Neue Wohnungen: Koalition hinkt hinter Plänen her
Allein dieses Jahr 75 000 zu wenig. Die Regierung reagiert mit weiterem Gipfel
Augsburg Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dringt auf den schnellen Bau von Millionen neuer Wohnungen. Die Gewerkschaft IG Bau glaubt schon jetzt, dass die Koalition ihre hochgesteckten Ziele verfehlen wird. Bereits nach ihrem ersten Regierungsjahr werde sie 75 000 Wohnungen hinter dem Plan liegen. In diesem Jahr rechnet IG-Bau-Chef Robert Feiger mit der Fertigstellung von nicht einmal 300 000 Neubauwohnungen.
Merkel bekräftigt hingegen das Ziel von 1,5 Millionen neuer Wohnungen in den nächsten drei Jahren. Nach Einschätzung von Immobilienverbänden sollten in Deutschland pro Jahr 350 000 bis 400 000 neue Wohnungen entstehen, um den Bedarf zu decken. Rund 80 000 davon müssten nach Schätzungen des Mieterbunds Sozialwohnungen sein. Für kommenden Freitag haben Merkel und Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) zu einem „Wohngipfel“ins Kanzleramt geladen. Erwartet werden nicht nur Politiker, sondern auch Vertreter der Wirtschaft, der Gewerkschaften und des Mieterbundes.
Der Druck ist groß. Die Wohnungssuche wird immer schwieriger, insbesondere in den Ballungszentren explodieren die Mieten. Seehofer und Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sprechen einmütig von bezahlbarem Wohnen als der „sozialen Frage“unserer Zeit.
In München haben am Samstag rund 10000 Menschen friedlich gegen Luxussanierungen, Spekulantentum, steigende Mieten und soziale Ausgrenzung demonstriert. München gehört zu den Städten in Deutschland mit den höchsten Mietpreisen. Zu der Aktion unter dem Motto „#ausspekuliert“hat ein Bündnis aus mehr als 90 Mietergemeinschaften, Gewerkschaften und Parteien aufgerufen. In ihrem Aufruf wenden sich die Initiatoren „gegen die zügellose Gier der Investoren, gegen Gesetze, die Steilvorlagen für Entmietung sind und dadurch Mieter zu Spekulationsobjekten machen“.
Die Bundesregierung will bis 2021 fünf Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau investieren. Beim „Wohngipfel“soll es laut Merkel auch darum gehen, wie mehr Bauland zur Verfügung gestellt werden kann und Verfahren zu verkürzen sind. Auch der Bund ist Grundeigentümer: Er will Bauland leichter hergeben. Die Bundesländer will er dazu verpflichten, für den sozialen Wohnbau bereitgestellte Gelder ausschließlich dafür zu verwenden. Das steht im Beschlussentwurf für den Wohngipfel. Bisher werden die Mittel nicht zweckgebunden überwiesen.
Die Skepsis der Gewerkschaft gründet sich auf Branchenindikatoren wie Baugenehmigungen und Absatzzahlen der Baustoffindustrie, beispielsweise der Steinhersteller. „Der Wohnungsbau ist kein ,Saisonmotor‘, den man beliebig anund ausschalten kann. Produktionskapazitäten müssen aufgebaut und dabei auch Fachkräfte ausgebildet werden“, mahnt Gewerkschaftschef Feiger. (mit dpa)
Weniger Sozialwohnungen
Trotz Zuschüssen in Milliardenhöhe des Bundes an die Länder ist die Zahl der Sozialwohnungen für Menschen mit geringem Einkom men zuletzt weiter gesunken.
2017 gab es nur noch 1,223 Mil lionen Wohnungen mit Mietpreis bindung und damit rund 46 000 weniger als im Vorjahr, geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor.
Im Jahr 2006, als mit einer Reform die Zuständigkeit für den sozialen Wohnungsbau vom Bund auf die Länder überging, waren es noch rund 2,1 Millionen.