Wertingen zeigt sich als Stadt der Kultur
Zwei große Ereignisse schafften einen Rahmen für besondere Begegnungen: Das Internationale Gitarrenfestival und die Ausstellungseröffnung „Kunst im Schloss“
Wertingen Weiße Schnüre hängen von den weißen Wänden des Festsaals im Wertinger Schloss, schlängeln sich noch ein Stück in den Raum. Fast unbemerkt nimmt eine Frau sie irgendwann auf. Weiß gekleidet, weiße Maske auf weißem Stuhl sitzt sie zwischen den Besucherreihen. Mit den ersten Tönen von „little.fire“beginnt sie sich zu bewegen, spannt die Schnüre und lässt sie gegen die alten Schlossmauern zurückschnellen. Spätestens jetzt haben auch die Besucher sie wahrgenommen: Ya-wen Fu, die mit einer Performance die 20. Ausstellung „Kunst im Schloss“eröffnet hat. Der Saal ist voll, die Vernissage am letzten Tag eines erlebnisreichen Kunst- und Kulturwochenendes, das von den Gitarrenklängen internationaler Künstler geprägt war.
Ya-wen Fu hatte als diesjährige Wertinger Kunststipendiatin vier Wochen in der Zusamstadt verbracht (wir berichteten). Im Rahmen eines größeren Projekts setzte sie sich auch hier mit Angriffen und anvisierten Zielen auseinander, die sich oft unterschwellig und nach außen zunächst unbemerkt abspielen. Gefühle und Emotionen gehören hier ebenso dazu wie Gedanken und Wertungen. Diese wahrzunehmen – dazu ruft uns auch immer wieder die Kunst auf. Und darauf ließen sich viele Zusamtaler bereits am Freitagabend ein.
Mit Gitarrenkünstlern aus aller Welt und bildenden Künstlern aus ganz Süddeutschland ermöglichte die Zusamstadt Begegnungen und Eindrücke, die weit über das herkömmliche Maß hinaus gingen. Profis und Laien kamen sich beim Gitarrenfestival in der Stadthalle näher, Virtuosen und Hobbymusiker, einheimische Menschen und Weltenbummler, jung und alt, Nachwuchskünstler und erfahrene Stars. Eine ähnliche Szenerie nebenan bei „Kunst im Schloss“: 48 ausgewählte Künstler aus ganz Süddeutschland präsentierten ihre zeitgenössischen Arbeiten. Und die Wertinger kamen hier wie da und staunten, nahmen Neues und Ungewöhnliches auf, freuten sich an Traditionellem, Be- währtem, aber auch an Experimentellem, Frechem, Avantgardistischem. Nicht nur Gitarristen, sondern alle, die Musikrichtungen unterschiedlichster Art mögen, kamen in der Stadthalle und in der evangelischen Kirche bei fünf Konzerten auf ihre Kosten. Dabei wurde klar, warum die Gitarre mit ihrem Facettenreichtum zu den gefragtesten Instrumenten der Zeit gehört: Ein Beispiel war Youtube-star und Multikünstler Jon Gomm, der nur mit der Gitarre eine ganze Reggaeband ersetzte. Das Können eines solchen Wahnsinns-kerls erwies sich als ebenso beeindruckend, wie der Zauber des Montesinos-tamayo-paares, das zum Ende seiner Vorstellung gar zusammen auf einer Gitarre spielte.
Die Konzerte das Eine, die menschlichen Begegnungen und die Festival-initiative das andere. Es bedeutet durchaus einen Kraftakt für den kleinen Gitarrenverein, jedes Jahr ein Festival zu organisieren – mit der Stadt als verantwortlichem Veranstalter und ihren tatkräftigen Mitarbeitern im Rücken. Bürgermeister Willy Lehmeier selbst und Festival-leiter Johannes Tonio Kreusch wurden, wie auch die Gitarrenkünstler, nicht müde, der Initiative zu danken, mitunter auch dem Jugendzentrum, dessen bewährte Festivalküche und Zuschauerverpflegung immer wieder für Überraschungen sorgt.
Johannes Kreusch, der auch die Vernissage im Schloss besuchte, gab den Dank zurück an die Stadt: „Wertingen steht für Kulturarbeit – ein wunderbarer Beitrag in heutiger Zeit.“Auch die Gitarrenkünstler staunten darüber, was in der kleinen Zusamstadt möglich gemacht wird: zum siebten Mal bereits ein Internationales Gitarrenfestival, zum 20. Mal die Ausstellung „Kunst im Schloss“und zum 16. Mal eine Verleihung des Kunstpreises. Bei beiden Ereignissen kam der Anstoß dafür von Künstlern. Dr. Sabine Heilig vom Kunstverein Nördlingen hob dies bei ihrer Einführung in die Kunstausstellung hervor: „Die städtische Kunst in Wertingen organisiert sich auch heute noch über ehrenamtliche Unterstützung.“