de. Jede Veröffentl­ichung hat ein eigenes Konzept, das ganz verschiede­ne Seiten der Stars, die im K-Pop Idols genannt werden, zeigen. Manche Gruppen wie „Vixx“orientiere­n sich dabei an Sagen oder Büchern, zuletzt „Das Parfüm“. „BTS“geht sogar noch weiter. Sie haben zwar immer ein anderes Konzept, die Alben gehören aber zusammen und bilden eine Geschichte, die meist nur mit Hinweisen erzählt wird. Dabei bedienen sie sich ebenfalls Sagen, aber auch wissenscha­ftlicher Thesen und vielem mehr.

Die Gruppen und Künstler selbst haben oft ebenfalls bestimmte Konzepte. Die Gruppe „NCT“zum Beispiel hat eine unbegrenzt­e Anzahl an Mitglieder­n, die immer weiter steigt und bei der die Besetzung für ein Lied je nach Alter und Thema wechselt. Die Mehrzahl der Idols sind Gruppen. Die meisten Solokünstl­er waren Mitglieder in einer Gruppe oder arbeiten zusätzlich al- leine. Außerdem sind die Stars nicht nur Koreaner, es gibt auch Idols aus China, Thailand, Japan, Australien und einigen anderen Ländern. Diese werden durch Vorsingen bzw. -rappen oder -tanzen ausgewählt. Wenn sie überzeugen, ziehen sie nach Korea und werden mit ihren koreanisch­en Mitstreite­rn ausgebilde­t. Das geschieht unter einem sogenannte­n „Entertainm­ent“, bei uns Management. Anfangs werden sie als „Trainees“bezeichnet. Durch viel Arbeit werden sie zu „Rookies“, die sich eines Lebens als Idol fast sicher sein können. Auch ein deutscher Trainee ist zum Rookie aufgestieg­en. Die meisten Gruppen bestehen auf diese Art bereits Jahre vor ihrem ersten Album und treten auf. Ein Beispiel hierfür ist „BlackPink“, die erst zwei Jahre nach ihrer ersten Veröffentl­ichung ein Minialbum hatten.

Auftritte gibt es neben den Konzerten bei den vier Musikshows, die wöchentlic­h stattfinde­n. Wenn eine Gruppe oder ein Solist debütiert, oder ein neues Album herausbrin­gt, tritt er dort gegen andere Künstler an. Das dient der Promotion. Dabei entscheide­t das Entertainm­ent, wie die dauert und folglich wie oft eine Gruppe bei den Shows auftritt. Jede Veranstalt­ung hat dabei eigene Kriterien, die zusammen mit Abstimmung­en den Sieger bestimmen. Zudem gibt es eigene Musikpreis­e, die am Ende des Jahres verliehen werden.

Das Besondere an den Auftritten der Idols sind die Choreograf­ien. Für fast jedes Lied gibt es einen Tanz. Dieser ist auch ein essenziell­er Teil des Stils. Jede Gruppe hat einen sogenannte­n „Main-Dancer“, der die Tanzfigure­n leitet und einstudier­t. Zudem gibt es „Main-Vocal“und „Main-Rapper“, die wie die Namen schon sagen, die meisten Sing- und Rapstellen übernehmen. Generell unterschei­den sich hierin die Hauptaufga­ben. Deshalb sprechen die Fans auch von Dance-, Rap- und Vocal-Line. Dazu kommen noch die Rollen des „Visual“und „Face of the Group“. Er oder sie ist das Gesicht der Gruppe. Eine weitere besondere Bezeichnun­g ist der „Maknae“, das jüngste Mitglied. Des Weiteren stehen die K-Pop-Idols durch die klassische­n Social-Media-Seiten und einer extra Seite für Streams namens „VLive“oft noch näher in Kontakt mit ihren Fans, die einen eigenen Fangemeins­chaftsname­n und manchmal Farben haben. Als „iGot7“(sprich Ahgase) werden die Fans von „Got7“bezeichnet – grün ist ihre Fanfarbe. Fans der Band „SuperJunio­r“heißen Elf und haben die Farbe Saphirblau. Auch Fantreffen werden regelmäßig veranstalt­et. Dort gibt es sogenannte „offizielle“Fans, die gegen Geldzahlun­gen einen besonderen Status haben.

Der K-Pop bringt neben dem Gewinnstre­ben einige Schattense­iten mehr mit sich. Gerade durch den Druck, jedes Jahr ein Album veröffentl­ichen zu müssen und die vielen Veranstalt­ungen bleibt den meisten Idols wenig Zeit für sich. Dadurch sind die Mitglieder der meisten Gruppen sehr eng befreundet, da sie kaum mit anderen Menschen in Kontakt kommen. Für die ausländisc­hen Künstler bedeutet dieses Leben einen tiefen Einschnitt. Außerdem sind sie komplett ihrem Entertainm­ent verschrieb­en; es bestimmt den Wohnort und verbietet meistens zu Beginn der Karriere auch rolange mantische Beziehunge­n. Weiterer Stress für die jungen Trainees und Idols ist die Schule. Da viele sehr jung debütieren, manche schon mit 14 oder 13, müssen sie die doppelte Belastung aushalten. Dieses frühe Auftreten in der Öffentlich­keit liegt in der koreanisch­en Militärpol­itik begründet. Sie setzt fest, dass jeder Mann zwischen 20 und 30 eine rund zweijährig­e Dienstzeit im Militär ableisten muss. Um vor dem Dienst möglichst viel Kapital zu machen, stehen die Idols sehr früh auf der Bühne. Zwar bedeutet das Militär nicht unbedingt das Ende einer Gruppe, doch den erfolgreic­hen Wiedereins­tieg schaffen wenige.

K-Pop ist extremer als der westliche Pop. Seien es die vielen Alben, die sehr enge Bindung zwischen Fans und Idols oder die Macht der Entertainm­ents, die stärker ist als die westlicher Management­s. Bereits vor einigen Jahren gab es mit den sogenannte­n Königen des K-Pops „Big Bang“und „SuperJunio­r“die erste koreanisch­e Welle. Gruppen wie „BTS“, „EXO“und „Blackpink“läuten nun eine zweite ein.

 ?? Foto: Kim Hee Chul, dpa ?? Während des K Pop Welt Festivals 2016 trat auch die Hip Pop Tanzgruppe „Just Jerk“auf. Die Band ist ein fester Bestandtei­l des K Pop Universums und hat zahlreiche Fans.
Foto: Kim Hee Chul, dpa Während des K Pop Welt Festivals 2016 trat auch die Hip Pop Tanzgruppe „Just Jerk“auf. Die Band ist ein fester Bestandtei­l des K Pop Universums und hat zahlreiche Fans.

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