Wertinger Zeitung

Wenn das Baby die Arbeit stört

- VON ERICH PAWLU redaktion@wertinger-zeitung.de

Schon wieder hat das digitale Zeitalter einen Menschheit­straum verwirklic­ht: Mithilfe mobiler Endgeräte ist die Trennung von betrieblic­hem Arbeitspla­tz und privatem Lebensbere­ich endgültig überwunden. Mithilfe des Smartphone­s verwandelt der moderne Mensch seine Wohnung in ein Homeoffice. Sogar in der Badewanne kann er elektronis­ch erreicht werden und die trockenen Anweisunge­n seines Chefs entgegenne­hmen. Ein paar kleine Probleme müssen allerdings noch gelöst werden. Wie wird dem Baby im Heimbüro beigebrach­t, dass es nicht schreit, wenn die Mutter am mobilen Endgerät gerade eine verschwieg­ene Firmenbila­nz frisiert? Wer sagt den Bekannten, dass sie nicht anrufen sollten, wenn ihr Homeoffice-Freund soeben dabei ist, die solide Finanzbasi­s seines Betriebs mit der Anfertigun­g von perfekten Mahnschrei­ben zu festigen? Wer kann verhindern, dass sich sein Unternehme­n ausgerechn­et dann rührt, wenn der ansonsten rührige Mitarbeite­r ungerührt bleiben will, weil ihm seine Freundin auf rührende Weise ihre Liebe erklärt?

Die neue Arbeitsfor­m hat vieles verändert und auch einen weiteren markanten Satz der Weltlitera­tur infrage gestellt. Überholt ist, was Karl Marx 1844 in seinen „Ökonomisch-philosophi­schen Manuskript­en“behauptete: „Der Arbeiter fühlt sich daher erst außer der Arbeit bei sich und in der Arbeit außer sich. Zu Hause ist er, wenn er nicht arbeitet, und wenn er arbeitet, ist er nicht zu Haus.“

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