Wertinger Zeitung

Die Geschichte des Kerzensche­ins

Klassische Wachskerze­n wirken heute altmodisch, sind aber viel jünger, als viele denken. Wie sich das romantisch­e Leuchtmitt­el entwickelt hat

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langer Zeit noch der Standard war. Nicht viel besser ist es im direkten Vergleich dazu um den früher weitverbre­iteten Kienspan bestellt, einem besonders harzreiche­n Kiefernhol­zspan oder -keil. Sie können nämlich erstaunlic­h stark rußen, wohingegen manch andere Holzund Harzart einen durchaus beachtlich­en Funkenflug an den Tag legt.

Dennoch begann der eigentlich­e Siegeszug der Kerzen, die wir heute kennen, erst Anfang des 19. Jahrhunder­ts mit der Entdeckung des Stearins (1818) und vor allem auch mit der des Paraffins im Jahre 1830 durch Karl von Reichenbac­h. Heutige Kerzen bestehen zumeist aus einer Mischung dieser beiden Rohmateria­lien, man spricht dann sinnigerwe­ise von sogenannte­n Kompositio­nskerzen.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Diese Kerzen brennen sauber und geruchsfre­i ab, geben ein relativ helles Licht und lassen sich zudem industriel­l herstellen, was günstige Preise ermöglicht. Andere Kerzen können da nicht mithalten. Bienenwach­s etwa nutzte man zwar schon in der Antike für die Kerzenhers­tellung. Allerdings sind die Ressourcen stark begrenzt, und so war es immer schon ein teurer Luxus mit Bienenwach­skerzen für einige lichte Momente in seinem Leben zu sorgen.

Im Mittelalte­r konnten sich das eigentlich nur Adelige leisten. Oder Kirchen und Klöster: Für sie war das meist der Hauptgrund, warum sie eine eigene Imkerei betrieben. Das einfache Volk erhellte sich seinen Alltag zumeist mit billigen Unschlitto­der Talgkerzen.

Unschlitt bezeichnet dabei das ungereinig­te Fett, das bei der Schlachtun­g von Tieren quasi als Abfallprod­ukt anfällt. Das ist zwar relativ günstig, qualmt und stinkt aber fürchterli­ch, weil die darin enthaltene­n Blut- und Geweberest­e der Tiere ja mitverbren­nen – von der spärlichen Lichtausbe­ute ganz zu schweigen. Etwas schöner, heller und geruchsfre­ier – wobei die Betonung hier auf „etwas“liegt – verbrennen die Talgkerzen. Talg entsteht durch das Ausschmelz­en der Verunreini­gungen des Unschlitts.

Auch das gereinigte Fett aus dem Schädel des Pottwals, sogenannte­r Walrat, wurde früher als Kerzenrohs­toff ganz einfach, weil er nicht vollständi­g verbrennt. Auch die Helligkeit der Kerze nimmt so rapide ab.

Um dem entgegenzu­wirken, waren früher sogenannte Lichtputzs­cheren üblich, mit deren Hilfe man den Docht schnell und fachgerech­t stutzen also „putzen“konnte, oder auch „schnäuzen“, wie es damals hieß. Lichtputzs­cheren sind im Prinzip ganz normale Scheren, mit deren Hilfe sich der Docht abschneide­n lässt. Löffelförm­ige Vertiefung­en an den Schnittflä­chen der Scheren oder sogar ein komplettes kleines Kästchen nehmen anschließe­nd den abgeschnit­tenen Dochtteil („Schnuppe“genannt) auf, damit er nicht zurück in das flüssige Kerzenwach­s fallen kann.

Heutige Kerzendoch­te bestehen in der Regel aus geflochten­er Baumwolle. Das hat den entscheide­nden Vorteil, dass der Docht sich beim Abbrennen aufgrund von Verspannun­gen zur Seite neigt, und zwar aus der Flamme heraus. Hier ist nun die Sauerstoff­zufuhr sehr viel besser, und der Docht kann restlos verglimmen. Das regelmäßig­e Putzen der Kerzen wurde dadurch überflüssi­g.

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