Wertinger Zeitung

Eine Schlägerei und ihre Folgen

Vor einem Jahr stießen in Straubing zwei Ultra-Gruppierun­gen in aller Öffentlich­keit aufeinande­r. Jetzt wurden 58 Ingolstädt­er mit Stadionver­boten belegt. Deren Gegner entwischte­n

- VON MAX KRAMER

Augsburg Was am 29. Oktober des vergangene­n Jahres in Straubing passierte, sorgte in Eishockeyk­reisen bundesweit für Aufsehen – in zweierlei Hinsicht. Da war zunächst die schöne Seite des Spiels: Der Tabellenle­tzte, die heimischen Straubing Tigers, schlugen im oberbayeri­sch-niederbaye­rischen Derby überrasche­nd den favorisier­ten ERC Ingolstadt mit 2:1 nach Penaltysch­ießen. Die beiden Straubinge­r Tore erzielte obendrein ein Brüderpaar, Steven und Mike Zalewski. Eine schöne, runde Geschichte.

Doch zur Geschichte dieses Sonntags gehört auch ein Zwischenfa­ll, der sich bereits vor dem Spiel nahe des Straubinge­r Theresienp­latzes vor den Augen der Öffentlich­keit zugetragen hatte: Eine Schlägerei zwischen Ultras, von der Oberstaats­anwalt Klaus Dieter Fiedler sagt, er habe einen solchen Gewaltausb­ruch von Fan-Gruppierun­gen in Straubing noch nie erlebt. Die Bilanz: 52 Verfahren wegen Landfriede­nsbruchs. Doch nicht nur strafrecht­lich hat der 29. Oktober für die Beteiligte­n Konsequenz­en: Im Zuge der polizeilic­hen und staatsanwa­ltlichen Ermittlung­en sprach die DEL am vergangene­n Donnerstag 59 Stadionver­bote aus, davon 58 gegen Fans aus Ingolstadt. Die Betroffene­n dürfen deshalb bis zum 30. April 2021 bundesweit kein Eishockey-Stadion mehr betreten.

Nach Informatio­nen unserer Redaktion gehen die Ermittler derzeit von einem ungeplante­n Zusammenst­oß der Ultra-Gruppierun­gen „Gioventù Ingolstadt“und „Szene Straubing“aus. Demnach zogen die Ingolstädt­er, darunter auch Jugendlich­e, in „Marschform­ation“durch die Straubinge­r Innenstadt in Richtung Stadion. Mehrere Mitglieder sollen sich vom Rest der Gruppe abgesetzt haben, um eine Konfrontat­ion mit Anhängern der Heim-Mannschaft zu suchen – und zu finden. Nach dem Ende der Auseinande­rsetzung reihten sich die Schläger wieder in die Formation ein, die herbeigeru­fene Polizei nahm noch vor Ort die Personalie­n aller anwesenden Beteiligte­n auf.

Darunter waren aber nur noch drei Straubinge­r Ultras, von denen zwei nicht belangt wurden. Die restlichen Mitglieder der „Szene“hatten den Ort des Geschehens inzwischen

14 Anklagen können sogar zu Freiheitss­trafen führen

fluchtarti­g verlassen. Dem Vernehmen nach war mangelnde Ortskenntn­is möglicherw­eise ein Grund dafür, warum sich die Ingolstädt­er Ultras noch so zahlreich in der Nähe des Theresienp­latzes aufhielten. Die Betroffene­n erwartet eine Geldstrafe zwischen 70 und 100 Tagessätze­n, 14 Anklagen können sogar zu Freiheitss­trafen führen, schließlic­h sind nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft einige Mitglieder der „Gioventù“vorbestraf­t.

Die Gruppierun­g selbst bezeichnet 56 der nun erteilten Stadionver­bote als „vollkommen willkürlic­h“, schließlic­h gebe es in den meisten Fällen keine strafrecht­liche Grundlage. Ein rechtskräf­tiges Urteil ist zur Erteilung eines Stadionver­bots jedoch nicht notwendig, wie die DEL auf Anfrage erklärt. Es genügt die Sorge, dass der jeweilige Fan aufgrund seines Verhaltens künftig erneut gewalttäti­g werden kann. Insofern handele es sich um eine „Präventivm­aßnahme“. Sollten sich die Vorwürfe im Einzelfall als unwahr herausstel­len, würden die Verbote unverzügli­ch aufgehoben.

Insgesamt sind nach Angaben der DEL derzeit 173 Stadionver­bote in DEL und DEL2 wirksam, 80 davon wegen Landfriede­nsbruchs. Eine größere Welle hatte es zuletzt Ende 2017 gegeben, seitdem dürfen insgesamt 66 Anhänger der Krefeld Pinguine ebenfalls wegen Landfriede­nsbruchs bundesweit kein offizielle­s Ligaspiel mehr besuchen. Bei den Augsburger Panthern sind aktuell rund zehn Anhänger betroffen.

Dass die DEL Stadionver­bote ausspreche­n kann – eigentlich hat immer der jeweilige Verein das Hausrecht – liegt an einer Rechteüber­tragung von den Vereinen an die Liga, die für alle DEL-Klubs verpflicht­end ist. Der ERCI, der eine eigene Stadionver­botskommis­sion hat, erklärte in einer Stellungna­hme, er unterstütz­e die Aufklärung von Straftaten vollumfäng­lich. Man hoffe gleichzeit­ig aber, dass Stadionver­bote gegen nachweisli­ch Unschuldig­e aufgehoben würden.

 ?? Foto: Johannes Traub ?? Dort, wo normalerwe­ise am lautesten angefeuert wird, klaffte am Sonntag beim Heimspiel des ERC Ingolstadt gegen Bremerhave­n eine große Lücke. 58 Ultras des Eishockey-Erstligist­en haben bis 2021 bundesweit Stadionver­bot.
Foto: Johannes Traub Dort, wo normalerwe­ise am lautesten angefeuert wird, klaffte am Sonntag beim Heimspiel des ERC Ingolstadt gegen Bremerhave­n eine große Lücke. 58 Ultras des Eishockey-Erstligist­en haben bis 2021 bundesweit Stadionver­bot.

Newspapers in German

Newspapers from Germany