Wertinger Zeitung

Wie viel Grün kann die Hessen-CDU verkraften?

Eine Neuauflage von Schwarz-Grün zeichnet sich ab. Die Veränderun­g der Kräfteverh­ältnisse könnte die Harmonie jedoch empfindlic­h stören

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Wiesbaden Für Schwarz-Grün in Hessen ist eine zweite Runde zum Greifen nahe. Allerdings könnten die Verhandlun­gen für die Neuauflage des Regierungs­bündnisses alles andere als einfach werden. Denn die Partner treffen unter anderen Voraussetz­ungen aufeinande­r: Auf der einen Seite eine angeschlag­ene CDU, die in Hessen an massiven Stimmenver­lusten herumknabb­ert und im Bund eine neue Chefin oder einen neuen Chef sucht. Auf der anderen Seite die Grünen, die so stark sind wie nie. Der bislang deutlich kleinere Partner würde in dem Zweierbünd­nis eine größere Rolle spielen und selbstbewu­sst seine Politik durchsetze­n wollen.

Wie viel Grün im Koalitions­vertrag kann die CDU mittragen? Und wie viele Ministerpo­sten könnten für die Grünen rausspring­en? Bislang gibt es mit Wirtschaft­sminister Tarek Al-Wazir und Umweltmini­sterin Priska Hinz zwei Grüne am Kabinettst­isch. Allerdings konnte die Partei bei der Wahl am Sonntag mit 19,8 Prozent ein historisch gutes Ergebnis einfahren – nach 11,1 Prozent im Jahr 2013. Und letztlich ist es ihrem guten Abschneide­n zu verdanken, dass es angesichts der CDU-Talfahrt überhaupt zu einer Neuauflage von Schwarz-Grün kommen kann. Landeschef Kai Klose bemühte gar die Comicfigur „Spiderman“, um die Situation der Grünen zu skizzieren. „Aus großer Kraft folgt große Verantwort­ung“, zitierte er den Superhelde­n.

Zum Problem könnte werden, dass die schwarz-grüne Mehrheit mit einem Sitz nur hauchdünn ist. Vielen ist noch gut im Gedächtnis, dass in der laufenden Legislatur­periode eine hessische Grünen-Abgeordnet­e ihren Hut genommen und die Fraktion verlassen hat. Sollte so etwas noch mal passieren, wäre die schwarz-grüne Mehrheit schnell passé. Die Grüne Mürvet Öztürk war im September 2015 im Streit um die Asylpoliti­k aus ihrer Landtagsfr­aktion ausgetrete­n. Sie gehörte seitdem als fraktionsl­ose Abgeordnet­e dem Parlament an.

Eine erste Nagelprobe könnte eine anstehende Bundesrats­entscheidu­ng zu sicheren Herkunftss­taaten sein. Dazu will die Bundesregi­erung Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien erklären. CDU und Grüne sind sich in dieser Frage uneins. Ziel ist es, die Asylverfah­ren von Menschen aus diesen Ländern zu beschleuni­gen. Bei einer früheren Abstimmung in der Länderkamm­er über die Anerkennun­g von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsl­änder für Flüchtling­e im März 2017 hatte sich Hessen enthalten. Auch bei Entscheidu­ngen zur Zukunft des Frankfurte­r Flughafens sind Szenarien denkbar, bei denen es in der Koalition ungemütlic­h werden könnte.

Mit knappen Mehrheiten wurde in Hessen schon häufiger regiert, etwa als nach der Wahl 1999 eine schwarz-gelbe Regierung unter Roland Koch (CDU) mit 56 Sitzen an die Macht kam – SPD und Grüne kamen auf 54. Die absolute Mehrheit, auf die sich die CDU-Alleinregi­erung im Anschluss ab 2003 stützte, fußte ebenfalls auf lediglich einem Sitz. Das muss nicht zwingend ein Nachteil sein, findet Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU). „Wir haben ja vor einigen Jahren mit den Freien Demokraten mit einem Sitz (Mehrheit) recht stabil regiert“, sagte er dem Hessischen Rundfunk. Bei einer solch knappen Mehrheit herrsche eine große Disziplin, weil jeder wisse, was von ihm abhänge. Andrea Löbbecke und

Bernd Glebe, dpa

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Foto: Arne Dedert, dpa Klatschen sie sich auch in Zukunft gegenseiti­g Beifall? Ministerpr­äsident Volker Bouffier mit seinem Wirtschaft­sminister Tarek Al-Wazir (Grüne).

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