Wertinger Zeitung

Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frißt (124)

-

Vieles jagt durch Kufalts Hirn: ,Haben sie Batzke gekitscht? Erkundigt, seit wann sagt denn Polente erkundigt? Bluff ist es, Maske muß man haben, ich starr’ wieder, Ochsenkopf – Ossenkopp met Hürn, mecklenbur­gisches Wappen…‘

Wirklich, er starrt wacker wieder zurück.

Und richtig: Herr Brödchen kann seinen so tüchtig mit ,Sie – haben‘ begonnenen Satz nicht beenden.

„Wenn Sie auf längere Polizeihaf­t Wert legen, Kufalt“, sagt er statt dessen.

„Was machen mir schon ein paar Nächte im Kittchen aus?“fragt Kufalt böse zurück.

Herr Brödchen geht darüber hin, kapiert sichtlich nichts von Kufalts Wut.

„Aus welcher Schublade haben Sie denn das Geld genommen?“„Aus der Kommodensc­hublade!“„Aus der ersten, zweiten oder dritten?“

„Aus der obersten – nein, ich

weiß es nicht mehr genau, ich war ziemlich aufgeregt.“„Wo lag es denn da?“„Ich glaube, unter Wäsche.“„Wie sind Sie denn darauf gekommen? Hat Ihnen jemand erzählt, daß da Geld drin lag?“

„I wo. Hab’s eben mal versucht, weil sie so lange am Herd blieb.“

„So. So.“Herr Brödchen reibt nachdenkli­ch seine schlecht rasierten Backen. „So. So. Und das Protokoll können wir dementspre­chend aufsetzen?“„Ja.“„Und Sie unterschre­iben?“„Ja.“„Und gehen dafür ins Kittchen?“„Ja.“„Ich taxiere so ein bis zwei Jahre.“

„Habe ich auch gedacht, Herr Assistent“, sagte Kufalt frech und schaut Brödchen gemacht demütig an. Er ist sich klargeword­en, die bluffen nur, das Protokoll wird nie geschriebe­n.

„Schmeißen Sie den Kerl raus, Brödchen!“sagt der Offizier plötzlich. „Ich kann ihn nicht mehr riechen, das verlogene Aas.“„Jawohl, Herr Major.“Brödchen steht stramm, auch Kufalt ist aufgefahre­n bei dem Ausbruch.

Brödchen sagt halblaut: „Und die andere Sache?“

„Rausschmei­ßen! Rausschmei­ßen! Sie sehen doch! So was henkt sich immer von alleine, warum sollen wir uns damit quälen?! Du kommst uns schon, Bürschchen!“schreit der Offizier Kufalt direkt ins Gesicht und schüttelt die Faust gegen ihn.

„Guten Tag“, sagt Kufalt höflich, als er von Brödchen geführt aus dem Büro geht.

„Was ist denn bloß los, Herr Assistent?“fragt er draußen. „Warum ist denn der so wütend? Habe ich das Geld nicht geklaut?“

„Hauen Sie bloß ab, Mensch. Lassen Sie sich drüben Ihre Sachen geben und verduften Sie. Ich klingele gleich rüber.“

„Aber habe ich Ihnen was vermasselt? Ich versteh’ nichts, sagen Sie mir bloß…“

„Komm du mir einmal richtig in die Finger, Jungchen, dann sollt du was erleben!“Kufalt sieht in das gelbe, wutzittern­de Gesicht.

,Habe ich fein auf Touren gebracht‘, denkt er.

„Was macht mir schon eine Nacht im Kittchen aus, Herr Assistent“, sagt er, und diesmal kapiert Herr Brödchen. „Hören Sie mal!“ruft er. Aber Kufalt ist schon auf dem Wege zu Vater Philipp, sich seine Sachen geben zu lassen.

Zwei Stunden später sitzt Kufalt im Zuge nach Hamburg.

Es ist wie am Entlassung­stage im Mai: er muß wieder von vorne anfangen, alles ist ungewiß.

Es ist nicht ganz wie im Mai: er weiß, so wie damals fängt er nicht wieder an.

Diesmal geht es auf die andere Tour. Er hat keine Lust mehr, sich Mühe zu geben, es geht doch schief. Lebeschön, denkt er.

„Sehen Sie mal“, hat Herr Kraft gesagt, „das hatten wir ja nun auch schon von Brödchen gehört, daß Sie das Geld nicht genommen haben, aber trotzdem…“

„Wissen Sie eigentlich, wer es genommen hat?“hat Kufalt neugierig gefragt.

„Das weiß Er noch nicht einmal! Der Maurer Zwietusch doch selbst! Ja, da staunt Er!“

„Und der wollte mir alle Knochen zu Brei schlagen“, wundert sich Kufalt wirklich. „Wieso hat er’s denn genommen?“

„Weil er ein oller Süffel ist. Anderthalb Jahre ging’s, da war er bei den Guttempler­n, aber jetzt ist er wieder auf Touren. Jetzt holt er alles auf einmal nach.“

„So ein Aas!“sagt Kufalt mit Nachdruck. „Und ich hätte Knast schieben dürfen für den! Hat das Brödchen rausgekrie­gt?“

„Nee, nee. Der Gastwirt, bei dem Zwietusch das Geld deponiert hat, damit er immer saufen kann und die Alte findet es nicht bei ihm – der Gastwirt hat sich von selbst gemeldet, als er von Ihrer Geschichte gehört hat.“

„Dann ist die also rum im Städtchen, meine Geschichte?“fragt Kufalt.

„Ja!“sagt Herr Kraft mit Nachdruck. Und setzt hastig dazu: „Und sehen Sie, Kufalt, darum können wir Sie auch nicht weiter beschäftig­en. Solange es nicht bekannt war, Sie verstehen? Aber jetzt, wo es rum ist, Sie verstehen! So in die Wohnungen, uns macht man womöglich haftbar!“

Kufalt sieht ihn einen Augenblick stumm an. „Bisher ist nichts weggekomme­n!“sagt er.

„Nein, nein, neinnein, das sage ich auch nicht. Aber es kann doch viel behauptet werden, es ist doch auch für Sie unangenehm.“„Ich hab’ gut geworben.“„Haben Sie! Darüber kein Streit, haben Sie! Unser bester Werber! Aber wie die Verhältnis­se nun einmal liegen… wir wollen Ihnen auch gerne einen Abstand zahlen, dreißig Mark, nein, fünfzig Mark, nicht wahr, Herr Freese? Trotzdem Sie ja ein schönes Geld bei uns verdient haben. Aber Sie verstehen …“

Es konnte gar nicht eilig genug gehen, daß er Abschied nahm.

„Mein Zimmer hier müssen Sie mir aber auch noch bezahlen“, sagt Kufalt mürrisch. „Ich bleibe nicht hier, ich fahr’ wieder nach Hamburg.“„Aber…“, fängt Herr Kraft an. „Mach schon, Mensch“, sagt Freese. „Gib ihm. Und, Kufalt, zu Harders würde ich nicht gehen, mich verabschie­den…“

Kufalt sieht ihn mit großen Augen an.

„Brödchen ist auch bei Harders gewesen.“Aus. Ab dafür. Ende. Auch gut. „Nehmen Sie sich unsere neue Ausgabe mit“, eilt Freese ihm nach. „Gerade fertig. Riesenscha­denfeuer; auch von einem Ihrer…“Bricht ab. Sagt dann: „Also, alles Gute, Kufalt.“

„Trehne ist nicht“, sagt Kufalt und versucht zu lachen.

„Ach, die Trehne, die Trehne“, sagt Freese. „Die fließt Ihnen nicht weg, die bleibt Ihnen immer noch.

»125. Fortsetzun­g folgt

 ??  ?? Willi Kufalt ist das, was man einen Knastbrude­r nennt. Er kommt aus dem Schlamasse­l, aus seinen Verhältnis­sen, aus seinem Milieu einfach nicht heraus. Hans Fallada, der große Erzähler, schildert die Geschichte des Willi Kufalt mitfühlend tragikomis­ch. ©Projekt Guttenberg
Willi Kufalt ist das, was man einen Knastbrude­r nennt. Er kommt aus dem Schlamasse­l, aus seinen Verhältnis­sen, aus seinem Milieu einfach nicht heraus. Hans Fallada, der große Erzähler, schildert die Geschichte des Willi Kufalt mitfühlend tragikomis­ch. ©Projekt Guttenberg

Newspapers in German

Newspapers from Germany