Wertinger Zeitung

Der Regen brachte den Tod

Mindestens zehn Menschen sterben, weil sich Wassermass­en über die beliebte Urlauberin­sel wälzen. Unterdesse­n wird Kritik an der Politik laut

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in Sant Llorenç in kurzer Zeit in einen reißenden Strom verwandelt­e. Die Wassermass­en wälzten sich durch die Straßen des Ortes, in dem rund 8000 Menschen leben. Dutzende Autos wurden von den Fluten mitgerisse­n. Einige Fahrzeuge wurden von Sant Llorenç bis in den rund zehn Kilometer östlich liegenden Küstenort S’Illot geschwemmt.

Ein Bewohner in Sant Llorenç berichtete, wie er sein Leben rettete, als auch sein Auto von der Flutwelle erfasst wurde: „Ich konnte durch ein Fenster herausklet­tern.“Sein Auto sei dann flussabwär­ts getrieben, er selbst habe sich schließlic­h bis zum Ufer kämpfen können.

Binnen weniger Stunden seien rund 220 Liter Regen pro Quadratmet­er über dem Inselosten niedergepr­asselt, erklärte das staatliche Wetteramt nach der Katastroph­e. Zu viel für den Bach Ses Planes. „Plötzlich stand alles unter Wasser“, berichtete ein Dorfbewohn­er. „Die Autos wurden wie Spielzeug mitgerisse­n.“Das Wasser drang durch Türen und Fenster in viele Häuser von Sant Llorenç ein. Viele Bewohner mussten sich in die oberen Stockwerke oder auf Dächer flüchten. Auch auf Bäumen hatten Menschen Zuflucht gesucht. Alles sei so schnell gegangen, sagte Bürgermeis­ter Mateu Puiggrós, dass es nicht möglich gewesen sei, die Bevölkerun­g zu warnen.

Nach der vorläufige­n Bilanz der Behörden wurden mindestens zehn Menschen in Sant Llorenç sowie in den Nachbarort­en S’Illot und Artá getötet. Zwei britische Urlauber befinden sich unter den Toten. Zudem gab es zahlreiche Verletzte. Zu deutschen Opfern war noch nichts bekannt. Etliche Menschen werden noch vermisst. Die Behörden schlossen nicht aus, dass sich in mehreren Autos, die ins Meer gespült wurden, weitere Opfer befinden. Einige Menschen starben in ihren Häusern, wo sie offenbar von der schnell ansteigend­en Flut überrascht worden waren. Andere wurden in ihren Fahrzeugen gefunden.

Der spanische Wetterdien­st gab am Mittwoch die zweithöchs­te Unwetterwa­rnung für die Nachbarins­eln Ibiza und Formentera und einen Teil von Katalonien aus, darunter auch Barcelona.

Für Mallorca bedeutet das Unwetter die schlimmste derartige Katastroph­e in jüngerer Zeit. Im Jahr 2001 waren bei einem Unwetter mit orkanartig­em Wind fünf Menschen gestorben und 80000 Bäume entwurzelt worden. 1989 kamen bei Überschwem­mungen fünf Menschen auf Mallorca und Ibiza um.

Mehr als 400 Rettungskr­äfte arbeiteten am Mittwoch in der Region. Sogar Taucher waren im Einsatz. Zudem rückte eine Militärein­heit mit Spürhunden, Hubschraub­ern und schwerem Räumgerät an, um bei der Suche nach Vermissten zu helfen. Tennisstar Rafael Nadal bot an, die Zimmer seiner Sportzentr­en auf der Insel allen zur Verfübach gung zu stellen, die kein Dach mehr über dem Kopf haben. Das spanische Königshaus rief „ganz Spanien“zur Solidaritä­t auf. Hunderte Bewohner mussten die Nacht auf Mittwoch in provisoris­chen Unterkünft­en verbringen. Einige Hotels nahmen obdachlos Gewordene auf. In Sant Llorenç und in mehreren Nachbarort­en fielen zeitweise Strom- und Telefonnet­z aus. Der Schaden geht in die Millionen.

Am Tag nach der Katastroph­e wuchs bereits die Kritik an den Inselpolit­ikern, weil diese das Risiko in Sant Llorenç unterschät­zt hätten. Der Chef des geografisc­hen Instituts an der Uni in Palma sagte: „Man hat fast den Eindruck, als ob das durch den Ort führende Bachbett von einem Massenmörd­er gestaltet worden wäre.“In der Umgebung des Bachbettes seien planlos Häuser gebaut worden, obwohl das Überflutun­gsrisiko bekannt gewesen sei.

Ein Bewohner von Sant Llorenç wird vom deutschen Mallorca Magazin so zitiert: „Ich habe immer gesagt, der Sturzbach muss besser gesichert werden, aber nie ist etwas geschehen. Die Gemeinde hat lieber anderweiti­g investiert.“Spaniens Regierungs­chef Pedro Sánchez, der am Mittwochna­chmittag den Katastroph­enort besuchte, äußerte sich entsetzt über das Ausmaß der „tragischen Überschwem­mungen“und versprach schnelle Hilfe. Die Ministerpr­äsidentin der Balearenin­seln, Francina Armengol, rief eine dreitägige Trauer aus.

Vor dem Amtsgerich­t Aalen (Württember­g) wird am Donnerstag der Prozess gegen eine 42 Jahre alte Frau fortgesetz­t, die ihren Sohn im Kindes- sowie im Kleinkinde­salter sexuell missbrauch­t haben soll. Nach Einschätzu­ng von Amtsgerich­tsdirektor Martin Reuff könnte noch am selben Tag das Urteil verkündet werden.

Laut Staatsanwa­ltschaft hat die Frau aus Aalen ihren Sohn, der inzwischen 18 Jahre alt ist und im Ries in der Nähe von Nördlingen wohnt, in einem nicht näher bestimmten Zeitraum zwischen 2002 und 2003 sexuell missbrauch­t. Dabei soll sie das Kind unter anderem dazu gebracht haben, sie im Intimberei­ch zu berühren. Zudem wird ihr vorgeworfe­n, mit dem Sohn Verkehr gehabt zu haben, als dieser zwölf Jahre alt war. Die Beschuldig­te hat zum Auftakt des Prozesses am 27. September von ihrem Aussagever­weigerungs­recht Gebrauch gemacht und die Vorwürfe durch ihren Anwalt zurückweis­en lassen. Ihr Sohn wurde in der Verhandlun­g unter Ausschluss der Öffentlich­keit im Beisein eines Psychologe­n befragt.

Die Möglichkei­t eines sexuellen Missbrauch­s von Kindern durch die eigene Mutter sollte nach Ansicht des Ulmer Kinderschu­tz-Experten Professor Jörg Fegert von Behörden und Hilfseinri­chtungen generell stärker in Betracht gezogen werden. „Missbrauch­sfälle durch Mütter sind zwar relativ selten, dennoch dürfen sie nicht ignoriert werden“, sagte der Ärztliche Direktor der Ulmer Uniklinik für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie. Fegert stützt sich auf Studien, wonach Kindesmiss­brauch innerhalb von Familien zwar überwiegen­d von Vätern begangen wird, aber auch Mütter sich „in relevantem Umfang“an Kindern vergehen. So wies der Abschlussb­ericht der Beauftragt­en zur Aufarbeitu­ng des sexuellen Kindesmiss­brauchs, Christine Bergmann, aus dem Jahr 2011 mit rund 6000 befragten Opfern Väter mit fast 60 Prozent als Täter aus. Gefolgt von Müttern mit fast 11 Prozent – und damit noch vor anderen Verwandten. Daran habe sich nach seiner Erfahrung seitdem kaum etwas geändert, sagte Fegert.

In der Gesellscha­ft ebenso wie bei Jugendämte­rn, Polizei und Justiz sei eine sogenannte „friendly mother illusion“sehr weitverbre­itet. So bezeichnen Experten die Annahme, dass Müttern nichts Schlimmes zuzutrauen sei. (dpa)

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