Viele Schwule leben „verdeckt“
Homosexuelle Männer haben oft sogar Frau und Kinder
München Knapp sechs Prozent der homosexuellen Männer Mitte 40 führen laut einer Studie der Technischen Universität München (TUM) ein rein heterosexuelles Leben – häufig mit Ehefrau und Kindern. „Andere Studien gaben bereits Hinweise, dass es diese Gruppe gibt. Wir konnten es jetzt erstmals wissenschaftlich beweisen“, sagte Studienleiterin Professorin Kathleen Herkommer, Oberärztin in der Klinik für Urologie am Tum-universitätsklinikum rechts der Isar.
Über die Gründe und mögliche Folgen kann bisher nur spekuliert werden. Zwei Jahre lang hatten Ärzte Männer im Alter von 45 Jahren in München, Düsseldorf, Hannover und Heidelberg unter anderem über ihre sexuelle Orientierung und ihre sexuellen Praktiken befragt.
12354 füllten Fragebögen aus. Viele davon sind Herkommer zufolge „hidden homosexuals“(versteckte Homosexuelle), die sich selbst zwar als homosexuell sahen, Sex aber ausschließlich mit Frauen hatten. Als solche bezeichneten sich 5,9 Prozent der teilnehmenden homosexuellen Männer. Befragt wurden die Betroffenen nicht, warum sie sich für eine solche Lebensweise entschieden haben.
Markus Ulrich vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) vermutet vor allem religiöse Motive. Wer versuche, katholischer Moral zu entsprechen, könne homosexuellen Gefühlen nicht nachgeben. Amerikanische Studien hätten das belegt, sagte Herkommer. Sie verweist zudem auf Ängste, es in der Familie zu sagen, womöglich den Job zu riskieren und Stigmatisierung von außen. „Wir haben zwar bis zur Ehe alles legalisiert, aber Homosexualität ist in der Gesellschaft insgesamt noch nicht überall akzeptiert.“Dass sexuelle Orientierung und gelebte Praxis auseinanderklaffen können, ist laut Lsvd-sprecher Ulrich ein bekanntes Phänomen. So habe man beispielsweise im Zuge der Hivpräventionskampagnen gemerkt, dass nicht alle Männer, die Sex mit anderen Männern haben, sich als schwul bezeichnen und entsprechend angesprochen fühlen. Studienleiterin Herkommer sagte: „Es gibt Hinweise darauf, dass eine solche Diskrepanz zu psychischen Problemen führen kann.“Mögliche Folgen könnten etwa Depressionen sein.