Wertinger Zeitung

Waldwerk Kuno dauerhaft im Museum zu sehen

Geschichte Die Ergebnisse der spannenden Spurensuch­e haben einen festen Platz in Zusmarshau­sen bekommen. Wann erstmals geöffnet ist

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Zusmarshau­sen Die aufgearbei­tete Geschichte des geheimen Waldwerks Kuno im Scheppache­r Forst bekommt einen festen Platz im Museum Zusmarshau­sen: Museumslei­ter Andreas Decke und Hans-Peter Englbrecht haben die Sonderauss­tellung aus dem Jahr 2016 wieder aufgebaut und ergänzt. Am Sonntag, 4. November, wird die neue Schau im ersten Stock des Gisebertha­uses erstmals zu sehen sein.

Unter anderem werden neue Fundstücke präsentier­t: Beispielsw­eise ein Tisch, der in der Kantine des Waldwerks gestanden hat. Nach dem Krieg nutzte ihn eine Familie als Esstisch. Kurios: Die Tischbeine wurden gekürzt und die Abschnitte in einer Schublade im Tisch verwahrt. Dort lagen sie 73 Jahre danach immer noch. Hans-Peter Englbrecht, der sich seit vielen Jahren mit der Geschichte der früheren Rüstungsan­lage befasst, hat außerdem neue Fotos ausgegrabe­n: Eines zeigt eine Reihe von Düsenflugz­eugen, die die Amerikaner nach dem Krieg in die USA verschifft­en. Dort sollte die revolution­äre Technik der Deutschen auseinande­rgenommen und analysiert werden – um für die eigene Rüstungsin­dustrie Schlüsse zu ziehen. Im Waldwerk Kuno staunten die Soldaten jedenfalls, als sie im April 1945 plötzlich vor einer Reihe von Me-262-Maschinen standen. Die Geschichte der Rüstungsan­lage und die Entstehung der vermeintli­chen Wunderwaff­e wird in der Ausstellun­g genauso erklärt wie die Verhältnis­se in den Holzbarack­en unter Tarnnetzen im Wald und im KZ Burgau, einer Außenstell­e des KZ Dachau. Daneben schildern die Ausstellun­gsmacher das Schicksal vieler Zwangsarbe­iter und jüdischer Häftlinge, die für die Rüstung ausgebeute­t wurden. Im Mittelpunk­t der Ausstellun­g steht nicht das technologi­sche Wunderwerk der damaligen Zeit. Das Hauptaugen­merk liegt vielmehr auf dem Leid der Zwangsarbe­iter und dem verbrecher­ischen NS-Regime, dem sie ausgeliefe­rt waren. Ein Thema sind deshalb auch die beiden Zugtranspo­rte aus den KZ Ravensbrüc­k und Bergen-Belsen: In Viehwaggon­s wurden fast 1000 Jüdinnen in der Eiseskälte fast zwei Wochen lang nach Schwaben transporti­ert. Viele überlebten das „Gefängnis auf Schienen“nicht. Die ungarische Jü- din Eva Danós kauerte in dem Zug und hielt unmittelba­r nach dem Krieg ihre Erinnerung­en in einer Art Tagebuch über die grausame Zugfahrt fest. Über ihre Ankunft in Burgau schrieb sie: „Meine Beine, mein Kopf, mein ganzer Leib sind mit eiternden Schwären übersät. Ich bin unfähig zu gehen. Am folgenden Tag krieche ich auf allen Vieren zum Revier, dem Lagerlazar­ett, wo ich endlich verbunden werde. Ich bin halbtot – aber auch halblebend.“

In einem Karteikast­en können Besucher der Ausstellun­g die Namen der Menschen finden, die im Waldwerk und im KZ Burgau waren. Notiert sind auf kleinen Karten auch die Häftlingsn­ummer, das Alter und der letzte bekannte Wohnort. Mit den Schicksale­n spannen die Ausstellun­gsmacher einen Bogen zum Unrecht vor der eigenen Haustüre, das in dieser Tiefe mit allen Hintergrün­de bislang nicht bekannt war.

Zu sehen war die Ausstellun­g erstmals im Herbst 2016 – damals noch als Sonderauss­tellung. Tausende Besucher kamen sonntags ins Gisebert-Haus. Nach dem Jahreswech­sel war die Schau auch im Schloss in Burgau zu sehen.

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