Licht oder Hölle?
Michael Altinger startet mit „Hell“den letzten Versuch, eine moralische Lichtgestalt zu sein
vermuten. Er schwärmt von der Helligkeit des Lichts, auf das wir spätestens dann zusteuern, wenn wir nicht mehr vom Fleck kommen. Denn jeder von uns will wie die Motten zum Licht oder zumindest zu einer echten Lichtgestalt werden. Bereits der erste Song „Aus uns kann noch was werden“, begleitet von seinem kongenialen Partner Martin Faber am Keyboard, erzählt von der Sehnsucht, ein moralisches Vorbild zu werden. Doch der schon sehnlichst erwartete Anruf seines Kumpels Flo bringt die besten Vorsätze ins Wanken. Es geht um einen Autounfall, nix Schlimmes, ein ganz normaler Blechschaden. Der Schuldige ist eindeutig er selbst. Das ist die Wahrheit und Michael Altinger steht dazu. Nicht umsonst stammt sein Vorname von einem Erzengel ab und das M hat er von Mutter Teresa.
Aber dann kommen Kosten, Anwälte, Versicherungen und „beste Freunde“auf ihn zu und allmählich verkommt die Wahrheit immer mehr zu einer Option und schließlich gibt es eine ganz neue Wahrheit, die sich für den Schadensverursacher Altinger viel günstiger rechnet. Wie ein roter Faden zieht sich der Autounfall und seine Folgen durch das Programm, das pointiert und mit satirischem Biss den menschlichen Kampf zwischen dem moralischen Anspruch des Kant´schen Imperativs und der menschlichen Bestimmung durch höhere, auch böse Kräfte und Verschwörungstheorien schildert. Auch niedere menschliche „Bedürfnisse“wie Standup-Paddeln, sein Heim mit Gabionen (Steine hinter Gittern) umzäunen oder grüne Smoothies trinken, die er in bester Kabarettmanier auf die Schippe nimmt, stören den Weg zur moralischen Lichtgestalt. Bei seinen selbst komponierten Liedern mit köstlicher Persiflage über Tattoos, den Therapeuten mit Bachblütenzertifikat oder die Aperol-SpritzTussi begeistert Altinger vor allem durch sein schauspielerisches Talent.
Zu den Höhepunkten schauspielerischer Verwandlung zählen die dazwischen gestreuten Telefongespräche mit seinem Kumpel Flo, die himmelhochjauchzend beginnen und allmählich in sichtbarer Enttäuschung und Niedergeschlagenheit enden, denn allmählich wird ihm klar, dass er nicht nur eindeutig der Unfallschuldige ist, sondern sein eigenes Auto durch seine aggressionsbefreienden Steinschläge nur noch Schrottwert hat. Sein lakonisches „Jetz is es so…“deutet wohl darauf hin, dass seine Moral im Schwinden ist und ein Versicherungsbetrug immer näher rückt, was allerdings unausgesprochen bleibt, aber mit den Händen zu greifen ist. (mas)