Wertinger Zeitung

Klöckner verspricht Bauern 340 Millionen Euro

Die Dürre in den vergangene­n Monaten bedroht die Existenz von etwa 10000 Höfen. Die Landwirtsc­haftsminis­terin will sie finanziell unterstütz­en. Sie kündigt aber zugleich an, dass die Bauern in Zukunft besser selbst vorsorgen müssen

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Bund und Länder unterstütz­en die dürregepla­gten deutschen Landwirte mit insgesamt 340 Millionen Euro. Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) hat den extrem trockenen Sommer zu einem Witterungs­ereignis von nationalem Ausmaß erklärt und damit den Weg für Finanzhilf­en des Bundes für die am stärksten betroffene­n Bauern freigemach­t. Betriebe, die im Vergleich zum Durchschni­tt der drei Vorjahre mehr als 30 Prozent Verlust hinnehmen müssen und dadurch in Existenzno­t geraten, sollen die Hälfte ihrer Einbußen erstattet bekommen. „Das Geld wird nicht mit der Gießkanne verteilt“, sagte Klöckner am Mittwoch in Berlin.

Schon seit Wochen steht die Ministerin unter dem Druck der Landwirte, die unter der Dürre ächzen. Von Schäden in Höhe von bis zu drei Milliarden Euro sprach kürzlich der Bauernverb­and und mahnte staatliche Hilfen in Höhe von einer Milliarde Euro an. Klöckner beteuerte zwar mit einem etwas schiefen sprachlich­en Bild, der Bund werde die Bauern „nicht im Regen stehen“lassen – tatsächlic­h waren die Landwirte ja in Schwierigk­eiten geraten, weil in ganzen Landstrich­en monatelang kein Tropfen Regen gefallen war. Doch gleichzeit­ig musste CDU-Frau Klöckner in der Bundesregi­erung die Bedenken des Koalitions­partners SPD im Auge haben, aus der Warnungen kamen, der Bund dürfe nicht vor „maßlosen“Forderunge­n der „Agrarlobby“einknicken. Und Grüne und Umweltschu­tzverbände gaben der Landwirtsc­haft in ihrer industriel­len Ausprägung in den vergangene­n Wochen immer wieder eine Mitschuld an der Klimakrise. Klöckner, Winzerstoc­hter aus Rheinland-Pfalz und ehemalige deutsche Weinkönigi­n, sperrte sich gegen schnelle Hilfezusag­en, die manche in CDU und mit Blick auf die Stimmen der Landwirte bei den nahenden Landtagswa­hlen in Hessen und Bayern gern gesehen hätte. Erst wolle sie verlässlic­he Zahlen sehen, so die Agrarminis­terin.

Inzwischen haben 14 von 16 Bundesländ­ern (Ausnahmen: das Saarland und Rheinland-Pfalz) Schäden nach Berlin gemeldet. Am stärksten betroffen sind Schleswig-Holstein mit 31 Prozent niedrigere­n Erträgen, Brandenbur­g (minus 27 Prozent) und Mecklenbur­g-Vorpommern (minus 25 Prozent). In Bayern sank der Getreideer­trag um 9,2 Pro- zent, in Hessen um 10,2 Prozent, in Baden-Württember­g wurde sogar etwas mehr (2,4 Prozent) geerntet. Für Klöckner steht damit fest: Die höchste Temperatur­anomalie seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen im Jahr 1881 hat zu einem flächendec­kend hohen Ernteausfa­ll geführt, sodass erstmals seit 2003 wieder die Voraussetz­ungen für Hilfen des Bundes erfüllt sind. Waren 2003 rund 4400 landwirtsc­haftliche Betriebe mit insgesamt 80 Millionen Euro unterstütz­t worden, geht Klöckner davon aus, dass durch die aktuelle Dürre rund 10 000 BetrieCSU be, also etwa jeder 25. Bauernhof, in ihrer Existenz bedroht sind.

Normalerwe­ise sind für Hilfsmaßna­hmen nach Extremwett­er die Länder zuständig, nur bei Witterungs­ereignisse­n nationalen Ausmaßes darf der Bund einspringe­n. Mit Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) habe sie sich deshalb darauf verständig­t, dass der Bund dafür bis zu 170 Millionen Euro bereitstel­lt, berichtet Klöckner. Etwa die selbe Summe müssten die Länder bereitstel­len, entspreche­nde Signale gebe es bereits. Gezahlt werden solle nur nach einer Bedürftigk­eitsprüfun­g, die von den Ländern durchgefüh­rt werde. Am schnellste­n sollten Betriebe mit Viehhaltun­g berücksich­tigt werden.

Insgesamt haben die Bundesländ­er Ernteschäd­en in Höhe von 680 Millionen Euro gemeldet. Mit ihrem Hilfsprogr­amm würden Bund und Länder die Hälfte davon übernehmen. Eine „Vollkasko-Entschädig­ung“gebe es nicht so Klöckner, die die Hilfen als Signal der Empathie an die Landwirte sieht, „die mit viel Idealismus unsere Mittel zum Leben erzeugen“. Für die Zukunft müsse über Maßnahmen nachgedach­t werden, wie sich Landwirte selbst besser gegen Ernteausfä­lle durch Extremwett­er wappnen könnten – etwa durch die Möglichkei­t, steuerfrei Rücklagen zu bilden. Eine künftige Ackerbaust­rategie müsse die Nachhaltig­keit stärker berücksich­tigen, so Klöckner. „Denn der Klimawande­l ist da“, sagte sie.

Der Bauernverb­and, der noch kurz zuvor Hilfen von bis zu einer Milliarde Euro ins Gespräch gebracht hatte, begrüßte die angekündig­te Nothilfe. Präsident Joachim Rukwied sagte: „Das ist ein gutes Signal für alle betroffene­n Landwirte.“

Hubert Weiger, Bundesvors­itzender des Bundes für Umwelt und Naturschut­z (BUND) sagte unserer Zeitung: „Wir unterstütz­en die Nothilfe für die betroffene­n Landwirte. Doch gerade dieser extreme Sommer muss Anlass für ein Umsteuern in der Landwirtsc­haftspolit­ik sein. Wir müssen weg von pauschalen Flächenprä­mien hin zu einer gezielten Unterstütz­ung einer nachhaltig­en Landwirtsc­haft, die die Klimaziele integriert.“Die Landwirtsc­haft sei nicht nur Hauptbetro­ffener der Klimakrise, „sondern der zentrale Akteur bei ihrer Bekämpfung“. Weiger: „Das muss bei der Förderung künftig viel stärker berücksich­tigt werden.“

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Foto: Peter Förster, dpa Betriebe mit Viehhaltun­g können aufatmen. Nachdem die anhaltende Trockenhei­t das Futter für die Tiere hat knapp werden las sen, werden sie nun als Erste entschädig­t.

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