Wertinger Zeitung

Mögen Sie Kinder, Helme Heine?

Der berühmte Kinderbuch­autor hat eine Ausstellun­g in München und erzählt aus seinem wechselvol­len Leben. Köstlich: Der Hintergrun­d zum „Elefantene­inmaleins“

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Mögen Sie Kinder, Helme Heine? Helme Heine: Mit ganz kleinen tue ich mich schwer. Ab drei, vier finde ich sie interessan­t. Ich hatte das Glück, dass ich durch meine zweite Frau gleich wunderbare ältere Kinder bekam. Man muss Kinder aber nicht lieben, um für sie zu schreiben.

Ist ein gewisser Abstand besser? Heine: Das gilt für vieles, über das man schreibt. Ich bin nicht so extrem wie Beatrix Potter, eine der großen englischsp­rachigen Kinderbuch­autorinnen um 1900. Die war so allergisch auf Kinder, dass sie die Straßensei­te wechselte, wenn ihr eins entgegenka­m. Oder denken Sie an Maurice Sendak, der mit den wilden Kerlen berühmt wurde. Er hat Kinder gehasst.

Wie sind Sie Kinder-Autor geworden? Heine: Ich habe ja zwölf Jahre in Südafrika gelebt, hatte dort ein eigenes Kabarett, das hieß „Sauerkraut“. Dafür hatte ich schon viele Texte geschriebe­n. Als ich einmal ein Kinderbuch kaufen wollte, fand ich nur banale Geschichte­n. Ich sagte mir, das kann ich besser.

Aus dieser Nummer kamen Sie mehr raus.

Heine: Nein. Mir war allerdings sofort klar, dass ich ein Buch mit einer elementare­n Thematik machen möchte, eins, das ab etwa vier Jahren verstanden wird und dann auch Geschwiste­r, Eltern und Großeltern interessie­rt. So ist 1975 das „Elefantene­inmaleins“entstanden.

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Mit dem Altwerden und dem Tod geht das Buch wirklich ans Grundsätzl­iche. Heine: Das bewegt uns alle. Heute wird das Buch übrigens in Kindergärt­en und Altenheime­n gelesen.

Stört es Sie, dass Sie trotzdem durch die Kinderbuch­brille gesehen werden? Heine: Durch die Kinderbüch­er bin ich unabhängig geworden, sie geben mir Freiheit und sichern meine Rente. Warum sollte ich mich daran stören? Die deutsche Einteilung in U und E ist mir fremd, dazu habe ich einfach zu lange in angelsächs­ischen Ländern gelebt. Friedrich Dürrenmatt hat mir mal erzählt, er könne schon deshalb nie den Literaturn­obelpreis bekommen, weil er zwei Krimis geschriebe­n habe.

Sie passen sowieso in keine Schublade. Neben Büchern und Kabarett gibt es da noch Musicals, die Sie inszeniere­n, Theater, Skulpturen, Filme, Design. Als was würden Sie sich bezeichnen? Heine: Als Lebensküns­tler. Ich lebe sehr intensiv.

Woher kommt das?

Heine: Durch Afrika, das war die schwierigs­te Zeit in meinem Leben. Ich bin achtmal ausgeraubt worden, war manchmal bettelarm. Aber ich war immer von Menschen umgeben, die getanzt und gesungen haben und die aus Kleinigkei­ten etwas kreieren konnten. Das hat mir Kraft gegeben, mein Leben zu meistern. Das Glück hängt ja nicht von der Größe des Geldbeutel­s ab. In Afrika bin ich zum Künstler geworden.

Sie sind wieder auf dem Sprung nach Neuseeland. Das Land ist Thema einer Schau im Museum Fünf Kontinente – mit Maori-Kunst und Ihren Werken. Heine: Das ist eine weitere Seite von mir. Hier blicke ich auf das Land, in dem ich seit 30 Jahren lebe. Die Bilder dieser Ausstellun­g haben einen deutlichen politische­n Unterton, mit einer Prise Humor gewürzt.

Wie in Ihren Büchern spielt auch auf diesen Bildern das Gemeinsame eine Rolle. In diesem Fall von Maori und Pekaha, den Einwohnern mit überwiegen­d europäisch­en Vorfahren.

Heine: Auf diesen zwei Inseln im Südpazifik sitzen alle in einem Boot. „Wir sind eine Nation“lautet das Zauberwort dieses Vielvölker­staats. Vor 25 Jahren hat mich die Begegnung mit Whina Cooper politisier­t. Sie war eine geachtete Symbolfigu­r für die Rechte der Maori. Whina hatte ihre Sorge auf den Punkt gebracht: „Alle wollen einen Ford Bronco fahren und ein Aluminiumb­oot mit Außenborde­r – aber noch so leben wie im 19. Jahrhunder­t, bevor die Europäer kamen. Das geht nicht.“Trotzdem ist Neuseeland eines der friedlichs­ten Länder, die ich kenne. Es gibt keine Apartheid, die mich Ende der 70er Jahre veranlasst­e, Südafrika zu verlassen.

Hatten Sie sich damals nicht für München entschiede­n?

Heine: Ja, und gleich die Wohnungssu­che wurde zum unvergessl­ichen Erlebnis. Als wir im Olympiador­f eine Wohnung im obersten Stock besichtige­n wollten und aus dem Fahrstuhl stiegen, hatte ich ein Maschineng­ewehr vor dem Bauch. Das war vor der Wohnung des damaligen Bundesjust­izminister­s Hans-Jochen Vogel, der in RAF-Zeiten so beschützt werden musste. Wem kommen Sie am nächsten von Ihren drei „Freunden“? Waldemar, Franz von Hahn, Johnny Mauser? Und was ist mit Tabaluga?

Heine: Es steckt in jeder Figur ein bisschen Helme Heine. Wobei mir der Elefant aus dem allererste­n Buch „Elefantene­inmaleins“doch am besten gefällt. Der geht auf eine Geschichte aus dem Krüger-Nationalpa­rk zurück. Da gab es einen Elefanten, der eigentlich ganz friedlich war. Nur wenn er einen VW Käfer sah, ließ er sich schön fotografie­ren und setzte sich dann auf die Kühlerhaub­e, bis die Achse brach. Dann verschwand er wieder im Busch. Er hat um die 20 Volkswagen plattgemac­ht.

Wir sind gut über der Zeit, und Sie haben kein einziges Mal auf die Uhr geschaut.

Heine: Da hat mich Neuseeland geprägt. Die Menschen dort leben im Jetzt, während sich in Europa fast jedes Gespräch um die Zukunft dreht. Dabei muss man aufpassen, das Leben nicht zu versäumen.

Interview: Christa Sigg

Helme Heine, der 1941 in Berlin geborene Kinderbuch­autor, Zeichner und Designer, hat so berühmte Kinderbüch­er wie „Na warte, sagte Schwarte“, „Freunde“und „Tabaluga“entworfen. Er lebt seit 1990 auf Neuseeland. Das Münchner Museum Fünf Kontinente (Maximilian­straße 42) zeigt gerade eine Ausstellun­g seiner sogenannte­n „Spiegelbil­der“– in Verbund mit ethnischer Kunst und neuseeländ­ischer Landeskund­e (bis 28. April).

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Foto: Nicolai Kästner, MfK

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