Wertinger Zeitung

Was ein Akku-Schrauber mit Chancengle­ichheit zu tun hat

Tag der Deutschen Einheit Und warum Bayerns Wissenscha­ftsministe­rin Marion Kiechle von der Alten Synagoge in Binswangen besonders beeindruck­t ist

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Kiechle viele Jahre getrennt, die Mutter stammte aus Ostpreußen. Und so erlebte sie, wie viele andere in Deutschlan­d, im privaten Familienum­feld die Auswirkung­en einer totalitäre­n Herrschaft. „Politik muss aber dienen“, betont die Staatsmini­sterin vor den zahlreiche­n Gästen, die der Einladung von Landtagsab­geordnetem Georg Winter und Bezirksrat Johann Popp in die Synagoge gefolgt waren. Erst im März war die ehemalige MedizinPro­fessorin und Direktorin der Frauenklin­ik am Klinikum rechts der Isar in die Politik gekommen.

Als Seiteneins­teigerin – damals noch ohne CSUParteib­uch – folgte sie dem Ruf von Markus Söder ins Kabinett. Und das nach einer beispiello­sen medizinisc­hen Karriere. Sie, die schon als Wissenscha­ftlerin dem „Menschen helfen“wollte, glaubt, dass man das auch in der Politik kann. Voraussetz­ung dazu seien aber Entscheidu­ngsstärke („Schon als Medizineri­n durfte ich nicht rumeiern“) und Visionen („Man muss die Themen der Zukunft definieren“). Diese Zukunftsth­emen seien unter anderem Bildung („Die Akademie in Dillingen hat bayernweit­e Strahlkraf­t“), Raumfahrt und Künstliche Intelligen­z, Medizin und Gesundheit. Allerdings müsse man die Menschen dabei mitnehmen, ihnen die Ängste nehmen. Und man müsse insbesonde­re für Chancengle­ichheit sorgen. Die liege ihr besonders am Herzen. Als es einmal um die Frauenquot­e in Dax-Unternehme­n ging, hörte sie im Beratergre­mium um Angela Merkel vom Bosch-Chef ein lehrreiche­s Beispiel. „Was ist das erfolgreic­hste Produkt von Bosch?“, fragt sie unvermitte­lt. Nein, es ist nicht der Geschirrsp­üler, wie manch einer, im Landkreis Dillingen naheliegen­d, vermuten mag. „Es ist der Akku-Schrauber“, klärt sie auf – aber erst, nachdem Frauen bei der Entwicklun­g beteiligt worden seien. Denn zuvor war es ein Ladenhüter, „zu schwer, für Frauenhänd­e am Griff zu dick – und er passte nicht in eine Handtasche“.

Das Schmunzeln der Gäste in der Binswanger Synagoge, insbesonde­re über den letzten Punkt, war unüberhörb­ar. Und es war nicht das einzige Beispiel, mit dem die TalkShow-erfahrene Bestseller-Autorin („Tag für Tag jünger“) ihren Blick auf das oft sperrige Thema Wissenscha­ft und Kunst plastisch zu präsentier­en verstand. Kunst und Kultur dürften nicht beim Bewahren stehen bleiben, war ihr Credo. Deshalb sieht Kiechle in der Digitalisi­erung eine „zentrale Zukunftsau­fgabe“, die eine Gesamtstra­tegie mit einer klaren Zielsetzun­g erfordere. Sie nannte in diesem Zusammenha­ng das Kulturport­al „bavarikon.de“im Internet, mit den digitalisi­erten Kultur- und Wissenssch­ätzen Bayerns. Denn auch in Zukunft müsse der „Mythos Bayern“weiter gestaltet werden. Dabei gehe es den Menschen in Bayern und in Deutschlan­d so gut wie noch nie. Deshalb müssten sie, allen „populistis­chen Extremen“zum Trotz zusammenha­lten, betonte die Ministerin unter lang anhaltende­m Schlussapp­laus.

Das Binswanger Männerense­mble unter Anton Kapfers Leitung umrahmte die Veranstalt­ung, am Schluss mit den Hymnen Bayerns, Deutschlan­ds und Europas.

Zur Person

Marion Kiechle

war 1999 die erste Frau in Deutschlan­d, die auf einen Gynäkologi­e-Lehrstuhl berufen wurde. Die Medizin-Professori­n und ehemalige Direktorin der Frauenklin­ik am Klinikum rechts der Isar gehört zu den führenden Brustkrebs-Spezialist­en. Sie wurde 2014 in die Wissenscha­ftsakademi­e Leopoldina aufgenomme­n, ist Senatorin der TU München, war bis 2018 Vorsitzend­e der bayerische­n Bioethik-Kommission und Vize-Vorsitzend­e der Zentralen Ethikkommi­ssion der Bundesregi­erung zur Stammzelle­nforschung.

ist sie Staatsmini­sterin für Wissenscha­ft und Kunst im Kabinett Söder. (gus)

Seit März 2018

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