Wieder eine Mannschaft
Gegen Frankreich präsentiert sich die DFB-Auswahl als Einheit. Team besinnt sich auf Grundsätzliches statt auf Kabinettstückchen. Wer gegen Peru eine Chance bekommen könnte
München In der letzten halben Stunde des Spiels gegen Frankreich half auch das Wetter mit. Soll heißen: Es begann, wie aus Kübeln zu schütten. Es ist keine Witterung, um mit Hackenpässen und anderen Kabinettstückchen zu glänzen, sondern eine für das grobe Besteck: Kämpfen, Laufen, Grätschen. Also das, was gemeinhin eine Mannschaft ausmacht. Die Rückbesinnung auf die vermeintlich einfachen Dinge – es war eine Marschroute, die sich die Nationalelf für die Partie gegen Weltmeister Frankreich gegeben hatte und die nun besonders zum Tragen kam. Das sah auch Thomas Müller so und grinste nach Abpfiff: „Der Regen hat gepasst.“Kein Zufall, dass die DFB-Auswahl in dieser Phase am stärksten war. Reus, Hummels und Müller hatten beste Chancen auf ein Tor. Das 0:0 hatten die Franzosen ihrem starken Debütanten im Tor, Alphonse Areola, zu verdanken.
Deutschland gewann gegen den aktuellen Weltmeister zwar nicht das Spiel, sehr wohl aber einen Teil des Kredits zurück, der in Russland verspielt worden war. Oder, wie es Thomas Müller formulierte: „Es ging darum, den Leuten zu zeigen, dass wir im Nationaltrikot nicht auf Schüleraustausch unterwegs sind, sondern dass wir uns schon bewusst sind, dass wir die deutschen Fahnen vertreten und mit viel Herz auf dem Platz stehen.“
Etwas übermotiviert präsentierte sich Verteidiger Antonio Rüdiger gleich zu Beginn gegen den Stuttgarter Benjamin Pavard: Der Chelsea-Spieler traf den Franzosen mit den Stollen am Hals und hinterließ drei lange Schrammen. Erst nach einer Behandlungspause ging es für Pavard weiter. Rüdiger zeigte sich reumütig: Es sei „keine Absicht“gewesen, schrieb der 25-Jährige gestern auf Twitter: „Ich habe mich schon direkt im Spiel bei ihm entschuldigt und wünsche ihm auch hier nochmals gute Besserung.“
Bundestrainer Joachim Löw dürfte mit einem 0:0 wohl selten so glücklich gewesen sein: „Mit dem Ergebnis und dem Spiel kann ich sehr gut leben.“Das Spiel brachte für ihn zwei wichtige Erkenntnisse: Zum einen, dass die defensive Grundordnung endlich wieder stimmte. Erstmals seit zehn Monaten kassierte die Nationalelf kein Gegentor – und das gegen Spieler wie Kylian Mbappé oder Antoine Griezmann. Dass die Taktik mit vier Innenverteidigern in der Abwehrkette gegen andere Gegner auch zum Einsatz kommt, dürfte zwar unwahrscheinlich sein.
Eine andere Änderung könnte aber Zukunft haben im deutschen Team. Joshua Kimmich, der bislang die rechte Seite beackerte, wurde von Löw auf die Sechser-Position vor der Abwehr beordert. Es ist Kimmichs erklärte Lieblings-Position. Dass er gegen Frankreich dort eingesetzt werden könnte, hatte ihm Löw zwei Tage vor dem Spiel gesagt. „Da konnte ich ein Grinsen nicht unterdrücken.“Kimmich erfüllte die Erwartungen seines Trainers. Löws Urteil: „Er war sehr präsent und sehr zweikampfstark. Er war viel am Ball und hat das gut gelöst.“Wenn es nach Kimmich selbst ginge, dürfte das „gerne öfter“der Fall sein.
Auch schon beim Test gegen Peru in Sinsheim (Sonntag, 20.45 Uhr/ RTL)? Löw wird die Partie dazu nutzen, um einigen Spielern die Chance zu geben. Aller Voraussicht nach bekommt der offensivstarke Linksverteidiger Nico Schulz eine Chance, ebenso wie der Leverkusener Kai Havertz. Der sei, so Löw, „einer der talentiertesten Spieler, die wir haben“. Auch der neue Träger der Nummer 10, Julian Brandt, hat große Einsatzchancen. Sicher nicht dabei wird Leroy Sané sein: Der 22-Jährige reiste aus dem Teamhotel ab, um bei seiner hochschwangeren Freundin Candice Brook sein zu können.
Des Deutschen liebste Kinder sind – in ungeordneter Reihenfolge – das Auto, das Eigenheim und die deutsche Nationalelf. Für viele nimmt die DFB-Auswahl auch innerhalb dieses Dreiklangs einen Spitzenplatz ein. Weltmeister waren vier Jahre lang nicht nur die Spieler, die 2014 in Brasilien den WMTitel geholt hatten, sondern im Grunde ja alle Deutschen. Also wir.
Umso bestürzender wirkte das ebenso peinliche wie historische WM-Aus auf die Volksseele. Als die Pleite gegen Südkorea besiegelt war, war der Zeitpunkt gekommen, dass aus „Wir“wieder „Die“wurde. Die Entfremdung des Teams von seinen Fans hatte indes schon vorher begonnen. Dass sich, wie Toni Kroos mutmaßte, viele Deutsche über das Ausscheiden gefreut haben, ist zwar etwas dick aufgetragen. Dass im Verhältnis zwischen Mannschaft und Öffentlichkeit schon länger nicht mehr alles zum Besten bestellt war, ist aber offenbar auch den Spielern aufgefallen.
Neben den sportlichen Darbietungen trug auch die Außendarstellung dazu bei: Die großspurige Betitelung als „Die Mannschaft“, gepaart mit markigen Slogans wie „Best never rest“, dazu lustlose Auftritte bei Testpartien, für die überteuerte Eintrittspreise verlangt wurden. Viel Grund zu glauben, dass diese Protzerei der Vergangenheit angehört, gab es angesichts der wachsweichen Erklärungen von Team-Manager Oliver Bierhoff bei der WM-Analyse nicht. Für manche Dinge sei er nicht zuständig, bei anderen Aspekten könne man noch nichts definitiv sagen. Ob etwa der von ihm kreierte