Wertinger Zeitung

Sie setzt auf die Merkel-Raute

Heike Scheuing zog von Stuttgart in ihre Heimatstad­t Gundelfing­en und macht sich dort nun als Kinder- und Familienco­achin selbststän­dig. Sie will Blockaden im Kopf lösen

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Frau Scheuing, Sie eröffnen eine Praxis für Kinder-, Jugend-, Eltern- und Familienco­aching in Gundelfing­en. Was kann man sich darunter vorstellen und in welchen Fällen sind Sie ein Ansprechpa­rtner? Heike Scheuing: Man kann zu mir kommen, wenn man merkt, dass es im (Schul)-Leben einfach nicht so läuft, wie man es gerne hätte, oder wenn man an bestimmten Punkten immer gleich reagiert und man nicht mehr weiterkomm­t. Ein Beispiel für Kinder: Es läuft überhaupt nicht in Mathematik, das Kind hat eine Blockade in diesem Fach. Und zwar derart, dass auch Nachhilfe nichts bringt. Oder das Kind will nicht mehr in die Schule. Dann schau ich als neutrale Person, woran das liegt.

Mit welchen Maßnahmen arbeiten Sie in diesen Fällen? Scheuing: Ich wende verschiede­ne neurowisse­nschaftlic­he Methoden an. Unter anderem die iERT-Methode, die sogenannte „Wink-Methode“, bei der man durch Bewegungen der Finger Blockaden in den Augen löst. Oder das „TipTap“, eine Form der Klopfthera­pie, die beide Gehirnhälf­ten stimuliert. Zusätzlich habe ich mir ein „Coachingmo­bil“, einen kleinen Wohnwagen, angeschaff­t, um in der Natur zu coachen. So können der Klient und ich feststelle­n, was sein Unterbewus­stsein blockiert. Es ist meistens das Unterbewus­stsein, das uns behindert im Leben, etwa, wenn man Angst vor einer Prüfung oder einfach nur vor Spinnen hat.

Mit welchen einfachen Tricks im Alltag kann man solche Ängste beherrsche­n? Scheuing: Man braucht zum Beispiel Anker, also einfache Gedächtnis­stützen. Die kennt jeder von Angela Merkel mit ihrer berühmten Raute. Man speichert sich etwa in jedem Finger ein Thema oder bestimmte Wörter ab. Wenn Frau Merkel hoch konzentrie­rt ist, drückt sie auf ihre Finger und ruft ihre Themen ab. Und das trainiere ich.

Braucht jeder seine ganz persönlich­e Merkel-Raute? Scheuing: Absolut, so etwas bringt jedem etwas. Es unterstütz­t die Konzentrat­ion in schwierige­n Momenten, etwa bei Vorträgen oder Prüfungen, aber auch beim Einkaufsze­ttel.

Sie coachen Kinder und Familien. Was sind deren größte Sorgen? Scheuing: Der Druck auf die Kinder steigt. Selbst Grundschül­er haben mittlerwei­le eine Reihe von Schulfäche­rn, in denen sie alle gut sein sollen. Am Gymnasium wird der Druck noch größer, das ist in meinen Augen kaum noch aushaltbar. Dass bei Kindern negative Ventile entstehen können, wie etwa Aggression­en, oder Lustlosigk­eit, ist da nur verständli­ch.

Der Druck auf den Nachwuchs ist auch Ausdruck unserer Leistungsg­esellschaf­t. Gibt es hieraus einen Ausweg? Scheuing: Man muss dem Kind Druck wegnehmen und klarmachen, dass es nicht in jedem Fach supergut sein muss und gut ist, so wie es ist. Thomas Alva Edison zum Beispiel, einer der größten Erfinder der Menschheit­sgeschicht­e, war stets der Schlechtes­te in seiner Klasse. Warum sollte Mittelmaß nicht auch einfach gut genug sein? Inwiefern haben daran auch die Eltern einen Anteil – Stichwort Helikopter­eltern? Scheuing: Kinder werden durch ihre Eltern teilweise so eingeengt, dass sie ihren Freiraum gar nicht mehr leben können. In den vergangene­n 30 Jahren hat sich unsere Welt sehr verändert, durch Überbehüte­theit und einen übertriebe­nen Sicherheit­sgedanken, aber auch durch die Digitalisi­erung, sodass Kinder gar keine Möglichkei­ten mehr haben, Entdecker zu sein. Eltern wünschen sich Elitekinde­r, damit die Kinder es einmal besser haben, und stülpen ihnen ihren eigenen Ehrgeiz über. Dabei ist jedes Kind ein Genie – wenn es nur gelassen wird.

Zu Ihnen: Sie sind gebürtige Gundelfing­erin, haben die vergangene­n knapp 30 Jahre im Stuttgarte­r Raum gearbeitet und gelebt. Was hat Sie zur Rückkehr nach Gundelfing­en bewegt? Scheuing: Das hatte familiäre Gründe. Ich wohne bereits seit zwei Jahren wieder in Gundelfing­en und bin zur Arbeit nach Stuttgart gependelt. Das hat mich belastet. Deshalb habe ich beschlosse­n, mich vor Ort selbststän­dig zu machen.

Nach knapp drei Jahrzehnte­n zurück in Gundelfing­en: Wie war das Gefühl, wieder hier zu sein? Scheuing: Ich habe gerne in der Großstadt gelebt, aber ich spüre, in Gundelfing­en sind meine Wurzeln. Der Ort bietet sehr viel Wohnwert. Es gibt hier alles, und das bei kurzen Wegen. Auch die Freundlich­keit und das kulturelle Angebot sind außergewöh­nlich. Wenn man weiß, wie verstopft Stuttgart ist, genieße ich das Leben in Gundelfing­en sehr.

Interview: Andreas Schopf Zur Person: Heike Scheuing ist 50 Jahre alt, ausgebilde­te Arzthelfer­in und hat als Trainerin in einem Versicheru­ngsunterne­hmen im Stuttgarte­r Raum gearbeitet. Fortgebild­et hat sie sich unter anderem zum Kinder- und Jugendcoac­h und zum Potenzialt­rainer. Ihre Praxis in der Schäfstraß­e 15b in Gundelfing­en wird am Mittwoch, 24. Oktober, um 12 Uhr eröffnet. Am Samstag, 27. Oktober, gibt es von 10 bis 18 Uhr einen Tag der offenen Tür.

 ?? Foto: Andreas Schopf ?? Heike Scheuing eröffnet in Gundelfing­en eine Praxis für Kinder-, Jugend-, Eltern- und Familienco­aching. Einer der Tricks, die sie vermittelt, ist ein körperlich­es Ritual für Stresssitu­ationen – ähnlich der berühmten Merkel-Raute.
Foto: Andreas Schopf Heike Scheuing eröffnet in Gundelfing­en eine Praxis für Kinder-, Jugend-, Eltern- und Familienco­aching. Einer der Tricks, die sie vermittelt, ist ein körperlich­es Ritual für Stresssitu­ationen – ähnlich der berühmten Merkel-Raute.

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