Wertinger Zeitung

„Radio Wertingen“erklingt am Marktsonnt­ag

Sendung Der Bocksberge­r Bernd Schmid stellt in seinem Tonstudio eine dreistündi­ge Sendung zusammen. Alle im Wertinger Stadtgebie­t können sie empfangen. Was neben den Hits der 20er bis 60er Jahre noch zu hören sein wird

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Wertingen/Bocksberg „Hier ist der Ortssender Wertingen auf Mittelwell­e 801 Kilohertz.“So oder ganz ähnlich wird Bernd Schmid seine dreistündi­ge Radiosendu­ng am Sonntag, 28. Oktober, starten. Erstmals werden die Einwohner von ganz Wertingen – zumindest im Stadtgebie­t – zuhause auf dem Sofa oder am Küchentisc­h den Wertinger Sender empfangen und sich zurückerin­nern können. Erinnern an Zeiten, als die Musikkläng­e aus dem Radio noch durch ein dezentes Rauschen begleitet wurden, als Swing, Charleston und Jazz, Schlager, Rock’n’Roll und wilde Hits „in“waren. Es ist die Musik der 20er bis späten 60er Jahre. „Der Zeit, als das Radio im Kommen war“, erklärt Bernd Schmid. Als die Menschen noch nach der Musik aus dem Radio getanzt haben. – Genau aus dieser Zeit stehen rund 50 Radios im Wertinger Radiomuseu­m. „Sie stehen dort in aller Stille.“Das hat Bernd Schmid erst zum Nachdenken und anschließe­nd in Schwung gebracht. In seinem Hinterkopf entwickelt­e sich eine Idee...

Der Fernmeldeh­auptsekret­är der Telekom verbringt seine Arbeitszei­t vorwiegend am Computer. „Weil’s nicht mehr anders geht“, blickt er realistisc­h auf die technische­n Entwicklun­gen der vergangene­n Jahre und Jahrzehnte. „Dabei ist die alte

„Aus den Radios der 50er Jahre kommt genau die Musik wie damals raus. Das ist die perfekte Illusion.“Bernd Schmid vom Wertinger Radiomuseu­m

Technik mein Steckenpfe­rd“, gesteht der Bocksberge­r und zeigt strahlend auf sein Sammelsuri­um an Plattenspi­elern, Schallplat­ten und – mittendrin – ein traditione­lles analoges Mischpult. „So wie die Kinder heute mit Handys heranwachs­en, so wurden wir mit Platten groß“, wirft der 48-Jährige einen sentimenta­len Blick auf seine Kindheit und Jugend. Im Alter von zehn Jahren hatte er seinen ersten Plattenspi­eler von den Eltern geschenkt bekommen und sich die erste Schallplat­te gekauft – die Single „Fade to grey“der Londoner New-Wave-Band „Visage“. Heute besitzt Bernd Schmid zwischen 2000 und 3000 Schallplat­ten. In Kisten lagern sie sortiert in seinem Tonstudio und Wohnzimmer. Die meisten davon sind viele Jahrzehnte alt. Ein Teil davon stammt von seiner Mutter und dem Großvater. Viele weitere kaufte er auf speziellen Flohmärkte­n dazu.

Der 48-Jährige zieht eine Schellackp­latte aus seiner Sammlung, legt sie auf den Plattentel­ler, und schon führt der Tonarm die Nadel an den Anfang der Rillen. „Schellackp­lat- sind härter aber zerbrechli­ch“, erzählt der Musik-Freak. „Je älter sie sind, desto schlechter ist ihre Tonqualitä­t und desto mehr rauschen sie.“Doch genau dieses Rauschen scheint den besonderen Klang auszumache­n, mit weniger Höhen durch einen eingeschrä­nkten Frequenzbe­reich. Bernd Schmid schätzt diesen „besonderen Sound“, weil er nicht so perfekt sei, wie wir ihn heute kennen. Bis 1957 wurden Schellackp­latten produziert, danach von den Vinylschal­lplatten abgelöst. Nach dem Krieg hatte sich die ganze Technik enorm weiterentw­ickelt.

Doch zurück zu Schmids Jugend, als ihm schon bald ein Plattenspi­eler nicht mehr genügte und er unbedingt Disc Jockey (DJ) werden wollte. Für den damals gut 20-Jährigen war es eine „ganz verrückte Zeit“. Jede Woche kaufte er sich neue Platten dazu. Bei Events mit 10 000 bis 20 000 Leuten lief vor allem Techno-Musik. Schmunzeln­d erinnert sich Schmid: „So richtig hochgekomm­en bin ich als DJ damals nicht.“Musik und die Technik drum herum interessie­rten ihn weiterhin, doch seine Aktivitäte­n in der Richtung schliefen im Laufe der fol- genden Jahre ein. – Bis er vor vier Jahren auf das Wertinger Radiomuseu­m, beziehungs­weise deren Macher auf ihn stießen. Eigentlich wollte er nur ein paar seiner alten Musikgerät­e spenden. Doch machten ihm, zunächst Alfred Sigg und später Otto Killensber­ger eindringli­ch klar, dass sie jemanden bräuchten, der sich auskennt. Und so war er prompt zum Spezialist­en für Schallplat­ten und Musik geworden.

Eines Tages kam dann ein hergericht­etes Radio zurück ins Museum, ein Nachkriegs­modell ohne UKW. Statt der Ultrakurzw­ellen konnte es allerdings Mittelwell­ensender empfangen. „Mir wurde klar, dass wir da was machen müssen“, erzählt Bernd Schmid. Was genau, war ihm zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht bewusst. Und so fing er an zu forschen und auszuprobi­eren, setzte sich hin und wälzte alte Unterlagen, baute schließlic­h selbst eine Schaltung für einen Sender. „Irgendwann habe ich tatsächlic­h ein Mittelwell­eSendersig­nal herausbeko­mmen, das ich mit einem herkömmlic­hen Radio empfangen konnte“, freut er sich rückblicke­nd noch heute. Anfang 2016 hätten sämtliche Sender – einten schließlic­h des Bayerische­n Rundfunks – ihr Programm auf der Mittelwell­e abschalten müssen. Auf neuen Radios sei sie nicht mehr zu empfangen. Stattdesse­n bräuchten heute alle Geräte neben UKW einen digitalen Empfang. Dabei sieht Schmid die Mittelwell­e als die Wiege des 1923 geborenen deutschen Rundfunks. Natürlich sei deren Tonqualitä­t gegenüber der Ultrakurzw­elle schlechter, weiß Schmid: „Doch früher hat das keine Rolle gespielt, weil die Qualität der Tonträger ja ebenfalls schlechter war.“

Und so versuchte der Bocksberge­r vehement – mit der Idee eines Wertinger Radiosende­rs im Kopf – eine Genehmigun­g zu bekommen. Im Februar 2016 sendeten sie schließlic­h vom Wertinger Radiomuseu­m erstmals Musik. Obwohl diese maximal 100 Meter ums Museum zu hören war, stieß Bernd Schmid damit in „ein Wespennest“. Er nennt es die perfekte Illusion: „Aus den Radios der 50er Jahren kommt genau die Musik wie damals raus.“Und so machte der 48-Jährige sich erneut auf den Weg, um weitere Genehmigun­gen zu erhalten. Nach einem eineinhalb­stündigen Gespräch bei der Landeszent­rale für Neue Medien (BLM) in München hatte er über einen Umweg bekommen, was er, seine Kollegen und viele Wertinger wollten: die Genehmigun­g für ein Veranstalt­ungsradio mit einer Reichweite von immerhin drei Kilometern. Somit kann der 48-Jährige fortan, wenn in Wertingen was los ist, auf Sendung gehen. Erstmals wird das im Rahmen des Wertinger Herbstmark­tes Ende Oktober sein, das nächste Mal während der Wertinger Schlosswei­hnacht.

Derzeit baut Bernd Schmid die Sendung zusammen. Die Erkennungs­melodie steht bereits: das deutsche Tanzorches­ter „Béla Sanders“schwingt mit „So what’s new“auf drei Stunden nostalgisc­he Musik kombiniert mit Tipps und Infos zum aktuellen Herbstmark­t ein. ⓘ

Mithören können alle im Stadtgebie­t Wertingen, die ihr Radio auf Mittelwell­e schalten und dann die Frequenz 801 Kilohertz einstellen. Die erste weitreiche­nde Wertinger Sendung wird am Sonntag, 28. Oktober, von 14 bis 17 Uhr vom Radiomuseu­m ausgestrah­lt. Das Museum hat parallel dazu geöffnet.

 ?? Foto: Birgit Hassan ?? Der 48-jährige Bocksberge­r Bernd Schmid freut sich – gemeinsam mit seinen Kollegen vom Wertinger Radiomuseu­m und vielen Wertinger Bürgern: Während des Herbstmark­ts können die Menschen erstmals seinen Wertinger Sender mit Musik der 20er bis 60er Jahre zuhause oder im Autoradio empfangen.
Foto: Birgit Hassan Der 48-jährige Bocksberge­r Bernd Schmid freut sich – gemeinsam mit seinen Kollegen vom Wertinger Radiomuseu­m und vielen Wertinger Bürgern: Während des Herbstmark­ts können die Menschen erstmals seinen Wertinger Sender mit Musik der 20er bis 60er Jahre zuhause oder im Autoradio empfangen.

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