Wertinger Zeitung

„Kindergart­en Strategie“im Wahlkampf

Die CSU reagiert auf einen Internet-Coup der SPD und rudert wenig später wieder zurück. Was dahinterst­eckt und warum ein Soziologe das Schaulaufe­n im Netz problemati­sch findet

- VON SANDRA LIERMANN UND MICHAEL BÖHM

München Die Landtagswa­hl rückt näher und der Wahlkampf wird hitziger – das zeigt das jüngste Schauspiel von SPD und CSU im Internet, das für die beiden Parteien jedoch zu einem Bumerang werden könnte. Mit ihrer „Kindergart­en-Strategie“würden die Kontrahent­en die Seriosität der Politik gefährden, sagt der Münchner Soziologe Armin Nassehi. Die Versuche, den politische­n Gegner mit dem Kapern von Slogans im Netz anzugreife­n, seien albern. Ein „Wahlkampf-Gag“der SPD habe zu Kindereien geführt, obwohl die Politiker vielmehr über Inhalte und Lösungsvor­schläge für Probleme im Freistaat diskutiere­n sollten, findet Nassehi.

Wie berichtet, hatte die SPD am Dienstag einen Internet-Coup gelandet, indem sie den CSU-Slogan „Söder macht’s“kaperte und auf der Seite soeder-machts.de über ihr eigenes Programm informiert­e. Zwar geißelte CSU-Generalsek­retär Markus Blume daraufhin die Aktion als „Fake News“und sprach von „dreisten Lügen“, doch noch am selben Abend schlug seine Partei auf gleiche Art und Weise zurück. Bis spät in die Nacht hinein verbreitet­en die Christsozi­alen über den Nachrichte­ndienst Twitter gleich mehrere Internetad­ressen, die im ersten Moment auf die SPD und ihre Spitzenkan­didatin schließen ließen – unter anderem: besserwohn­enmitkohne­n.de und kohnenplus.de. Wer die Seiten besuchen wollte, landete dann jedoch beim Parteiprog­ramm der CSU. „Danke, liebe Bayern-SPD, dass ihr auf kohnen-plus.de das CSU-Programm verbreitet! Wie nett von euch!“, twitterten die Christsozi­alen hämisch.

Am Mittwoch ruderten diese dann plötzlich zurück: Am Nachmittag war keine der zuvor beworbenen Seiten im Netz mehr aufrufbar. Eine Erklärung gab es nicht. Auf Anfrage unserer Zeitung wollten sich weder Ministerpr­äsident Söder noch Generalsek­retär Blume zu der Angelegen- heit äußern. Aus der Pressestel­le der CSU hieß es nur: „Die genannten URLs wurden von uns gesichert, werden aktuell von uns aber nicht bespielt. Wir setzen auf positive Inhalte und Fakten statt auf Negative Campaignin­g.“

Im Netz erntete die CSU für ihren Gegenschla­g zur SPD-Aktion viel Spott. Auf Twitter bezeichnet­en Nutzer die Reaktion als „peinlich“, „nicht mehr lustig“und „auf Kindergart­enniveau“. Zudem hagelte es Kritik, da die Adressen nicht auf eine Homepage führten, sondern den automatisc­hen Download des Regierungs­programms in Gang setzten. Markus Kompa, Fachanwalt für Urheberund Medienrech­t, sieht das unproblema­tisch: „Der automatisc­he Download mag zwar aufdringli­ch sein, scheint jedoch als solcher rechtlich nicht zu beanstande­n, da Links auf PDFs üblich und zulässig sind.“Schelte gibts vom Fachmann aber für das fehlende Impressum bei sämtlichen Links. „Jede Webseite, die im weitesten Sinne gewerblich genutzt wird – und das ist bei Parteien der Fall –, muss ein vernünftig­es Impressum haben. Und das muss auf der Einstiegss­eite zu finden und ohne weiteren Schnicksch­nack zu erreichen sein. Das ist schon unprofessi­onell von der CSU.“Rechtliche Probleme sieht Kompa auch bei der Domain nataschako­hnen.bayern: „Das geht gar nicht. Eine Domain darf nicht Persönlich­keits- und Namensrech­te verletzen.“

Ob derartige Gedanken der Grund für die Abschaltun­g der Seiten am Mittwoch waren, ist unklar. Ebenso, ob die Aktion möglicherw­eise vom Parteinach­wuchs, der Jungen Union, gestartet und anschließe­nd von der Parteispit­ze beendet wurde. Auffällig ist jedenfalls, dass die umstritten­en Seiten allesamt vom selben Rechner ausgehen wie der Internetau­ftritt der Jungen Union. Deren Landeschef Hans Reichart aus Günzburg erklärte am Mittwoch, er sei den ganzen Tag in Oberfranke­n unterwegs gewesen und wisse nicht, wer hinter der Aktion stecke. Von einem „Befehl von oben“habe er nichts gehört. Er sehe das Ganze aber ohnehin recht entspannt und als positives Zeichen einer Mobilisier­ung im Wahlkampf. Die Wahl am 14. Oktober würden jedoch andere Themen entscheide­n und kein „harmloses Kräftemess­en im Internet“.

Und wie reagiert die SPD auf den digitalen Gegenschla­g der Konkurrenz? „Ich finde die Reaktion unverhältn­ismäßig. Das zeigt nur, wie nervös die CSU ist“, sagte Ino Kohlmann, Pressespre­cher der BayernSPD. Für seine Partei sei die Sache nun aber erledigt. (mit dpa)

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Foto: Ulrich Wagner Der Wahlkampf im Internet hat Fahrt aufgenomme­n: SPD und CSU „klauen“sich gegenseiti­g die Internetad­ressen und setzen da mit die eigene Seriosität aufs Spiel, sagt ein Münchner Soziologe.

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