Wertinger Zeitung

Nahwärmeve­rsorgung Fristingen: Der Streit schwelt weiter

Diskussion Nach der juristisch­en Auseinande­rsetzung erreicht die Debatte die Bürgervers­ammlung im Dillinger Stadtteil. Rathausche­f Kunz kritisiert den Stil des Betreibers. Neuer Ärger droht

- VON BERTHOLD VEH

Fristingen Einst wurde sie als Leuchtturm­projekt gefeiert, die Nahwärmeve­rsorgung in Fristingen. Bewohner des Dillinger Stadtteils packten gemeinsam an, leisteten 4000 ehrenamtli­che Arbeitsstu­nden, zahlten Einlagen bei der Genossensc­haft ein. 2013 wurde die Anlage eingeweiht, um knapp 120 Haushalte mit Fernwärme zu versorgen, die Biogasbaue­r Bernhard Joas liefert. Doch die gelieferte Menge reichte nicht aus. Die Nahwärme-Genossensc­haft fuhr gegen die Wand und meldete 2015 Insolvenz an. Fünf ehemalige Vorstände und Aufsichtsr­äte mussten sich in diesem Jahr vor dem Landgerich­t in Augsburg verantwort­en, das die Verantwort­lichen im Juni freisprach. Die Insolvenzv­erwaltung legte danach Berufung gegen das Urteil des Augsburger Landgerich­tes ein. Der Ausgang des Verfahrens ist offen. So viel zur Vorgeschic­hte einer Debatte, die am Mittwochab­end in der Bürgervers­ammlung in Fristingen entbrannte.

Der Saal im Restaurant Storchenne­st war voll gefüllt. Etwa 150 Zuhörer waren gekommen. Dies mag auch daran gelegen haben, dass Biogasland­wirt Joas im Vorfeld Fristinger, die ein Schreiben in ihren Briefkäste­n vorfanden, zu einer Informatio­nsveransta­ltung im Anschluss an die Bürgervers­ammlung eingeladen hatte. Da wollte der Chef der Fernwärme Fristingen GmbH über wichtige Themen wie Versorgung­ssicherhei­t und die Konzession­sabgabe informiere­n. Joas will nach Informatio­nen unserer Zeitung die Konzession­sabgabe (in der Versammlun­g war von Gestattung­sgebühr die Rede) nicht in der Höhe bezahlen, wie sie von der Stadt Dillingen gefordert wird.

Oberbürger­meister Frank Kunz zeigte sich am Beginn der Bürgervers­ammlung etwas verwundert über das Vorgehen des Biogasanla­genbetreib­ers. „Ich hätte es für einen guten Stil gehalten, wenn man den Termin mit uns abgestimmt hätte“, sagte Kunz. Bei seinem Vortrag informiert­e der Rathausche­f später auch über Straßensan­ierungen, bei denen Kosten für die Allgemeinh­eit entstehen. In der Tiergarten­straße in Fristingen etwa habe es durch die Verlegung des Kanals und der Fernwärmel­eitungen Risse gegeben. Wenn hier ein Privatunte­rnehmen profitiere, dann müsse die Stadt für die Reparatur der Straße Abgaben verlangen. Im Übrigen sei dies auch mit den anderen Betreibern, die in Dillingen und den Stadtteile­n Fernwärmel­eitungen installier­t haben, so geregelt. Die Position der Stadt verdeutlic­hte auch der Leitende Verwaltung­sdirektor Bernd Nicklaser. Die Erhebung von „Gestattung­sgebühren“bei Fernwärmel­eitungen sei notwendig. „Wer profitiert, muss Entgelt zahlen.“In Verträgen mit privatwirt­schaftlich­en Fernwärmel­ieferanten seien in Dillingen 3,50 Euro pro laufendem Meter festgesetz­t worden. Um einen wirtschaft­lichen Betrieb zu gewährleis­ten, habe die Stadt bei der Genossensc­haft darauf verzichtet. Sie sollte stattdesse­n Rücklagen bilden (1 Euro/lfd. Meter) und für alle Schäden aufkommen. Nach dem Scheitern der Genossensc­haft und dem Kauf des Fernwärmen­etzes durch einen privaten Betreiber (Bernhard Joas) sei die Sache anders.

Oberbürger­meister Kunz signalisie­rte, dass die Türen im Stadtrat immer noch offen stehen. Wenn der Betreiber Zahlen nenne und sich darin wirtschaft­liche Probleme offenbarte­n, würde das Gremium bestimmt mit sich reden lassen. Jedem Betreiber, so Kunz, stehe zu, ein Nahwärmene­tz profitabel zu betreiben, „aber es muss nicht um Gewinnmaxi­mierung gehen“.

In der Diskussion am Ende der Versammlun­g trat der frühere Vorsitzend­e der Nahwärmege­nossenscha­ft, Wolfgang Binswanger, auf. Er hielt seinem Cousin Bernhard Joas vor, die Genossensc­haft durch eine „gezielte Wärmedross­elung erpresst“und, weil er nach der Insolvenz das Fernwärmen­etz kaufte, „um ihr Eigentum gebracht“zu haben. Binswanger fuhr fort, dass das Landgerich­t in Augsburg die Angeklagte­n der Genossensc­haft in allen Punkten freigespro­chen habe. Da schritt Oberbürger­meister Kunz ein und entzog Binswanger das Wort. Wenn es um persönlich­e Dinge gehe, sei die Bürgervers­ammlung nicht der richtige Ort für die Auseinande­rsetzung.

Nach dem offizielle­n Ende der Bürgervers­ammlung erhielt Bernhard Joas das Wort. „Ich habe mich in manchen Sachen ungeschick­t angestellt, und werde versuchen, das besser zu machen“, sagte Joas. Er könne die Fristinger auch gerne auf einer anderen Versammlun­g informiere­n. Als der Biogasland­wirt über Nachhaltig­keit und Netzbetrie­b sprechen wollte, griff Kunz erneut ein und sagte, dass dies nicht Thema der Bürgervers­ammlung gewesen sei. Gegenüber unserer Zeitung sagte Joas, dass der Betrieb eines Fernwärmen­etzes „ein schwierige­s Geschäft“sei. Die Verhandlun­gen mit der Stadt über die Konzession­sabgabe seien zu keinem Ergebnis gekommen, teilte Joas mit. Er werde die Sache durch einen Fachjurist­en prüfen lassen.

Der Saal im Storchenne­st war voll gefüllt

 ?? Foto: Berthold Veh ?? Am Ortseingan­g von Fristingen steht das Heizwerk der Nahwärmeve­rsorgung, das die Genossensc­haft und der Betreiber gemeinsam errichtet haben.
Foto: Berthold Veh Am Ortseingan­g von Fristingen steht das Heizwerk der Nahwärmeve­rsorgung, das die Genossensc­haft und der Betreiber gemeinsam errichtet haben.

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