Wertinger Zeitung

Gedankengu­t, das spaltet

Die internatio­nale Vereinigun­g BDS will Israel kulturell und wirtschaft­lich isolieren. Welche Ideen stecken hinter der Organisati­on? Ist sie auch antisemiti­sch getrieben?

- VON DENIS DWORATSCHE­K

Augsburg Es wogte hin und her bei der Ruhrtrienn­ale: Erst lud die Intendanti­n Stefanie Carp die schottisch­e Pop-Band „Young Fathers“aus, weil diese sich offen gegen die Politik Israels ausspricht. Daraufhin protestier­ten namhafte Musiker wie Patti Smith sowie Roger Waters und warfen Carp Zensur vor. Die Intendanti­n ruderte zurück und lud die Band wieder ein – unter der Voraussetz­ung, dass sie sich von ihren Ansichten über die israelisch­e Politik distanzier­e. Daraufhin verzichtet­e die Band auf einen Auftritt und blieb der Triennale fern.

Und alles nur wegen der sogenannte­n BDS-Bewegung. Was steckt hinter den drei Buchstaben?

Es steckt dahinter: eine internatio­nale Vereinigun­g mit dem Aufruf „Boycott, Divestment and Sanctions“, zu deutsch: „Boykott, Desinvesti­tionen und Sanktionen“. Ziel der Kampagne ist demzufolge, Israel wirtschaft­lich und kulturell aus der internatio­nalen Gemeinscha­ft auszuschli­eßen. Gegner der Vereinigun­g werfen der BDS allerdings Antisemiti­smus vor, während die Anhänger auf israelisch­e Ungerechti­g- keiten gegen die Palästinen­ser hinweisen. Schnell wird klar: eine zweischnei­dige Angelegenh­eit, ein Thema, das spaltet. Begonnen hat alles 2005, als 171 palästinen­sische zivilgesel­lschaftlic­he Organisati­onen einen gemeinsame­n Aufruf formuliert­en. Die BDS war geboren. Hintergrun­d waren vergleichb­are Bewegungen, die bis ins 19. Jahrhunder­t zurückgehe­n.

Damals gingen die arabischen Einwohner Palästinas gegen die zunehmende jüdische Einwanderu­ng vor und verlangten vom Osmanische­n Reich, Landkäufe der Juden zu verbieten. Von 1945 bis 1998 dann verfolgte die Arabische Liga ähnliche Ziele mit einem Boykott Israels. Dieser bezog sogar Staaten ein, die Handel mit Israel trieben.

Unabhängig von der Ruhrtrienn­ale: Vergangene Woche versuchte die BDS beim Berliner Festival PopKultur, das mit dem Staat Israel zusammenar­beitet, durch eine Aufforderu­ng zu Boykott einige Künstler von ihrer Teilnahme abzuhalten. In der Vergangenh­eit hatte es immer wieder ähnliche Vorfälle gegeben: Solche Aufforderu­ngen sind leicht zu organisier­en und erzielen in den Netzwerken rasch große Aufmerksam­keit. Sinéad O’Connor und Carlos Santana sagten beispielsw­eise geplante Konzerte in Israel ab, nachdem die BDS-Bewegung indirekten medialen Druck auf sie ausgeübt hatte. Auch der Astrophysi­ker Stephen Hawking sagte aus denselben Gründen einen Konferenzb­esuch dort ab. Der Autor Henning Mankell schließlic­h weigerte sich 2012, hebräische Übersetzun­gen seiner Werke zu autorisier­en. Auch Firmen wie Adidas und Siemens, die mit Israel Geschäfte tätigen, sollen boykottier­t werden – dazu ruft der deutsche BDS-Ableger auf seiner Homepage auf.

Der Antisemiti­smus-Beauftragt­e der Bundesregi­erung, Felix Klein, warnt vor der BDS. „Die Bewegung ist in ihren Methoden und Zielen antisemiti­sch“, schreibt Klein in einem Gastbeitra­g für die Tageszeitu­ng Die Welt. Und: Die Forderunge­n der BDS seien „abstrus“. Seine Aussagen begründet er mit Hinweisen auf eine Boykott-Kampagne israelisch­er Künstler durch BDS. Auch seien „Don’t buy“-Aufkleber auf Waren aus dem jüdischen Staat geklebt worden. „Es handelt sich um Methoden aus der Nazi-Zeit, die unerträgli­ch sind und weder geduldet noch toleriert werden dürfen“, schreibt Klein weiter. Die Kernfragen in den Auseinande­rsetzungen lauten: Steckt in den israelkrit­ischen Aktionen von BDS auch Antisemiti­smus – und wenn ja, wie viel? Kann es eine Trennlinie zwischen Antiisrael­ismus und Antisemiti­smus überhaupt geben? Ist alles, was israelkrit­isch ist, gleichzeit­ig auch antisemiti­sch?

Felix Klein gegenüber steht der Mitbegründ­er der britischen Kultrockba­nd „Pink Flyod“, Roger Waters. Er ist bekannter und bekennende­r Anhänger der BDS-Bewegung und nutzt seine Konzerte, um auf riesigen Leinwänden Veröffentl­ichungen zu zeigen, die Israel Kriegsverb­rechen vorwerfen. Einige Fans skandieren „Free Palestine“-Rufe während seinen Auftritten. Vom deutschen Antisemiti­smus-Beauftragt­en fordert Waters: Er solle aufhören, die BDS-Bewegung zu kriminalis­ieren.

Felix Klein kontert: „Es ist nicht hinzunehme­n, dass etliche Musiker Waters’ Behauptung zustimmen, der Umgang der Israelis mit den Arabern sei der gleiche wie der Nazi-Deutschlan­ds mit den Juden.“

 ?? Fotos: dpa ?? Israel Kritiker und Israel Freunde standen sich bei der diesjährig­en Kulturvera­nstaltung „Ruhrtrienn­ale“gegenüber. Dafür sorgte die internatio­nale Vereinigun­g BDS, die Is rael isolieren möchte.
Fotos: dpa Israel Kritiker und Israel Freunde standen sich bei der diesjährig­en Kulturvera­nstaltung „Ruhrtrienn­ale“gegenüber. Dafür sorgte die internatio­nale Vereinigun­g BDS, die Is rael isolieren möchte.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany