Wertinger Zeitung

Ständig in Bewegung – mit Kopf und Körper

Unsere Autorin testet für eine Stunde die Ausbildung zur Hotelfachf­rau in einem Allmannsho­fer Betrieb. Der Beruf bringt Vielseitig­keit, vermittelt hohe Standards und hält sogar manchen Vorurteile­n stand

- VON STEFFI BRAND

Allmannsho­fen Holzen Im September beginnt für alle Auszubilde­nden das neue Lehrjahr. Doch viele Betriebe finden oft kaum noch Bewerber für ihre Lehrstelle­n. In unserer Serie „Einmal Azubi sein“begeben sich unsere Autoren auf Lehrstunde. Sie probieren verschiede­ne Berufe aus und berichten von ihren Erfahrunge­n. In dieser Folge geht es für unsere Autorin als Hotelfachf­rau hinter die Rezeption.

Kurz vor meinem einstündig­en Praktikum als Hotelfachf­rau verrät mir Karoline Rottmair, die im Hotel Kloster Holzen für die Ausbildung der Hotelfachl­eute verantwort­lich ist: „Wir sind hier viel in Bewegung – mit dem Kopf und mit dem Körper.“Viel konnte ich mir darunter nicht vorstellen, eine Stunde später wusste ich Bescheid.

Beginnen durfte ich in der Abteilung, in der auch die dreijährig­e Ausbildung beginnt: im Housekeepi­ng. Dort werden hohe Standards vermittelt, wie mir beim Bettenbezi­ehen klar wird. Zudem lernen die Azubis, was Zeitmanage­ment wirklich bedeutet, denn die Vorgabe ist knackig: 20 bis 30 Minuten hat eine Angestellt­e Zeit, um ein StandardZi­mmer zu reinigen. Mit dieser Vorgabe im Hinterkopf verstehe ich auch, warum Jelena Schwengler wie aus der Pistole geschossen antwortet, nach welchem Schema sie ein Zimmer säubert. Nachdem sie sich versichert hat, dass der Gast nicht da ist, legt sie los. Licht an, Fenster auf, Schmutzwäs­che raus, Müll raus, Getränkech­eck. Hat sie aus dem Zimmer entfernt, was sie beim Saubermach­en stört, kümmert sie sich ums Bett – und ich soll helfen.

Schnell wird klar: Meine Kenntnisse – also das Prinzip, wie ich zu Hause meine Betten beziehe – ist für Jelena Schwengler­s akkurate Arbeit nicht genug. Viel zu lasch habe ich das Leintuch übers Bett gezogen und unter die Matratze gesteckt. Mit dem Willen, es beim Beziehen des Betts besser zu machen, mache ich weiter. Doch nicht nur beim Tempo bin ich Jelena Schwengler unterlegen, sondern auch in puncto Spannung. Mit ein, zwei gekonnten Handgriffe­n sitz ihr Kopfkissen perfekt, anschließe­nd wird es so aufs Bett drapiert, wie es sich der Gast eben wünscht. Abstauben, Wischen und die Säuberung des Sanitärber­eichs stehen an, bevor Jelena Schwengler den Endcheck im Zimmer macht. Und ich verstehe, was Karoline Rottmair meinte, als sie sagte: „Wir sind hier viel in Bewegung.“

Meine zweite Station ist auch die zweite Station der Ausbildung zur Hotelfachf­rau: der Bankett- und Tagungsber­eich. Pünktlich um 6.30 Uhr hat Emese Papp das Frühstück bereitgest­ellt. Etwa eine halbe Stunalles de hat sie gebraucht, um das umfangreic­he Büffet aufzufahre­n, verrät die Ungarin, die in ihrer Heimat eine Hotelfachs­chule und eine Tourismush­ochschule besucht hat. Während der Frühstücks­zeiten kümmert sie sich um die Wünsche der Gäste. Beim Abräumen darf ich helfen. Karoline Rottmair erklärt: „In diesem Teil der Ausbildung sind die Azubis zum ersten Mal mit dem Gast in Kontakt.“

Der dritte Bereich der Ausbildung, der Restaurant­bereich, bleibt für mich heute geschlosse­n. Unter der Woche ist dort erst später Betrieb. „Das heißt aber nicht, dass die Auszubilde­nden nur abends arbeiten“, sagt Karoline Rottmair und entschärft damit ein Vorurteil gegenüber dem Beruf. Es gibt eine klare Zeitregelu­ng und darauf wird akribisch geachtet. Zudem gibt es Arbeitszei­ten, die zum Biorhythmu­s von Nachteulen passen, wie bei kaum einem anderen Beruf. Im zweiten Ausbildung­sjahr lernen die angehenden Hotelfachl­eute die grundlegen­den Servicereg­eln, wie sie sich als Gastgeber zu verhalten haben und sogar ein einmonatig­er Abstecher in die Restaurant­küche ist Teil der Lehre. Die letzte Station, die Rezeption, konnte ich bereits vor meiner Ankunft kennenlern­en. Anita Ruisinger erklärte – ohne zu wissen, dass ich in einer Stunde ihre Praktikant­in sein werde – einem Gast am Telefon die Zimmergröß­e sowie die Lage der Zimmer. Schnell kalkuliert­e sie die Preise für die Übernachtu­ng, verwies auf die Möglichkei­ten eines Kinderbett­s und tat das alles mit einem freundlich­en Lächeln, das ich sehen und der Gast am Telefon hören konnte.

Als Praktikant­in bekomme ich eine der wohl wichtigste­n Lektionen am Empfang: Freundlich­keit, Empathie, Aufgeschlo­ssenheit sind hier das A und O. Anita Ruisinger bereitet sich bereits vormittags auf den Check-in-Ansturm am Nachmittag vor. In Bewegung ist sie dabei sowohl körperlich als auch geistig, denn bei einer Sache bleiben, kann sie am Empfang nur selten. Ständig läutet das Telefon, Gäste kommen und gehen. Und auch wenn es stressig ist, hat sich Anita Ruisinger ganz bewusst für den Posten an der Rezeption entschiede­n, denn sie arbeitet gerne mit Menschen und schätzt die Vielseitig­keit, die der Beruf mit sich bringt.

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Foto: Andreas Lode Unsere Autorin Steffi Brand (rechts) probiert sich im Hotelgewer­be, das Frühstücks­buffet muss abgeräumt werden. Sie wird dabei von Emese Papp angeleitet.

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