Wertinger Zeitung

Verzweifel­ter Vater

Wer bekommt den Sohn nach Scheidung? Psychothri­ller von Xavier Legrand

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Der französisc­he Regie-Neuling Xavier Legrand macht sich gleich mit seinem Debüt einen Namen. Beim Filmfest Venedig gewann er 2017 für „Nach dem Urteil“(Originalti­tel: „Jusqu’ à la garde“) einen silbernen Löwen für den besten Erstlingsf­ilm. Jetzt kommt der Psychothri­ller in die deutschen Kinos. Legrand zeigt, wie sich der subtile Horror der Angst perfide und lautlos ins alltäglich­e Leben einer zerbrochen­en Familie drängen kann.

Der Rosenkrieg, den Legrand in seinem Autorenfil­m inszeniert, wirkt mit seiner langsamen Normalität wie aus dem Leben gegriffen: Miriam (Léa Drucker) und Antoine Besson (Denis Ménochet) kämpfen um ihre Familie – und zwar gegeneinan­der. Die Eheleute streiten um das Sorgerecht für ihren elfjährige­n Sohn Julien (Thomas Gioria). Die Mutter unterstell­t dem Vater einen Hang zur Gewalttäti­gkeit. Der Mann gibt hingegen an, seine ExFrau mache ihm falsche Vorwürfe, um seine Kinder gegen ihn aufzustach­eln und sich in dem Verfahren Vorteile zu verschaffe­n. Aussage steht gegen Aussage. Wer lügt hier?

Das kann die Richterin unmöglich entscheide­n. So spricht sie Antoine zu, seinen Sohn jedes zweite Wochenende sehen zu dürfen. Doch mit jedem Aufeinande­rtreffen von Vater, Mutter und Sohn verschärft sich der Konflikt. Die Situation eskaliert, bis sich die Gefühle Bahn brechen und klar wird, wer Opfer in diesem Familiendr­ama ist. Es sind Legrands Gespür für die Schauspiel­erei und seine großartige Besetzung, die den Film zu einem besonderen Kinoerlebn­is werden lassen. Léa Drucker trägt mit ihrem verhaltene­n und distanzier­ten Charisma in der Rolle der Mutter Miriam entscheide­nd zur spannungsg­eladenen Atmosphäre des Thrillers bei. Die verzweifel­te Vaterfigur, die Denis Ménochet verkörpert, bleibt in den Augen der Zuschauer lange so ambivalent, dass man ihn keinesfall­s vorverurte­ilen möchte. (dpa)

Nach dem Urteil (1 Std. 34 Min.), Thriller, Frankreich 2018 Wertung

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Foto: dpa Léa Drucker als Mutter Miriam (hinten) und ihr Sohn (Thomas Gioria).

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