Totaler Irrsinn im bürgerlichen Milieu
Dem Lauinger Stadeltheater gelingt mit der Komödie „Pension Schöller“eine Glanzleistung. Auch, weil die Akteure ihren Rollen ein eindrucksvolles Profil geben
Lauingen Das Stadeltheater bleibt auch im Jahre 2018 seiner Linie treu. Mit der jüngsten Inszenierung lässt das vergnügte Ensemble den Witz der deutschen Komödientradition über alle modische Comedyblödelei triumphieren. Die Premiere des Lustspiels „Pension Schöller“erwies sich als faszinierendes Spiel mit den Ungereimtheiten des täglichen Lebens. Es waren nicht die dümmsten Köpfe der Literaturgeschichte, die der Welt den Status eines Narrenhauses attestierten. Carl Laufs und Wilhelm Jacoby bewiesen 1890 mit „Pension Schöller“, dass unter einem speziellen Blickwinkel jeder Mitmensch zum psychiatrischen Problemfall wird. Zwei Stunden lang gelingt es dem Stadeltheater-regisseur Andreas Haun, unterstützt von 15 Darstellerinnen und Darstellern, die Skurrilität menschlicher Lebensäußerungen zum Anlass für ständige Lachsalven zu machen.
Wenn eine Familienpension in den Verdacht gerät, ein Aufenthaltsort für geistig Gestörte zu sein, entdeckt der irregeführte Geist des Beobachters überall Anzeichen des Irrsinns. Die Spielgruppe des Stadeltheaters beflügelt diese Missdeutung mit dramatisch-amüsanten Impulsen. Da wird gebrüllt und gelispelt, geprotzt und getäuscht, geliebt und gehasst. Aber dass sich alle Lebensäußerungen in Belege für wütenden Wahnsinn verwandeln können, liegt an der herausragenden schauspielerischen Leistung des Ensembles. Besondere Verdienste für den Erfolg der Inszenierung erwirbt sich Helmut Weiß. In der Rolle des Gutsbesitzers Philipp Lenzmayer sichert er der von Hugo Wiener bearbeiteten Fassung des Stücks österreichischen Charme und einen Hauch heiterer Menschlichkeit. Selbst jene Zuschauer, die Maxi Böhms Interpretation der Lenzmayer-figur kennen, müssen vom Spiel des Helmut Weiß begeistert sein. Mit souveräner Textbeherrschung, mit pointensicherer Akzentuierung, mit dialogbegleitendem Mienenspiel und mit lausbübischer Schalkhaftigkeit sichert er der Aufführung ein hohes künstlerisches Niveau.
Besondere Höhepunkte gibt es im Spielablauf immer dann, wenn dieser Lenzmayer mit dem Weltenbummler Bernhardi zusammentrifft. Otto Killensberger verleiht dieser Rolle den angeberischen Erlebnisdrang des modernen Kosmopoliten. Mit Stimmgewalt und körperlicher Dynamik verdeutlicht er seinen Drang zu globaler Aktivität, die dann allerdings mit bürgerlicher Eheplanung in lokaler Begrenzung endet.
Für lautstarke Dominanz in einem karikaturistischen Rahmen sorgt Jörg Simon als pensionierter Major Kloss. Die Gestalt, in der Berliner Urfassung der Komödie als trottelhaftes preußisches Offiziersklischee gezeichnet, bleibt mit seinem Getöse auch vor dem Bild des Wiener Stephansdoms ein Objekt militärischer Dressur. Eine Kontrastfigur erschafft Monika Bandow, wenn sie als absonderliche Schriftstellerin Sophie Malzpichler ständig nach der ultimativen Story sucht und ihre Pegasus-ritte von ihrer kitschigen Phantasie inspirieren lässt. Pensionsbesitzer Schöller (Leonhard Menz) samt Frau Amelie (Dr. Gerry Feller) und Tochter Frieda (Manuela Mayer) kämpfen tapfer gegen den zunehmenden Irrsinn an. Mit imponierender Sicherheit bewältigt Hannes Speinle als Schöllers Bruder Leo die sprachgestörte Herausforderung, jedes „L“in seiner Rede durch ein „N“zu ersetzen. Für effektvolle musikalische Einlagen ist Agatha Scheiberl zuständig. Ihr Vortrag der Hugo-wiener-lieder „Aber der Novak lässt mich nicht verkommen“und „Ich bin eine Dirne“orientieren sich am frechen Songstil der Brecht-zeit, perfekt am Klavier begleitet von Hartmut Winter.
Auch alle anderen Akteure geben ihren Rollen eindrucksvolles Profil. Patricia Laube ist als Lenzmayers Schwester Ulrike eine Festung der Vernunft, ihre Töchter Paula und Ida (Jessi Dürk und Franziska Mader) leiden unter starker Paarungsbereitschaft, Andreas Salzmann bringt als Lenzmayers Neffe Alfred die ganze Geschichte ins Rollen, sein Freund Robert (Johann Edel) gibt den richtigen Tipp für die Umwandlung der Pension in eine psychiatrische Heilanstalt, Jana Dürk ist eine schlagfertige Oberkellnerin.
Der Schlussapplaus war gewaltig. Das lag auch an der Erfüllung des komödiantischen Prinzips, dass am Ende alles gut ist und jeder Unverheiratete die Richtige kriegt. „Pension Schöller“wird als ein Glanzstück in die Geschichte des Stadeltheaters eingehen.