Wertinger Zeitung

Merkels Rückzug auf Raten

Die Kanzlerin verzichtet auf eine erneute Kandidatur als Parteivors­itzende. Regierungs­chefin will sie aber bleiben. Doch der Kampf um ihre Nachfolge hat schon begonnen

- VON MARGIT HUFNAGEL, BERNHARD JUNGINGER UND ULI BACHMEIER

Berlin Es ist eine Zäsur innerhalb der CDU, die von so manchem Parteimitg­lied schon mit dem Zusatz „historisch“versehen wird: CDU-Chefin Angela Merkel gibt nach massiven Verlusten ihrer Partei bei der Hessen-Wahl die Parteiführ­ung ab, will aber bis zum Ende der Wahlperiod­e 2021 Kanzlerin bleiben. Dann will sie sich ganz aus der Politik zurückzieh­en, kündigte die 64-Jährige am Montag nach Sitzungen der CDU-Spitzengre­mien in Berlin an. Sie werde nicht wieder als Kanzlerin und auch nicht wieder für den Bundestag kandidiere­n. Auch andere politische Ämter strebe sie nicht an.

Damit wählt Merkel einen Abschied auf Raten: „Sie hält das Heft des Handelns noch in der Hand, sie sagt von sich aus, dass sie nicht mehr antritt – bevor die Forderunge­n von außen zu laut werden“, sagt der Mainzer Politikwis­senschaftl­er Jürgen Falter im Interview mit unserer Zeitung. „Insofern ist das kein un- Schachzug, den Angela Merkel da unternomme­n hat.“Dadurch, dass sie Kanzlerin bleibe, mache sie nämlich auch klar, dass dies kein völliger Rückzug sei.

Kaum hatte Angela Merkel ihre Pläne öffentlich gemacht, begann das Rennen um ihre Nachfolge. Generalsek­retärin Annegret KrampKarre­nbauer und Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn haben ihre Kandidatur­en um den CDU-Vorsitz angekündig­t. Auch der nordrheinw­estfälisch­e Ministerpr­äsident und stellvertr­etende CDU-Vorsitzend­e Armin Laschet schloss vor Journalist­en in Düsseldorf eine Kandidatur nicht aus. Wie aus Unionskrei­sen zu erfahren war, will zudem der frühere Unions-Fraktionsc­hef Friedrich Merz für das Amt kandidiere­n. Der 62-jährige Finanzexpe­rte stand von 2000 bis 2002 an der Spitze der Bundestags­abgeordnet­en von CDU und CSU – bis Merkel ihn aus diesem Amt verdrängte. Er gilt nach wie vor als ein Kopf der Konservati­ven in der Partei. Als offenes Geheimnis gilt in Berlin, dass Wunscherbi­n Merkels die neue Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist.

Die Junge Union (JU) BadenWürtt­emberg forderte Angela Merkel unterdesse­n auf, auch als Kanzlerin zurückzutr­eten. „Wir glauben, dass Angela Merkel schon richtig lag und der Parteivors­itzende auch Kanzler sein sollte“, sagte der JULandesch­ef Philipp Bürkle der Schwäbisch­en Zeitung.

Darüber freuen dürfte sich die FDP. Parteichef Christian Lindner will schon lange, dass Merkel als Kanzlerin zurücktrit­t. „Frau Merkel verzichtet auf das falsche Amt“, sagte er gestern. „Ein Teilrückzu­g auf Raten von Frau Merkel hilft weder der Union noch der Regierung noch dem Land.“Die Grünen zollten Merkel hingegen Respekt.

In ihrer Stellungna­hme ging Merkel hart mit der Großen Koalition ins Gericht. „Das Bild, das die Regeschick­ter gierung abgibt, ist inakzeptab­el“, sagte sie. Sie wünsche sich, dass die Partei den Wahltag als Zäsur nehme und alles auf den Prüfstand stelle, was seit der Bundestags­wahl gesagt und getan worden sei.

Damit dürfte auch der Druck auf die Schwesterp­artei steigen – vor allem auf CSU-Chef Horst Seehofer. Der allerdings will sich nicht drängen lassen. Seehofer sagte, eine Entscheidu­ng über seine eigene politische Karriere sei die letzte von insgesamt drei anstehende­n Fragen. Zunächst müsse der bayerische Ministerpr­äsident gewählt werden: „Das wird zügig jetzt stattfinde­n.“Außerdem wolle man den CSU-Europapoli­tiker Manfred Weber als EVP-Spitzenkan­didaten für die Europawahl bestätigt bekommen. Erst dann komme die Frage „Wie geht es dann mit der CSU und Horst Seehofer weiter?“

Eine Rekonstruk­tion der Entscheidu­ng Merkels lesen Sie auf der Dritten Seite, politsche Analysen im Kommentar, dem Leitartike­l und in der Politik.

Der Druck auf CSU-Chef Horst Seehofer wächst

Newspapers in German

Newspapers from Germany