„Kindergarten Strategie“im Wahlkampf
Die CSU reagiert auf einen Internet-Coup der SPD und rudert wenig später wieder zurück. Was dahintersteckt und warum ein Soziologe das Schaulaufen im Netz problematisch findet
München Die Landtagswahl rückt näher und der Wahlkampf wird hitziger – das zeigt das jüngste Schauspiel von SPD und CSU im Internet, das für die beiden Parteien jedoch zu einem Bumerang werden könnte. Mit ihrer „Kindergarten-Strategie“würden die Kontrahenten die Seriosität der Politik gefährden, sagt der Münchner Soziologe Armin Nassehi. Die Versuche, den politischen Gegner mit dem Kapern von Slogans im Netz anzugreifen, seien albern. Ein „Wahlkampf-Gag“der SPD habe zu Kindereien geführt, obwohl die Politiker vielmehr über Inhalte und Lösungsvorschläge für Probleme im Freistaat diskutieren sollten, findet Nassehi.
Wie berichtet, hatte die SPD am Dienstag einen Internet-Coup gelandet, indem sie den CSU-Slogan „Söder macht’s“kaperte und auf der Seite soeder-machts.de über ihr eigenes Programm informierte. Zwar geißelte CSU-Generalsekretär Markus Blume daraufhin die Aktion als „Fake News“und sprach von „dreisten Lügen“, doch noch am selben Abend schlug seine Partei auf gleiche Art und Weise zurück. Bis spät in die Nacht hinein verbreiteten die Christsozialen über den Nachrichtendienst Twitter gleich mehrere Internetadressen, die im ersten Moment auf die SPD und ihre Spitzenkandidatin schließen ließen – unter anderem: besserwohnenmitkohnen.de und kohnenplus.de. Wer die Seiten besuchen wollte, landete dann jedoch beim Parteiprogramm der CSU. „Danke, liebe Bayern-SPD, dass ihr auf kohnen-plus.de das CSU-Programm verbreitet! Wie nett von euch!“, twitterten die Christsozialen hämisch.
Am Mittwoch ruderten diese dann plötzlich zurück: Am Nachmittag war keine der zuvor beworbenen Seiten im Netz mehr aufrufbar. Eine Erklärung gab es nicht. Auf Anfrage unserer Zeitung wollten sich weder Ministerpräsident Söder noch Generalsekretär Blume zu der Angelegen- heit äußern. Aus der Pressestelle der CSU hieß es nur: „Die genannten URLs wurden von uns gesichert, werden aktuell von uns aber nicht bespielt. Wir setzen auf positive Inhalte und Fakten statt auf Negative Campaigning.“
Im Netz erntete die CSU für ihren Gegenschlag zur SPD-Aktion viel Spott. Auf Twitter bezeichneten Nutzer die Reaktion als „peinlich“, „nicht mehr lustig“und „auf Kindergartenniveau“. Zudem hagelte es Kritik, da die Adressen nicht auf eine Homepage führten, sondern den automatischen Download des Regierungsprogramms in Gang setzten. Markus Kompa, Fachanwalt für Urheberund Medienrecht, sieht das unproblematisch: „Der automatische Download mag zwar aufdringlich sein, scheint jedoch als solcher rechtlich nicht zu beanstanden, da Links auf PDFs üblich und zulässig sind.“Schelte gibts vom Fachmann aber für das fehlende Impressum bei sämtlichen Links. „Jede Webseite, die im weitesten Sinne gewerblich genutzt wird – und das ist bei Parteien der Fall –, muss ein vernünftiges Impressum haben. Und das muss auf der Einstiegsseite zu finden und ohne weiteren Schnickschnack zu erreichen sein. Das ist schon unprofessionell von der CSU.“Rechtliche Probleme sieht Kompa auch bei der Domain nataschakohnen.bayern: „Das geht gar nicht. Eine Domain darf nicht Persönlichkeits- und Namensrechte verletzen.“
Ob derartige Gedanken der Grund für die Abschaltung der Seiten am Mittwoch waren, ist unklar. Ebenso, ob die Aktion möglicherweise vom Parteinachwuchs, der Jungen Union, gestartet und anschließend von der Parteispitze beendet wurde. Auffällig ist jedenfalls, dass die umstrittenen Seiten allesamt vom selben Rechner ausgehen wie der Internetauftritt der Jungen Union. Deren Landeschef Hans Reichart aus Günzburg erklärte am Mittwoch, er sei den ganzen Tag in Oberfranken unterwegs gewesen und wisse nicht, wer hinter der Aktion stecke. Von einem „Befehl von oben“habe er nichts gehört. Er sehe das Ganze aber ohnehin recht entspannt und als positives Zeichen einer Mobilisierung im Wahlkampf. Die Wahl am 14. Oktober würden jedoch andere Themen entscheiden und kein „harmloses Kräftemessen im Internet“.
Und wie reagiert die SPD auf den digitalen Gegenschlag der Konkurrenz? „Ich finde die Reaktion unverhältnismäßig. Das zeigt nur, wie nervös die CSU ist“, sagte Ino Kohlmann, Pressesprecher der BayernSPD. Für seine Partei sei die Sache nun aber erledigt. (mit dpa)