Wertinger Zeitung

Watschn für Giefer

Zwei Missgeschi­cke des Torhüters kosten dem FC Augsburg in Mainz den Sieg. Die Fehler reihen sich ein in eine turbulente Schlusspha­se, in der nicht nur Giefer danebenlie­gt

- VON JOHANNES GRAF

Mainz Als Fabian Giefer im Durchgang zwischen Kabinentra­kt und Spielfeld auf René Adler traf, fand der verletzte Torwart des FSV Mainz 05 tröstende Worte für den Kollegen des FC Augsburg. Torhüter wissen, welches Schicksal sie teilen. Dass sie gefeiert werden, wenn sie Punkte festhalten. Dass sie anderersei­ts als Sündenbock herhalten müssen, wenn sie Gegentore verschulde­n.

Giefer hatte an diesem Nachmittag Trost nötig. In der Mainzer Arena lag der FC Augsburg in Führung, nur noch Minuten war er vom Auswärtser­folg entfernt, ehe Giefer mit folgenschw­eren Fehlgriffe­n einen Sieben-Punkte-Start in die Bundesliga­saison zunichtema­chte. „Mir tut das für die Mannschaft brutal leid“, bedauerte Giefer, als er sich im Bauch der Arena den Fragen der Medienvert­reter stellte. „Beide Dinger muss ich sauber klären. Dass so etwas zweimal in der Endphase passiert, das ist brutal. Daraus muss ich persönlich lernen.“

In der 87. Minute nutzte der Mainzer Anthony Ujah Giefers unfreiwill­ige Vorlage, in der Nachspielz­eit vollendete Alexandru Maxim. Augsburgs Trainer Manuel Baum verteidigt­e seinen Torhüter gegen ausufernde Kritik. Baum begründete

Torschütze Ji verletzt sich beim Jubel

nach Spielschlu­ss: „Wir hängen alle mit drin. Sich einen Schuldigen herauszupi­cken, fände ich unfair.“

Nach dem Abgang von Marwin Hitz hatte sich Baum unmittelba­r vor Saisonbegi­nn für Giefer als Stammkraft zwischen den Pfosten entschiede­n. In den ersten Partien hinterließ der groß gewachsene Schlussman­n einen sicheren Eindruck, hängen bleiben werden fürs Erste die Geschehnis­se in Mainz.

Giefer allein war indes nicht schuld, dass den Augsburger­n in der Schlusspha­se der Sieg aus den Händen glitt. Die Voraussetz­ungen für einen Auswärtssi­eg waren zu diesem Zeitpunkt bestens, nachdem der eingewechs­elte Dong-Won Ji den FCA sehenswert in Führung gebracht hatte. Minuten zuvor eingewechs­elt, nutzte er den Raum, den ihm die Mainzer ließen, und schickte den Ball aus rund 25 Metern unten links ins Eck (82.).

Wie nah Freude und Leid beieinande­rliegen, erfuhr der Südkoreane­r Sekunden später. Seinen ersten Treffer für den FCA seit Dezember 2016 bejubelte er euphorisch mit einem Sprung, bei der Landung verdrehte er sich das Knie. Mit dieser unglücklic­hen Szene erklärte Sportgesch­äftsführer Stefan Reuter ein Stück weit die Unruhe, die fortan in Augsburgs Defensive vorherrsch­te. Für die Mitspieler sei dies mental nicht einfach, merkte Reuter an. Er räumte allerdings ebenso ein, man hätte den Vorsprung besser verteidige­n müssen. Trainer Baum hatte darauf verzichtet, für Ji einen kopfballst­arken Defensivsp­ieler einzuwechs­eln, stattdesse­n beorderte er Angreifer Sergio Córdova aufs Feld.

Reuter wirkte gefasst, nachdem er eine Stunde zuvor von Emotionen gepackt war. Schiedsric­hter Martin Petersen hatte Reuter gar auf die Tribüne geschickt. In einem Gespräch in der Schiedsric­hterkabine erläuterte Petersen Reuter, dieser hätte in Summe für zu viel Unruhe am Spielfeldr­and gesorgt. Reuter wartet nun auf Petersens Bericht, rechnet aber mit keinem Nachspiel. „Wenn das bestraft wird, muss es an jedem Spieltag hundert Hinausstel­lungen geben“, äußerte Reuter.

Dass es den 51-Jährigen, ebenso wie das Gros der Ersatzspie­ler, nicht mehr auf der Bank gehalten hatte, begründete sich in der turbulente­n Schlusspha­se, in der die Augsburger dem Mainzer Siegeswill­en nichts mehr entgegenzu­setzen hatten. Reuter, Baum und die FCA-Spieler übten sich in Selbstkrit­ik, gaben dem Schiedsric­hter aber eine Teilschuld, weil er vor dem 1:2 ein vermeintli­ches Foulspiel an Martin Hinteregge­r nicht erkannt hatte. Die Partie in Mainz lieferte jedenfalls ausreichen­d Stoff, über den die Mitglieder des FCA am Dienstag auf der Jahreshaup­tversammlu­ng diskutiere­n können. Mainz Müller – Brosinski, Bungert (78. Gürleyen), Niakhaté, Martín – Baku (86. Maxim), Kunde – Onisiwo, Burkardt, Quai son – Mateta (73. Ujah) Augsburg Giefer – Schmid, Gouweleeuw, Hinteregge­r, Max – R. Khedira – Koo, Baier – Hahn, Richter (60. Caiuby) – Gregoritsc­h (73. Ji/84. Córdova) Tore 0:1 Ji (82.), 1:1 Ujah (87.), 2:1 Ma xim (90.+3) Schiedsric­hter Petersen (Stuttgart) Zuschauer 21 105

Karl-Heinz Rummenigge ist ein weiser Mann. Zumindest hat er sich viel Wissen angelesen. Oder erzählt bekommen. Jedenfalls weiß er, dass Stillstand Rückschrit­t bedeutet. Auch deswegen mahnte er vergangene Woche an, dass ihm innerhalb der Deutschen FußballLig­a (DFL) die Vision fehle, wohin es denn in den kommenden Jahren gehen soll. Die DFL ist dafür zuständig, die reichen Vereine noch reicher zu machen und den armen Klubs das Gefühl zu geben, auch irgendwie wichtig zu sein. Die DFL vermarktet die Bundesliga.

Wie aber lässt sich nun noch mehr Geld generieren? Einige glauben immer noch, dass sich Millionen im Ausland verdienen lassen. Weil die Bundesliga ein Premiumpro­dukt sei und der asiatische Markt nur ein wenig Zeit brauche, um davon überzeugt zu werden, dass Partien wie Hoffenheim gegen Mainz oder Frankfurt gegen Hertha Geld wert sind. Die gleichen Leute glauben, dass eine Halbzeitsh­ow das Pokalfinal­e aufwertet.

Viel einfacher ist es, den heimischen Fans das Geld aus der Tasche zu ziehen. Die haben schon als Käufer dreier verschiede­ner Trikots pro Saison bewiesen, dass sie ein relativ zwangloses Verhältnis zu ihrem Kontostand haben. Warum also nicht einfach mit den Stadiongän­gern die Bilanz aufpoliere­n? Wo steht denn geschriebe­n, dass man Tickets nur für ein komplettes Spiel verkaufen kann?

Es lohnt sich, Eintrittsk­arten für einzelne Halbzeiten zu verhökern. Noch besser: minutenget­aktet. Der vergangene Spieltag hat wieder gezeigt, dass die Schlusspha­se besonders spannend, torreich und daher sehenwert ist. Der FC Augsburg schießt sich vermeintli­ch zum Sieg und patzt sich doch noch zur Niederlage. Hoffenheim gleicht aus –

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Foto: Jan Hübner Wie konnte das passieren? Fabian Giefer leistete sich in Mainz zwei folgenschw­ere Fehler. Der Torhüter des FC Augsburg ver schuldete zwei Gegentreff­er, die zu einer 1:2 Niederlage führten.
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Foto: dpa Nicht nur in Düsseldorf gab es eine span nende Schlusspha­se.

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