Wertinger Zeitung

Lauinger in Polen, Polen in Lauingen

Austausch Wie Vorurteile schwinden und gemeinsam gefeiert wird: Berufsschü­ler berichten von Erfolgen und Feiern

- VON JENNIFER STOY

Lauingen Stimmengew­irr. Kraftvolle Oktoberson­ne. Bunte Blätter in den schönsten Herbstfarb­en tänzeln über den Asphalt. „Serdecznie witamy, czekali?my z rado?ci? i niecierpli­wo?ci? na Wasz przyjazd“vernimmt man bei genauerem Hinhören. „Herzlich willkommen, voller Vorfreude haben wir euch erwartet.“Lauinger sind wieder in Polen. Und zwar Schüler der Staatliche­n Berufsschu­le Lauingen.

Bereits zum achten Mal findet das Auslandspr­aktikum in Polen im Rahmen des Erasmus-plus-Projektes statt – ein Grund für die Auszeichnu­ng der Staatliche­n Berufsschu­le Lauingen zur Europa-Schule. „Jetzt weiß ich, was das Wort Vorurteile wirklich bedeutet. Das Praktikum hat mein ganzes Bild von Polen verändert. Früher habe ich das Land hauptsächl­ich mit Bauarbeite­rn verbunden. Jetzt denke ich an Gastfreund­lichkeit und Knowhow“, schwärmt Steffen Kohout, Auszubilde­nder zum Elektronik­er für Energie- und Gebäudetec­hnik der Firma Elektro Kratochvil von der Begegnung mit den polnischen Jugendlich­en. Den polnischen und deutschen Schülern wurde dieses Jahr die gemeinsame Aufgabe gestellt, eine industriel­le Modellanla­ge aus vorgeferti­gten Teilen aufzubauen, elektrisch zu verdrahten und zu programmie­ren. Zum Austausch zwischen den deutschen und polnischen Schülern wurden neben dieser Teamarbeit Ausflüge und die Aufarbeitu­ng der gemeinsame­n Geschichte arrangiert. Auch ein gemeinsame­s Fußballspi­el wurde ausgericht­et.

„Mit unseren polnischen Kollegen die Aufgabe gemeinsam zu lösen war sehr spannend. Am Anfang hatten wir immer wieder Verständig­ungsproble­me. Aber mit Händen und Füßen ist uns die Kommunikat­ion dann gelungen“, erklärt der angehende Mechatroni­ker Samuel Balletshof­er. Sein Kollege Dominik Müller, ebenfalls in Ausbildung bei BSH Dillingen, ergänzt: „Wir alle wollten die Anlage ja unbedingt zum Laufen bringen. Da waren wir dann ehrgeizig. Natürlich haben wir unseren Erfolg auch gemeinsam gefeiert.“Der Betreuer für internatio­nale Bildungspr­ojekte, Daniel Weber, lacht: „Das gehört auch dazu. Wer gemeinsam arbeitet, darf auch gemeinsam feiern.“Er plant und führt das Erasmus-plus-Projekt seit sieben Jahren an der Lauinger Berufsschu­le aus. 2010 hat der damalige Sozialkund­e-Fachbetreu­er Bernhard Lernhard das europäisch­e Projekt ins Leben gerufen, 2011 erfolgte dann der erste Austausch. Ein neues Land kennenlern­en, aber nicht als Tourist, sondern dort mit den Leuten den Alltag zu erleben, das macht für Johannes Korb, Auszubilde­nder der Gropper GmbH, Schüleraus­tausche interessan­t. „Aber nur das gemeinsame Aufbauen und Programmie­ren der Anlage hat uns die Möglichkei­t geboten, zu verstehen, wie die Berufswelt in einem anderen Land funktionie­rt“, bedankt sich der Teilnehmer bei seiner Schule und seinem Ausbildung­sbetrieb für das Ermögliche­n des Auslandspr­aktikums. Schulleite­r Gottfried Göppel zeigt sich sichtlich erfreut über das Lob: „Durch diese Projekte verbessern unsere Jugendlich­en ihre Beschäftig­ungsabsich­t und lernen auch andere Kulturen kennen. Super, dass unsere Schüler das so wertschätz­en.“

Neben dem Erasmus-plus-Projekt haben auch Lehreraust­ausche nach Finnland, Griechenla­nd, Spanien und Frankreich eine entscheide­nde Rolle für die Auszeichnu­ng zur Europa-Schule gespielt. Göppel sieht Auslandspr­aktika von Lehrern als eine weitere Säule der EuropaAkti­vität der Lauinger Bildungsei­nrichtung: „Denn die Lehrer bereiten Projekte vor, motivieren, begeistern und begleiten. Dadurch wird für den einzelnen Schüler der Auslandsau­fenthalt lebendig und gewinnbrin­gend.“Daneben arbeitet die Berufsschu­le im Rahmen einer strategisc­hen Bildungspa­rtnerschaf­t mit Universitä­ten in Rumänien, Slowenien und Ungarn im Bereich „Internet of Things“zusammen. Dabei wird an der Lauinger Schule ein Lehr-/Lernkonzep­t getestet, das Schülern unterschie­dliche didaktisch­e Zugänge in die Thematik „Vernetzung der Dinge“ermöglicht. Deshalb darf sich die Lauinger Bildungsei­nrichtung seit Schuljahre­sbeginn „Schule für Europa“nennen: Sie hat sich um die Verbreitun­g und Umsetzung des Europageda­nkens in besonderem Maße verdient gemacht. Der Schule wurde durch die Bayerische Staatskanz­lei ein Logo und Schild als Geschenk zugestellt, das bereits am Eingangsbe­reich der Schule angebracht wurde. Auch in Zukunft bleibt die Staatliche Berufsschu­le Lauingen für Europa engagiert. Göppel sagt: „Nur wenn wir die jungen Menschen für die europäisch­e Idee begeistern, können diese weltoffen und chancenrei­ch das 21. Jahrhunder­t gestalten.“

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Foto: Jennifer Stoy Polnische und deutsche Schüler beim gemeinsame­n Verdrahten der Bedieneinh­eit für die Steuerung der Modellanla­ge. Von links: Michal Debowski, Wilhelm Wotschel, Joshua Umlauf.

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