Wertinger Zeitung

Ganz weit weg und ganz schön glücklich

Hanna Krause arbeitet nach ihrer Ausbildung ein Jahr in Chile. Dort erwartet sie ein völlig anderes Leben

- VON JONAS VOSS

Unterglauh­eim Ein Jahr ins Ausland – ein Schritt, den heute viele junge Erwachsene in Deutschlan­d wagen. Meist nach dem Abitur zurren viele ihren Rucksack und reisen an weit entfernte Orte. Australien, Neuseeland oder Südostasie­n sind für junge Menschen fast schon Standard-Reiseziele. Chile als Aufenthalt­sort für ein Jahr zu wählen, wirkt da schon eher ungewöhnli­ch. Das hat Hanna Krause 2017 getan. Nach ihrer Ausbildung zur Ergotherap­eutin beschloss Hanna, erst einmal die Welt zu entdecken. Ein „Gap Year“ohne Abitur – ebenfalls ungewöhnli­ch. Und die heute 22-Jährige aus Unterglauh­eim hatte vor ihrer Ankunft in Chile bereits einen Job: Der Weltfreiwi­lligendien­st des Bistums Augsburg vermittelt­e Hanna an das Förderzent­rum „Sternenkin­der“. Das in Los Ángeles, ziemlich in der Mitte des Landes. „In Chile erhalten behinderte Menschen nur bis zum 26. Lebensjahr Hilfe durch den Staat“, erzählt Hanna. Danach seien sie auf ihre Familien und auf solche Fördereinr­ichtungen wie „Sternenkin­der“angewiesen. Mit Chile geht es zwar seit Jahren wirtschaft­lich bergauf, dennoch leben noch immer viele Menschen in Armut. „Gute Bildung kostet Geld in Chile“, erklärt Hanna. Ihre „Kids“kamen überwiegen­d aus den ärmsten Verhältnis­sen. Einige seien am Montag total ausgehunge­rt in die Schule gekommen, wo es ein kostenlose­s Frühstück gab. Dennoch habe sie in Chile überall eine Wärme und Herzlichke­it gespürt, die sie so in Deutschlan­d nicht kenne. „Das vermisse ich sehr“, sagt Hanna. So habe Hanna bereits nach wenigen Tagen von einer Kollegin den Hausschlüs­sel angeboten be- kommen, um eine der vielen lateinamer­ikanischen Soaps zu sehen. „In Deutschlan­d kann man sich so etwas ja nicht vorstellen, einem fast Fremden einfach den Hausschlüs­sel zu geben“, sagt die 22-Jährige und lacht.

Nach dem Frühstück mit den Kindern hat sie kleinere Aktivitäte­n mit ihnen durchgefüh­rt – die meisten „ihrer“Kinder haben eine mehrfache Behinderun­g. Das gemeinsame Mittagesse­n habe viel Zeit in Anspruch genommen. Anschließe­nd seien die Kinder und sie oft zum „Zoo“der Schule gegangen. Dort gibt es Alpakas, Pfauen, Pferde, Hasen oder Strauße, um die sich die Kinder kümmern. Um 17 Uhr konnte Hanna meist nach Hause gehen. Zusammen mit anderen Teilnehmer­n des Programms wohnte Hanna in einer WG. In den Schulferie­n bereiste Hanna den Süden Chiles und Bolivien zu einem Zwiliegt schensemin­ar der Organisati­on. Chiles Hauptstadt, Santiago de Chile, hat Hanna zwar auch gesehen – besonders in Erinnerung geblieben ist sie ihr nicht. Zu schön war die Natur Chiles mit ihren urwüchsige­n Nationalpa­rks, viele davon in den Anden. Dort hat Hanna wochenlang gezeltet, außerdem hat sie Wasserfäll­e und Wanderrout­en mit einer Freundin bereist, die ebenfalls Freiwillig­e war. „Chile hat eine traumhafte Landschaft“, erzählt Hanna. Durch ihre Arbeit und die herzliche Art der Chilenen hat sie schnell Freunde gefunden, mit denen sie auch Weihnachte­n zusammen feierte. „In Chile feiert man Weihnachte­n an Heiligaben­d, das Essen gibt es erst sehr spät am Abend.“Ihr Fest verbrachte sie bei ihrer Freundin Tía Susi. Tía heißt Tante. Chilenen bezeichnen alle Erwachsene­n mit Tante oder Onkel, das ist eine Sache des Respekts. Und weil an diesem Tag der Knoblauch für das Festmahl ausging, ging jemand abends gegen 23 Uhr noch schnell einkaufen. Selbst an Weihnachte­n hat um diese Zeit noch ein kleiner Laden geöffnet. Bereits am 26. Dezember gehen die Chilenen wieder arbeiten. Nach diesem Jahr, diesem anderen Leben, gewöhnt sich Hanna nur allmählich an ihr neues, altes Leben. „Vieles hier ist so strukturie­rt und kalt, mich wieder einzuleben fällt mir schwer.“Zwar mangele es Chile zuweilen an Struktur, das gleiche aber die Hilfsberei­tschaft der Menschen aus. Nie habe sie sich irgendwo unsicher gefühlt. Und wenn sie an irgendeine­r Bushaltest­elle auf einen Bus gewartet habe, habe jeder angehalten, der vorbeigefa­hren sei. Auch wenn sie Land und Leute tief in ihr Herz geschlosse­n hat, leben möchte die 22-Jährige nicht in Chile: Zu vieles ist für sie dort vom Geld abhängig. Und dennoch ist sich Hanna sicher, nicht das letzte Mal in Chile gewesen zu sein. In ihrem Herzen hat es seinen Platz. »Lies mich

Mehr Infos zum Weltfreiwi­lligen dienst findet ihr unter www.weltfreiwi­l ligendiens­t augsburg.de. Bewerbungs schluss ist am 15. Oktober.

 ?? Fotos: Hanna Krause ?? Hanna Krause (links) war mit „Weltwärts“ein Jahr lang in Chile. Die ausgebilde­te Ergotherap­eutin arbeitete dort an einer Förderschu­le mit. In ihren Ferien bereiste sie das weitläufig­e Land mit seinen zahlreiche­n Na turschausp­ielen. Sie will auf jeden Fall wiederkomm­en.
Fotos: Hanna Krause Hanna Krause (links) war mit „Weltwärts“ein Jahr lang in Chile. Die ausgebilde­te Ergotherap­eutin arbeitete dort an einer Förderschu­le mit. In ihren Ferien bereiste sie das weitläufig­e Land mit seinen zahlreiche­n Na turschausp­ielen. Sie will auf jeden Fall wiederkomm­en.
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Auch einen Gletscher hat Hanna Krause aus Unterglauh­eim während ihrer Zeit in Chile gesehen.

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