Gropper tritt aus dem Tarifvertrag aus
Die Bissinger Molkerei zieht nach einem Gerichtsurteil seine Konsequenzen. Welche Auswirkungen das auf die Mitarbeiter hat und was die Gewerkschaft sagt
Bissingen Die Molkerei Gropper steigt aus dem Tarifvertrag der bayerischen Milchwirtschaft aus. Am Mittwochnachmittag teilte dies das Bissinger Unternehmen über seine Presseabteilung mit. Darin steht wortwörtlich: „Molkerei Gropper setzt auf betriebliche Regelungen als Erfolgsmodell.“Die Geschäftsleitung wolle die Arbeitsbedingungen auch künftig „direkt, gemeinsam und rechtssicher mit dem Betriebsrat und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestalten“. Deshalb habe man sich dazu entschieden, in die tariffreie Mitgliedschaft des Arbeitgeberverbandes zu wechseln.
Weiter heißt es, dass sich das Kesseltaler Unternehmen dadurch den „notwendigen Gestaltungsspielraum auf betrieblicher Ebene“sichere. Betriebsrat und Geschäftsleitung könnten die Arbeitsbedingungen genau für alle regeln und diese Regelungen immer gemeinsam im Betrieb umsetzen, ohne unerwünschten Einfluss oder Vorgaben von außen, steht es in der Pressemitteilung.
Der Einfluss von außen war in den vergangenen Monaten deutlich spürbar – es ging sogar bis vor Gericht. Wie berichtet, hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) immer wieder die Betriebsvereinbarung zwischen Unternehmen und Mitarbeiter heftig kritisiert. Weil die Auftragsbücher von Gropper voll sind, wird durchaus auch an sieben Tage die Woche produziert – die entsprechenden Überstunden sammeln sich auf den Konten der Mitarbeiter, welche Gropper wiederum auszahlen will. Gegen diese Vereinbarung hat die NGG nicht nur immer wieder gestreikt, sondern im letzten Schritt auch geklagt. Im Juni dieses Jahres lautete das Urteil des Arbeitsgerichtes Donauwörth: Die Betriebsvereinbarung ist in weiten Teilen ein Verstoß gegen den geltenden Tarifvertrag der bayerischen Milchwirtschaft. Damals teilte das Bissinger Unternehmen auf Anfrage mit: „Wir haben eine andere Rechtsauffassung als das Arbeitsgericht. Wir werden die Begründung lesen und dann voraussichtlich von der nächsten Instanz, dem Landesarbeitsgericht, prüfen lassen.“
Nun hat sich Gropper dazu entschieden, aus dem Tarifvertrag auszusteigen – unabhängig von der Klage, wie Geschäftsführer Heinrich Gropper gestern auf Anfrage mitteilte. „Bis heute haben wir keine Begründung vom Urteil. Wir gehen in die nächste Instanz und stellen uns auch vor dem Landesarbeitsgericht. Auch, wenn das Er- gebnis möglicherweise keine Relevanz mehr hat“, so Gropper. Der Firmenchef begründete im Gespräch die Entscheidung, aus dem Tarifvertrag auszusteigen, wie folgt: „Wir wollen auch in Zukunft erfolgreich sein. Gropper will nicht mit dem Kopf durch die Wand, er will selbst mit seinen Mitarbeitern das Heft in der Hand haben. Wir wollen in Ruhe arbeiten, und das erfolgreich. Wie wir das schon in der Vergangenheit getan haben. Das wollen wir nicht gefährden – und erst recht nicht von Leuten von außen“.
Den Vorwurf, dass der Geschäftsführer mit dem Kopf durch die Wand wolle, macht ihm Tim Lubecki, Geschäftsführer der NGG. Er sagte, dass er per Fax die Nachricht vom Kesseltal erhalten habe. Er nannte es „Tarifflucht“. „Das löst sein Problem nicht. Ein Haustarifvertrag wäre sicher die saubere Lösung. Ich glaube, niemand findet den Austritt aus einem Tarifvertrag gut. Die Verträge sind ein Erfolgsmodell – vor allem in der Milchbranche. So finden die Firmen auch gute Leute“, so Lubecki.
Der Tarifaustritt von Gropper sei für ihn deshalb völlig unverständlich, es sei Quatsch. „Damit steht der gute Ruf der Molkerei auf dem Spiel“, sagte Lubecki. Ein lösbarer Konflikt sei durch diesen Schritt weiter eskaliert, Gropper sei als Arbeitgeber nicht attraktiver geworden. Und weiter: „Mit der Tarifflucht endet die Friedenspflicht. Ein Haustarifvertrag ist jetzt mit Streiks durchsetzbar.“Dass der Tarifausstieg zu keinerlei Verschlechterung für die Mitarbeiter führe, das betonte Heinrich Gropper deutlich. Er sagte: „Es ändert sich nichts. Wir nehmen keinem etwas weg. Genau das haben wir voll umfänglich und detailliert allen mitgeteilt. Auch der Betriebsrat steht dahinter“, so Gropper. Zudem, und das bestätigte auch NGG-Geschäftsführer Lubecki, wirke der Tarifvertrag nach. Im Klartext: Gewerkschaftsmitglieder haben weiterhin Rechtsanspruch auf tarifliche Leistungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Zuschläge und besonderen Kündigungsschutz für Ältere. Lubecki: „Dieser Rechtsanspruch entsteht auch für diejenigen, die erst jetzt Mitglied der NGG werden.“
Der Gewerkschaftsgeschäftsführer betonte am Mittwoch nach Bekanntgabe des Tarifaustrittes immer wieder, dass die NGG versucht habe, sich mit Gropper zusammenzusetzen. Man sei bereit, über einen Haustarifvertrag zu sprechen und darin auch die besonderen Belange einer Molkerei zu berücksichtigen. Es habe nie eine Reaktion seitens des Bissinger Unternehmens gegeben.
Und die wird es wohl zu diesem Thema auch künftig nicht geben. Denn Heinrich Gropper machte deutlich: „Ich will keinen Haustarif. Wenn wir Vereinbarungen machen, dann mit unseren Mitarbeitern und nicht mit der NGG.“
In weiten Teilen Verstoß gegen Tarifvertrag