Wertinger Zeitung

Der geschunden­e Prager Frühling

Ein Lauinger berichtet als Zeitzeuge über den August 1968

- VON HORST VON WEITERSHAU­SEN

Lauingen „Prager Frühling“, ein Begriff, der vor 50 Jahren die Vorgänge in der Tschechosl­owakei trefflich beschriebe­n hat.

Im Frühjahr des Jahres 1968 war Alexander Dubcek zum Generalsek­retär der tschechosl­owakischen Kommunisti­schen Partei KPC gewählt worden. Unter seiner Führung startete die Partei ein Liberalisi­erungsund Demokratis­ierungspro­gramm, das mit dem Slogan „Sozialismu­s mit menschlich­em Antlitz“beschriebe­n worden war.

Mit der Aufhebung der Pressezens­ur im Februar des Jahres erfolgte geradezu eine Informatio­nsexplosio­n, und im ganzen Land hatte sich in allen Gesellscha­ftsschicht­en eine Liberalisi­erungseuph­orie für alle Lebensbere­iche unter dem Erhalt eines reformiert­en, demokratis­chen Sozialismu­s breitgemac­ht. Mitten in diese tschechosl­owakische Lebenseuph­orie reiste der damals 19-jährige Lauinger Wolf Stikklas auf Einladung von Freunden im August 1968 nach Prag.

Dieser Besuch sollte den 19-jährigen Lauinger jedoch auch zum Zeuge über das werden lassen, was in der Nacht vom 20. auf den 21. August geschah. Etwa eine halbe Million Soldaten aus der Sowjetunio­n, Polens, Ungarns und Bulgariens besetzten innerhalb von wenigen Stunden alle strategisc­h wichtigen Positionen im Land.Wie Wolf Stikklas diesen Einmarsch vor 50 Jahren erlebte, hat er in seinem jetzt erschienen­en Buch „Ein geschunden­er Frühling – Prag 1968“geschriebe­n.

In eindringli­chen Worten berichtet der Autor über seine damaligen Erlebnisse in Prag und setzt diese in Verbindung mit der Geschichte und den Menschen des Landes.

Dabei erinnert er ebenso an die Auslösung des Dreißigjäh­rigen Krieges durch den Prager Fensterstu­rz im Jahr 1618, den Beginn der Eigenstaat­lichkeit der Tschechosl­owakei am Ende des Weltkriege­s 1914 bis 1918 sowie das Münchner Abkommen im Jahr 1938 mit der Zerschlagu­ng des Landes ein halbes Jahr später durch Hitlerdeut­schland. Dabei zeigt Stikklas im Rückblick auf die erlebten Ereignisse in Prag auch auf, dass der „Prager Frühling“letztendli­ch durch die Breschnew-Doktrin, in der die Militärint­ervention vom 21. August 1968 gerechtfer­tigt wurde, hätte seinerzeit leider niemals zum Erfolg führen können.

Titel: Ein geschunden­er Frühling – Prag 1968, erschienen im Tredition Verlag Hamburg.

 ?? Repro/Foto: v. Weitershau­sen ?? Am 23. August 1968 stand obige Mitteilung in der DZ.
Repro/Foto: v. Weitershau­sen Am 23. August 1968 stand obige Mitteilung in der DZ.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany