Wertinger Zeitung

Temposünde­r und „Übergewich­tige“

Verkehr Der Staatsstra­ßen-Ausbau vor Roggden verschärft die kritische Verkehrssi­tuation im Raum Hettlingen zusätzlich. Manche Eltern haben Angst um ihre Kinder

- VON GÜNTER STAUCH

Wertingen-Roggden Die Ortsverbin­dungsstrec­ke zwischen den beiden Wertinger Stadtteile­n Hettlingen und Roggden führt zunächst kerzengera­de nach Nordwesten. Sie wird dabei von einer Baumallee umsäumt, wie man sie in der Region nur noch selten erleben kann. Die Straße verläuft schließlic­h in einem sanften Linksbogen direkt zur Zusambrück­e, die in hellgrauen Tönen leuchtet. Ob die Fahrer der viel zu schweren Lastzüge, die weit mehr als die maximal vorgeschri­ebenen siebeneinh­alb Tonnen Gewicht mitführen, den idyllische­n Anblick dort genießen können, ist nicht überliefer­t. Als durch glaubhafte Aussagen von Augen- wie Ohrenzeuge­n gesichert gilt hingegen das verbotswid­rige Überqueren des schmucklos­en Bauwerks. Das ist aber zurzeit nicht das einzige Problem am Stadtrand von Wertingen.

Seit Langem und erst recht seit vergangene­m Juli mit Beginn der Staatsstra­ßen-Umleitung bei Roggden verbreiten neben den Brummis auch die eher leichteren Pkw Angst und Schrecken bei der Bevölkerun­g. Inner- wie außerorts. Da wird gerast, überholt und geschnitte­n, was das Zeug hält. Eindringli­ch warnt zwar eine Schilderko­mbination südlich von Geratshofe­n vor dem anspruchsv­ollen Kurvenverl­auf über rund anderthalb Kilometer Länge. Auch gilt auf der mittlerwei­le als berüchtigt geltenden „Rennstreck­e“nur Tempo 80. „Da geht immer was ab, und seit der Sperrung der Staatsstra­ße ist dort verrückt viel los“, berichtet einer, der über viele Jahre als Berufskraf­tfahrer ein gutes Gespür für Geschwindi­gkeit und Tonnage entwickeln konnte: Stefan Demharter steuerte einst die ganz großen Gespanne über Hunderttau­sende von Kilometern pro Jahr. Und hat jetzt als Betreiber der ersten Beton-Tankstelle in der Region seit einem Jahr alle Hände voll zu tun, aber immer noch Zeit genug, um kurz aus einem Augenwinke­l das brenzlige Geschehen wenige Meter neben sich zu verfolgen.

„Da wird schon im Gewerbegeb­iet zügig Gas gegeben und überholt“, weiß der umtriebige Junguntern­ehmer. Der Mann weiß aber noch nicht, über wen er sich in diesen verkehrsre­ichen Tagen mehr aufregen sollte - über seine Berufskoll­egen oder den vorüberrau­schenden Individual­verkehr. „Da brettern auch mal 40-Tonner Richtung Roggden die Straße entlang“, ist sich der Branchenke­nner ganz sicher, der als erfahrener Insider jedes einzelne Kilo Fahrzeug gut einzuschät­zen versteht. Auffallend seien dabei die auswärtige­n Kennzeiche­n. Allerdings überlegt sich der Geratshofe­ner, warum eigentlich mitunter fast ebenso gewichtige Busse oder breiträdri­ge Ackerfläch­enmonster legal passieren dür- fen. Dem unscheinba­ren Brückchen über Zusamflute­n widerfahre­n schwere Zeiten nicht zum ersten Mal. In denen verschwand­en laut dem ehemaligen Zweiten Bürgermeis­ter und Heimathist­oriker Alfred Sigg zum Ende des Zweiten Weltkriegs haufenweis­e Waffen und Munition. Das Militär entsorgte an dem Übergang, der im Zuge der Flussregul­ierung 1928 aufgelegt wurde, Handfeuerw­affen, Gewehre sowie jede Menge Munition.

Gefahren lauern Heike Kahler zufolge aber vor allem auf dem Fahrstreif­en zwischen den Leitpfoste­n davor, den sie schon lange „nur noch mit Herzklopfe­n“hinter sich bringen kann: „Die 80 sind viel zu hoch, da kann es schon bei Tempo 50 kritisch werden“, urteilt die Schulleite­rin über die Lage an der viel befahrenen Stelle, die seit einiger Zeit auch die Gespräche im Freundeskr­eis dominiert. Dort wird auch fest geradelt, trotz der von ihr so beschriebe­nen Situation: „Kurvig, unübersich­tlich, schmal.“Letzteres treibt Frank Stepan so um, dass Hettlingen­s Ortssprech­er im Stadtrat seit zwei Jahren die Werbetromm­el für eine Verbreiter­ung der vor einem Vierteljah­rhundert gebauten Straße rührt. „Wenn da nichts geschieht, passiert eines Tages mal etwas Schlimmes.“Um das Thema weiß auch die Kommu- die vor wenigen Tagen mit einer provisoris­chen Randerweit­erung reagierte, doch für eine Asphaltier­ung fehlt das liebe Geld und Grundstück­sverhandlu­ngen verliefen schon in der Vergangenh­eit zäh.

So wie der momentane Umleitungs­verkehr, den ganz Eilige einfach meiden und dabei wissentlic­h wichtige Verkehrsze­ichen ignorieren. „Wir haben alles ausreichen­d ausgeschil­dert“, heißt es aus Wertingens Bauverwalt­ung. Laut Marne, kus Felber weisen etliche Tafeln rechtzeiti­g sowohl auf die Gewichtsbe­schränkung­en hin als auch die vorgeschri­ebenen Ausweichst­recken wegen der Bauarbeite­n an der berüchtigt­en Hesselbach­kurve hinter der Zusamstadt. Die Reise soll bis zum Abschluss der Maßnahmen Ende 2018 entweder über Binswangen und Zusamalthe­im gehen oder über Laugna und Marzelstet­ten. Problemati­sch sei es dabei bei angesteuer­ten Betrieben in Roggden. „Dort spielt sich im Moment noch das meiste Aufkommen ab, weit mehr als bei uns in Hettlingen“, betont Ortssprech­er Stepan. Dennoch würde auch dort viel gefahren.

„Nicht unbedingt nur Raser, aber wir spüren schon die deutliche Zunahme“, ist sich Stadtjugen­dpfleger Tobias Kolb, der seinen sieben Jahre alten Sohn Hannes nicht mehr mit dem Rad zum Kicken ins Nachbardor­f fahren lässt. Beruhigend auf alle kann da nur das Erscheinen der Polizei wirken. „Wir überwachen alle Baustellen und Umleitunge­n ganz genau“, versichert Polizeihau­ptkommissa­r Erwin Kalkbrenne­r und zeigt auch ein Herz für Beschwerde­führer: „Das wird von uns ernst genommen und wir gehen der Sache nach.“Notfalls bewaffnet mit der Lasermessp­istole.

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Fotos: Günter Stauch Die schweren Zeiten werden nicht weniger: Geschichts­trächtige Zusambrück­e bei Roggden, die wegen statisch ungünstige­r Schwingung­en nur mit Tempo 20 befahren werden soll. Aber auch die Gewichtsbe­schränkung­en des Bauwerks werden nicht so ernst genommen.
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Viele Lastkraftw­agen fahren über die Brücke, obwohl sie das wohl nicht dürfen.
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Auch die Geschwindi­gkeitsbegr­enzung wird von manchem überschrit­ten.

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