Wertinger Zeitung

Prickelnde Geheimniss­e

Champagner, Cava, Crémant und Co: Was steckt hinter den internatio­naler Sekt-Varianten? Warum heißt Prosecco eigentlich Prosecco? Wie machen Winzer Schaumwein? Darf Zucker hinein? Einblicke in eine spritzige Welt

- VON TERESA NAUBER

Über dem Glas schwirrt der Duft von Beeren, ein Hauch von Säure kitzelt in der Nase. Winzige Perlen kräuseln sich in der tiefrosafa­rbenen Flüssigkei­t. Nach dem ersten Schluck ist klar, warum Experten gern das Wort „cremig“in den Mund nehmen, wenn sie Champagner beschreibe­n. Warum sie überhaupt so viel Aufhebens machen um einen Schaumwein. Sekt ist Sekt, könnte man doch meinen. Wein plus Kohlensäur­e – oder nicht? Tatsächlic­h ist die Vielfalt bei Schaumwein­en ebenso groß wie die Preisspann­e. Aber was unterschei­det eigentlich einen billigen Sekt von einem zehnmal so teuren Produkt?

Schaumwein­e werden zwei Mal vergoren. Das heißt, der Kellermeis­ter lässt einen an sich fertigen Grundwein – meist einen trockenen Weißwein – mithilfe von Zucker und Hefe ein weiteres Mal vergären. Die Hefe spaltet den Zucker auf und macht daraus Alkohol und Kohlensäur­e. So kommen die Perlen in die Flasche. Wie subtil der Hefegeschm­ack durchkommt und wie feinperlig ein Schaumwein wird, hängt davon ab, worin er vergoren wird und wie lange er anschließe­nd noch „auf der Hefe“liegt.

„Qualitativ sehr hochwertig­e Schaumwein­e wie Champagner, Crémant, Cava oder Winzersekt werden in der Flasche vergoren“, erklärt der badische Weinexpert­e Konstantin Baum. Deutlich günstiger ist die Gärung in großen Tanks. Der Schaumwein wird dann anschließe­nd unter Druck in die Flaschen gefüllt. Neben dem Verfahren spielt auch die Qualität des Grundweins eine wichtige Rolle.„Für einen optimalen Schaumwein braucht es frische, lebendige Grundweine“, sagt Baum. Ideale Bedingunge­n liefert – man ahnt es – das Weinanbaug­ebiet Champagne, etwa 150 Kilometer östlich von Paris. Hier sind die Frühlinge mild, die Sommer nicht zu heiß, und ein bisschen Regen gibt es auch.

Champagner muss aus der Champagne stammen – und zwar von Anfang bis Ende: Die Trauben müssen dort angebaut und der Schaumwein vor Ort gekeltert worden sein. Es gibt zwar auch sortenrein­e Champagner, aber meist wird der Grundwein gemischt aus Chardonnay, Pinot Noir (Spätburgun­der) und Pinot Meunier (Müllerrebe). Wie gut dem Kellermeis­ter diese Mischung (Cuvée) gelungen ist – das sei der Schlüssel zu einem guten Champagner, sagt Laurent Puig, Sommelier im Berliner Luxuskaufh­aus Galeries Lafayette. Stammt der Grundwein komplett aus einem Jahr, handelt sich um einen Jahrgangs-Champagner. „2002 und 2008 zum Beispiel waren Spitzenjah­re“, sagt Puig.

Crémant wird ebenso wie Champagner in der Flasche gekeltert. Bekannte Anbaugebie­te sind die Loire, das Elsass, das Burgund oder auch der Languedoc. Crémant ist in der Regel günstiger als Champagner. Schlechter muss er deshalb nicht sein. Den Begriff Crémant gibt es erst seit Ende der Achtzigerj­ahre, nachdem die frühere Bezeichnun­g „Méthode champenois­e“auf Drängen der Champagner-Hersteller in Frankreich untersagt und durch die Bezeichnun­g „Méthode traditionn­elle“ersetzt wurde.

Auch für die Erzeugung eines Cava gelten strenge Regeln. Er stammt meist aus Katalonien, der Region um Barcelona, und wird in der Flasche vergoren. Klassische Rebsorten sind Parellada, Xarel-Lo und Macabeo. Cava bedeutet aber keine regionale Herkunftsb­ezeichnung, sondern eine Qualitätss­tufe. In den Korken eines echten Cava ist in der Regel ein Stern eingebrann­t.

Der italienisc­he Prosecco ist eigentlich kein Schaumwein, sondern ein Anbaugebie­t. Wein aus Prosecco wird in Italien mit und ohne Kohlensäur­e getrunken. Außerdem gibt es Prosecco als Perlwein, der Frizzante heißt, oder als Schaumwein – dann heißt er Spumante. Seinen Namen hat der Prosecco übrigens von dem Dorf Prosseck bei Triest. Beim deutschen Sekt gibt es Baum zufolge ein großes Qualitätsg­efälle. Wer einen wirklich guten Sekt sucht, kann aber zum Beispiel auf die Bezeichnun­g Winzersekt achten. Winzersekt stammt zu 100 Prozent aus den Trauben eines Winzers. Neben den traditione­llen Sektländer­n sind dank der Klimaerwär­mung auch Regionen im Kommen, die man bisher nicht mit Sekt verbindet: „Aus Südengland etwa kommen mittlerwei­le richtig gute Sparkling Wines“, sagt Weinexpert­e Baum.

Nach der zweiten Gärung sind Schaumwein­e so gut wie zuckerfrei – also extrem trocken. Nach dem Entfernen der Hefe setzt der Kellermeis­ter dem Schaumwein daher die sogenannte Dosage zu. Dabei handelt es sich um den Grundwein, verspanisc­hen setzt mit Zucker. Je süßer diese Dosage ist, desto weniger säurehalti­g ist am Ende der Schaumwein. Schaumwein­e ohne Dosage tragen die Aufschrift Brut. Extra trockener oder dry Sekt hat bis zu 17 Gramm pro Liter, trockener Sekt bis zu 32 Gramm und halbtrocke­ner bis zu 50 Gramm Zucker pro Liter.

Da man in der Champagne Wert auf den guten Namen legt, wird streng kontrollie­rt. Wer einen Champagner kauft, macht deshalb aus Baums Sicht nichts falsch. Trotzdem ist Champagner nicht gleich Champagner, sagt Puig. Wer einen guten Tropfen erwerben will, muss ihm zufolge mindestens 20 Euro investiere­n. Sein Tipp: Kleine Winzer, wo noch alles aus einer Hand stammt, verkaufen ihre Produkte häufig günstiger als die großen Hersteller. Beim Kauf muss man also nicht unbedingt auf einen bekannten Namen schauen.

Wer ein gutes Preis-Leistungsv­erhältnis sucht, ist bei Sekt aus Flaschengä­rung generell gut aufgehoben, sagt Baum. Zehn Euro sollte man ihm zufolge dafür aber mindestens ausgeben. „Man muss bedenken,

Sehr gute Schaumwein­e im mittleren Preissegme­nt

dass allein 1,02 Euro pro Flasche für die Sektsteuer draufgehen.“Auch in der jüngsten Sektprobe der Stiftung Warentest überzeugte­n in der Flasche gekelterte Schaumwein­e für sieben bis 14 Euro am meisten. Bei der Blindverko­stung erhielten aber auch günstige Produkte aus der Tankgärung für weniger als vier Euro eine gute Note.

Während früher flache Sektkelche und später Flöten angesagt waren, serviert man Schaumwein­e heute oft in größeren Gläsern, die nach oben hin etwas schlanker werden. Dafür muss man im Glasschran­k nicht aufrüsten: „Ein gutes Weißweingl­as reicht völlig“, sagt Baum. „Traditione­ll serviert man Sekt natürlich zum Aperitif“, erklärt er. Baum ermutigt aber, auch zum Hauptgang mal Prickelnde­s anzubieten. „In Frankreich ist Champagner zur Gans seit ein paar Jahren sehr angesagt“, sagt auch Somelier Puig. Die spritzige Säure biete dem ja doch eher fettreiche­n Geflügel ganz gut die Stirn. Auch zu Krustentie­ren passen Schaumwein­e gut, sagt der renommiert­e Weinfachma­nn Baum. Generell gilt dem zufolge: „Je besser der Schaumwein, desto eher passt er zum Essen.“Also besser nur eine Flasche ausschenke­n, aber dafür eine gute. (dpa)

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Foto: AdobeStock Die Mode ändert sich auch beim Glas: Während früher flache Sektkelche und später Flöten angesagt waren, serviert man Schaum weine heute oft in größeren Gläsern, die nach oben hin etwas schlanker werden.

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