Wertinger Zeitung

Erster deutscher Kosmonaut

Vor 40 Jahren startete Sigmund Jähn ins All

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Buchdrucke­r, Jagdfliege­r, Kosmonaut, Volksheld: Die Karriere von Sigmund Jähn war nicht nur im übertragen­en Sinn steil. Sein Ruhm gründet auf einem wirklichen Senkrechts­tart: Mit langem Feuerschwe­if hob am 26. August 1978 die sowjetisch­e Rakete „Sojus 31“in Baikonur in den Himmel ab. Mit an Bord saß, in seinen Sessel gepresst, der DDR-Luftwaffen­offizier Jähn.

Mit dem Flug ging er als erster Deutscher im All in die Geschichte ein. Der damals 41-Jährige wagte das größte Abenteuer seines Lebens, und die DDR feierte ihn euphorisch. Sieben Tage, 20 Stunden und 49 Minuten dauerte die Reise mit Aufenthalt auf der Raumstatio­n Saljut 6. Das DDR-Fernsehen zeigte Sondersend­ungen mit Liveschalt­ungen in das Weltall. Jähn, der am 13. Februar 1937 im vogtländis­chen Morgenröth­e-Rautenkran­z in Sachsen zur Welt kam und schon früh in die SED eintrat, war der 90. Mensch im All.

Zur Vorbereitu­ng mussten sich die Kosmonaute­n zwei Jahre lang im „Sternenstä­dtchen“bei Moskau einem harten Training unterziehe­n. Bevor Jähn 1976 mit seiner Familie dorthin kam, war der gelernte Buchdrucke­r in den DDR-Luftstreit­kräften zum Inspekteur für Jagdfliege­rausbildun­g aufgestieg­en. Stets nach Höherem strebend und von einfacher Herkunft war er nach seinem Weltraumfl­ug der perfekte sozialisti­sche Held. Nach der Rückkehr auf die Erde folgten Orden, Ehrenbürge­rschaften, Jubelrundr­eisen und Empfän- ge. Während seiner endlosen Rundreisen durch Betriebe und Schulen wurde Jähn als Held herumgerei­cht. Dabei verschwieg man die überaus harte Landung, die ihm ein Rückenleid­en einbrockte. Jähn gab sich aber bescheiden und natürlich. In der Bevölkerun­g erwarb der verheirate­te Vater zweier Kinder Sympathie und Respekt, und nach der Wende 1989 blieb er populär. Daran hat sich auch 40 Jahre nach seinem Flug kaum etwas geändert. Wer dem heute 81-Jährigen persönlich begegnet, trifft keinen großen, unnahbaren Helden, sondern einen klugen, nachdenkli­chen, sympathisc­hen und stets freundlich­en Menschen. Auch beruflich stürzte der Kosmonaut und entlassene NVA-General Anfang der 90er Jahre nicht ab. Er hatte gute Freunde, wie den ersten westdeutsc­hen Weltraumfa­hrer Ulf Merbold, und sein Insiderwis­sen über die russische Raumfahrt war gefragt. Der in Strausberg bei Berlin lebende Jähn war Berater für die Deutsche Forschungs­anstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR) und für die europäisch­e Raumfahrta­gentur ESA. Dabei sind viele Freundscha­ften entstanden – bis hin zu Alexander Gerst, der derzeit auf der ISS ist. Als Gerst erfuhr, dass man Jähn keine Einladung zu seinem Weltraumst­art in Baikonur geschickt hatte, sorgte er dafür, dass das schleunigs­t nachgeholt wurde. Und so verfolgte im Frühjahr der erste deutsche Raumfahrer den Start von Sojus MS-09 dort, wo sein eigenes Weltall-Abenteuer vor 40 Jahren begonnen hatte. Gunter Oley

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Foto: dpa

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