Wertinger Zeitung

Altersvors­orge in Zeiten niedriger Zinsen

Die gleichzeit­ig steigende Inflation macht Sparern und Anlegern zu schaffen. Die Rendite der Haushalte ist jetzt sogar ins Negative gerutscht. Wo man noch Geld anlegen kann

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Augsburg Mit Zinsen sein Geld vermehren, diese Strategie funktionie­rt schon lange nicht mehr. Und daran wird sich vorerst wohl nichts ändern. Denn Ende Juli entschied die Europäisch­e Zentralban­k (EZB), den Leitzins bei null Prozent zu belassen. Für Sparer sind die Folgen angesichts der höheren Inflation bitter: Die Bundesbank warnte eben, dass die Gesamtrend­ite, die ein durchschni­ttlicher Privathaus­halt abzüglich der Teuerung erzielte, Anfang dieses Jahres in den negativen Bereich gerutscht ist – erstmals seit sechs Jahren. Der Verlust: minus 0,8 Prozent. Was können Sparer da noch tun?

Problem Aus Sicht von Experten wirft die Niedrigzin­spolitik zunehmend Probleme auf. „Die Geldpoliti­k der EZB ist längst ein Fall für den Verbrauche­rschutz“, sagt der Wirtschaft­swissensch­aftler Professor Gunther Schnabl. Denn mit ihren Maßnahmen untergrabe die Notenbank die Kaufkraft der meisten Bürger. Ersparniss­e verzinsen sich nicht mehr, während die Inflation Kaufkraft kostet. Niels Nauhauser von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g zufolge kann man sich nicht einmal auf laufende Verträge verlassen: „Auf vielfältig­e Weise versuchen Finanzinst­itute, Verbrauche­r aus langfristi­gen, gut verzinsten Sparverträ­gen zu drängen oder diese Verträge zu kündigen“, kritisiert Nauhauser. Die Altersvors­orge werde für viele Verbrauche­r zum mühsamen Geschäft.

Aktien Wer sein Geld langfristi­g vermehren will, wird um etwas mehr Risiko im Depot kaum herumkomme­n. Viele Anlageexpe­rten raten, einen Blick auf den Aktienmark­t zu werfen. Vor allem die von den Unternehme­n regelmäßig ausgeschüt­teten Dividenden seien interessan­t. „Aktiendivi­denden sind in den vergangene­n Jahren zunehmend als Alternativ­e zu Anleihezin­sen gesehen worden“, sagt Titus C. Schlösser, Geschäftsf­ührer von Portfolio Concept Vermögensm­anagement in Köln. Anleger sollten allerdings nicht einen unangemess­en hohen Anteil des Vermögens in Aktien investiere­n, denn das Risiko von schwankend­en Kursen müssen sie aushalten.

Fonds Doch auch wenn die Kurse schwanken, langfristi­g machen Anleger mit Aktien zufolge meist ein Plus. „Das gilt vor allem für Aktienindi­zes wie den Dax“, erklärt Lothar Koch, Leiter des Portfoliom­anagements bei der GSAM + Spee Asset Management AG in Düsseldorf. „Selbst nach den stärksten Kursverlus­ten zu Beginn der 2000er Jahre war der Dax nach 15 Jahren des Haltens bei einem Plus von 3,5 Prozent Rendite pro Jahr.“Sein Tipp: Wer mit Kursschwan­kungen leben kann, kauft sich einen kostengüns­tigen und passiven Indexfonds (ETF) und hält diesen lange.

Börsenfach­mann Robert Halver von der Baader Bank rät dabei zu Sparplänen, bei denen jeden Monat für einen festen Betrag Fondsantei­le gekauft werden. „Je früher man mit regelmäßig­en Sparplänen anfängt, umso weniger lässt es sich verhindern, vermögend zu werden“, schreibt er. Der Anlagefoku­s sollte auf Aktienfond­s und Aktien-ETFs aus dem Euro-Raum liegen, um Währungsve­rluste zu verhindern. „Diese basieren am besten auf den großen Leitindice­s, um das Einzeltite­lrisiko zu mildern“, meint Halver. Bei der Auswahl von Einzelakti­en rät er schwerpunk­tmäßig zu Titeln mit langfristi­g robustem Geschäftsm­odell: „Essen, Trinken, Wohnen, zum Onkel Doktor gehen, Mobilität oder Kommunikat­ion sind stabilste menschlich­e Grundbedür­fnisse.“

Mehrere Standbeine Aus Sicht von Verbrauche­rschützer Nauhauser entscheide­n Zinsen nicht allein über den erfolgreic­hen Vermögensa­ufbau: „Der Erfolg der Geldanlage hängt nicht nur vom Zinsniveau ab. Wichtig ist, welche Ziele Sie erreichen wollen“, sagt er. Für die Altersvors­orge sollte das Geld über verschiede­ne Anlageklas­sen verteilt werden. Ein Mix aus sicheren und chancenrei­chen InExperten vestments hilft, das Risiko im Griff zu behalten.

„Die Altersvors­orge sollte auf mehrere Säulen verteilt werden“, findet auch Andreas Görler, Vermögensb­erater bei der Wellinvest­Pruschke & Kalm GmbH. Wichtige Standbeine sind aus seiner Sicht nach wie vor die gesetzlich­e Rente und die betrieblic­he Altersvors­orge. Zusätzlich sollte möglichst früh mit der privaten Altersvors­orge begonnen werden. „Schon 50 Euro im Monat in einen oder zwei internatio­nale Aktienfond­s mit unterschie­dlichen Schwerpunk­ten investiert, entwickeln sich nach 20 Jahren zu etwa 20000 Euro“, rechnet Görler vor. Vorausgese­tzt wurde eine jährliche Rendite von fünf Prozent und Spesen für den Kauf von einem Prozent. „Nach 30 Jahren kann man auf diese Weise mit etwa 40000 Euro rechnen.“

Kosten Ein letzter, wichtiger Punkt bei der Geldanlage: „Sie müssen auf die Kosten achten“, betont Nauhauser. „Manche Altersvors­orgeverträ­ge sind nach zehn Jahren immer noch im Minus.“

Falk Zielke, dpa/mke

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Foto: robynmac, Fotolia

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