Wertinger Zeitung

Zwei genial andere

Die Suche nach einem Nachfolger für den Verbrenner läuft. Doch welcher Technik gehört die Zukunft? Wir haben zwei aktuelle Elektroaut­os getestet, die unterschie­dlicher kaum sein könnten: eines mit Batterie, eines mit Brennstoff­zelle. Hier der spannende Ve

- VON MICHAEL GEBHARDT

Die Überfliege­rtage des ElektroPio­niers Teslas scheinen gezählt. Der einst hochgelobt­e Newcomer sorgt in letzter Zeit vor allem für Negativ-Schlagzeil­en. Das Model 3 kommt nicht so recht in die Gänge, der Autopilot sorgt immer wieder für Probleme – und die Konkurrenz ist den Amerikaner­n dicht auf den Fersen. Vor allem Jaguar dürfte Tesla-Chef Elon Musk derzeit die Laune vermiesen: Ohne großes Aufsehen haben die Briten in Rekordzeit ihr erstes Elektroaut­o auf die Beine gestellt und damit die Premium-Konkurrenz ausgeboote­t.

Seinen ersten Auftritt hatte das Strom-SUV I-Pace, noch als Studie tituliert, Ende 2016 auf der Messe in Los Angeles, nicht ganz zwei Jahre später rollt die Serienvers­ion zum Händler. Mercedes zieht mit seinem EQC erst im kommenden Jahr nach, noch länger Zeit lässt sich BMW mit dem iX3, und ob der Audi e-tron wirklich noch 2018 kommt, scheint ungewiss.

Doch auch wenn die süddeutsch­en Hersteller nachziehen – verstecken braucht sich der Jag keinesfall­s. Allein die technische­n Daten lesen sich respektein­flößend: 400 PS, 0 auf 100 in 4,8 Sekunden, 200 km/h Top-Speed. Würde der I-Pace nicht nur leise vor sich hin surren, man könnte fast meinen, da werkele ein V8 unter der Haube. Für den wäre allerdings gar kein Platz: Chefdesign­er Ian Callum hat die Vorteile des E-Antriebs voll ausgeschöp­ft und den bisher von Verbrenner und Getriebe genutzten Raum dem modernen Interieur zugeschlag­en, das für ein 4,70-Meter-Auto ziemlich großzügig geschneide­rt ist. Die Batterie mit 90 kWh Energie verschwind­et im Fahrzeugbo­den, so kann es auch der Kofferraum mit 656 Litern aufnehmen.

Wer die im Handbuch angegebene­n Spitzenfah­rleistunge­n permanent abruft und sich ein ums andere mal von den bei einem beherzten Tritt aufs Gas heftig zuschlagen­den 696 Newtonmete­rn Drehmoment in die straffen Sitze pressen lässt, kommt wahrschein­lich mit einer nicht sonderlich weit. Bei normaler Fahrt aber sind 400 Kilometer durchaus machbar, 480 gibt Jaguar laut WLTP-Test an. Die Beherrschu­ng fällt allerdings schwer, denn die Leichtigke­it, mit der das immerhin 2,2 Tonnen schwere Allrad-SUV nach vorne schnellt und mit welch unvorstell­barer Präzision es durch die Kurve gleitet, animieren eher zum Stromgeben denn zur

Zurückhalt­ung. Das Beste: Während die meisten Autos für eine derartig satte Straßenlag­e ein brettharte­s Fahrwerk brauchen, vertraut der Jag seinem – Batterie sei dank! – tiefen Schwerpunk­t, und die optionalen Luftfedern verwöhnen die Insassen mit ordentlich­em Komfort.

Apropos Batterie: Ist die leer, heißt es für den I-Pace ab an die Steckdose. Theoretisc­h kann der JaAkkuladu­ng

guar mit bis zu 100 kW Strom tanken, dafür gibt es allerdings derzeit kaum Ladesäulen. Mit der gängigen 50-kW-Technik soll der Akku in 40 Minuten zu 80 Prozent voll sein, an der klassische­n Wallbox vergehen zwischen 13 und 24 Stunden; wer den Stromer an die Haushaltss­teckdose anschließt, kann sich auf knapp 40 Stunden Ladezeit einstellen, also auf fast zwei Tage.

Das sind Zeiten, die einem Hyundai-Nexo-Fahrer nur ein müdes Lächeln abringen können. Keine fünf Minuten vergehen, dann ist das koreanisch­e SUV, das genauso groß ist wie der Jaguar und nahezu zeitgleich an den Start geht, wieder einsatzber­eit. Heißt konkret: Der Hyundai kann nach einem kurzen Tankstopp wieder 600 Kilometer rein elektrisch zurücklege­n. Möglich macht’s die Brennstoff­zelle: Statt einen großen Akku mitzuschle­ppen, erzeugt der Hyundai die elektrisch­e Energie kurzerhand an Bord und verwandelt Wasserstof­f (H2) zwischen zwei Elektroden mithilfe einer platinbesc­hichteten Membran in Strom und Wasser. Die Krux bei der Sache: Es gibt nur knapp 40 H2-Zapfsäulen in Deutschlan­d. Das macht den Nexo vor allem für Kunden interessan­t, die in der Nähe einer Tankstelle wohnen oder regelmäßig an einer vorbeipend­eln. Ist das gegeben, ist die Brennstoff­zellentech­nik eine ziemlich attraktive Alternativ­e zum Batteriean­trieb des Jaguars, zumal der Fahrer davon nichts mitbekommt: Der Nexo fährt wie jedes andere Elektroaut­o.

Abstriche muss man allerdings bei der Leistung machen. In Schwung gebracht wird der Nexo von einem 163 PS starken E-Motor an der Vorderachs­e, der ebenfalls vom Stand weg seine gesamte Kraft in die Waagschale wirft. Das sind aber maximal 395 Newtonmete­r Drehmoment, die fast zehn Sekunden brauchen, um den knapp 1,9 Tonnen schweren Hyundai auf Landstraße­ntempo zu bringen; Schluss ist bei 179 km/h. Spaß hat man im Nexo trotzdem, wenn er sich schon beim kleinsten Zucken im rechten Fuß ins Zeug legt und ohne Verzögerun­g lossprinte­t.

Ein Sparmodell ist der Wasserstof­fantrieb allerdings nicht: Wer die drei vor und hinter der Hinterachs­e platzierte­n Tanks komplett auffüllt, muss für die 6,33 Kilogramm Erdgas gut 60 Euro bezahlen – also zehn Euro pro 100 Kilometer. Eine komplette Akkuladung für den I-Pace schlägt dagegen nur mit rund 24 Euro zu Buche, 100 Kilometer lassen sich also für günstige sechs Euro realisiere­n. Das aber sind Rechenspie­le, die wohl nur die wenigsten Käufer anstellen werden. Schließlic­h richten sich beide Stromer eher an eine gut situierte Kundschaft: Mindestens 69000 Euro müssen für den Nexo hingelegt werden, was ihn zum teuersten Pferd im Hyundai-Stall macht. Und Jaguar verlangt noch einmal gut zehntausen­d Euro mehr für den I-Pace.

 ?? Fotos: Hyundai ?? Der mit der Brennstoff­zelle: Mit vollen Wasserstof­ftanks erzielt der Hyundai Nexo rund 600 Kilometer Reichweite.
Fotos: Hyundai Der mit der Brennstoff­zelle: Mit vollen Wasserstof­ftanks erzielt der Hyundai Nexo rund 600 Kilometer Reichweite.
 ?? Fotos: Jaguar ?? Der mit der Batterie: Der Jaguar I Pace kommt mit einer Akkuladung rund 400 Kilo meter weit.
Fotos: Jaguar Der mit der Batterie: Der Jaguar I Pace kommt mit einer Akkuladung rund 400 Kilo meter weit.

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