Eine Kastanie weniger in der Bauerngasse
Ein alter Baum vor dem Seniorenzentrum St. Klara musste gefällt werden. Wieso er als Sicherheitsrisiko eingestuft wurde und ob noch weitere Pflanzen betroffen sind
Die Säge kämpft sich durch das Holz – dann fällt ein weiteres Stück des Baumes ab. Beim Aufprall auf den Boden bleibt das Baumstück nicht liegen, es prallt ab und springt in die Höhe. „Daran kann man gut sehen, wie kaputt der Stamm bereits ist.“, erzählt Marco Hillenmeyer.
Seit fast fünf Jahren beschäftigt er sich jetzt schon mit Baumpflege – zum Beispiel für die Städte Höchstädt, Lauingen und Wertingen. So ist er auch für den Schutz der Naturdenkmäler verantwortlich, zu denen in Wertingen auch die Kastanienbäume zählen, die vor dem Seniorenzentrum St. Klara in der Bauerngasse stehen. Doch jetzt wird einer von ihnen gefällt. Er ist vom sogenannten „Zunderschwamm“befallen. Dieser Schwäche- und WundParasit sucht sich kranke Bäume, um sich ausbreiten zu können. Bemerkbar macht er sich von außen hauptsächlich durch die Pilze, die aus den befallenen Bäumen wachsen.
Für die Menschen ist der Zunderschwamm nicht nur absolut ungefährlich, er wird sogar schon seit hunderten von Jahren als Heilmittel verwendet. In Verbindung mit Alkohol soll der Baumpilz gegen Schmerzen jeglicher Art und Entzündungen helfen.
Außerdem wird er in der Chinesischen Medizin bis heute zum Beispiel zur Fiebersenkung benutzt. Sein Name lässt auf eine weitere Verwendung schließen: Früher verwendete man den Parasit, um Feuer leichter entfachen zu können, als Zunder eben.
Für Bäume hingegen ist die Weißfäule, wie der Pilz auch genannt wird, sehr schädlich. Sie frisst sich durch den Stamm, bis der Baum stark bruchgefährdet ist. Tragen die Bäume eine Frucht, wie es bei Kastanien der Fall ist, so kann es auch zur Kernfäule kommen. Bei Wind ist dies besonders gefährlich: Es kann sogar die komplette Krone ausbrechen, also zum Einsturz kommen.
Laut Marco Hillenmeyer ist das bei den Kastanienbäumen in Wertingen ein besonders großes Risiko. „Die Bäume stehen mitten in einem Wohngebiet. Wer zum Friedhof, zum Seniorenzentrum oder zu einer der Schulen will, muss daran vorbei. Hier herrscht ein großes Verkehrsaufkommen. Wenn die Krone jederzeit einstürzen kann, wäre das viel zu gefährlich.“
Im besten Fall, führt er aus, würde es einen reinen Sachschaden geben, wahrscheinlicher ist es jedoch, dass Leute verletzt oder gar getötet werden könnten. „Dann muss ich dafür haften. Ich könnte sogar ins kommen. Das Risiko gehe ich nicht ein, nur weil die Leute dagegen sind, dass wir Bäume fällen“, sagt Hillenmeyer bestimmt.
Bis zu dreißig Jahre alt kann der Parasit werden, wie lange genau der Baum ihn schon hat, ist schwer festzustellen. Die letzte Untersuchung der Bäume wurde vor fünf Jahren durchgeführt, da waren wohl noch alle gesund. Sicher ist nur: Der Stamm wird sich nicht mehr erholen können – der Baum, der zwischen siebzig und neunzig Jahre alt ist, muss weg.
Zustimmung erhielt Hillenmeyer auch von der Naturschutzbehörde der Wertinger Stadtverwaltung und vom Wertinger Naturschutzbeauftragten und Stadtrat Ludwig Klingler.
ein Baum komplett weg ist, brauchen Hillenmeyer und sein Team etwa zwei Stunden. Um alles aufzuräumen, planen sie noch ungefähr eine weitere Stunde ein.
Was demnächst auf der Böschung, die zum Friedhof führt, wächst, weiß der Baumpfleger noch nicht genau. Dass jedoch ein anderer Baum angepflanzt werden muss, schreibt die Baumschutzverordnung vor, welche die Stadt Wertingen 2011 aufsetzte.
In dieser wird unter anderem festgelegt, dass der öffentliche Bestand an Bäumen aufrechtgehalten werden muss.
„Sprich: Jedes Mal, wenn ein Baum auf öffentlichem Boden gefällt wird, muss ein neuer angepflanzt werden“, erklärt Hillenmeyer. AuGefängnis ßerdem bestimmt die Baumschutzverordnung, dass die Stadt entscheiden kann, welche Bäume als Ersatz für gefällte gepflanzt werden. Die Stadtverwaltung wollte jedoch keine Auskunft darüber geben, welche Pflanze die Wertinger erwarten dürfen.
Der gefällte Baum wird weiterverwendet: Die Äste mitsamt Blättern werden zerhäckselt. „Das kommt jetzt in die Biogasanlage“, sagt der Baumpfleger. „Da wird es verbrannt und verwendet, um Biogas herzustellen. Damit kann man Strom und Wärme erzeugen.“
Es muss sich jedoch kein Wertinger Sorgen machen, dass noch mehr Bäume gefällt werden und in Zukunft keine Pflanzen mehr die Anhöhe in der Bauerngasse zieren werBis den. Bei einem weiteren Baum entdeckt Marco Hillenmeyer zwar noch Ausbrüche und Haftungswunden. „Diese sind äußerlich aber noch kaum sichtbar, auch die Krone ist noch vital“, stellt er fest. Als Nächstes wird ein Gutachter bei ausführlichen Kontrollen den Baum untersuchen und schließlich eine Empfehlung geben.
Persönlich hofft Hillenmeyer, dass der zweite Baum nicht gefällt werden muss. „Ich setze mich für nachhaltige Baumpflege ein, fällen ist also nur die letzte Lösung“, versichert er.
Es wird also auf jeden Fall einen Kastanienbaum weniger vor dem Seniorenzentrum geben – einen kahlen Hügel muss aber niemand befürchten.