Wertinger Zeitung

Vom Silberschm­ied zum Co-Trainer

Eishockey Warum für Marco Sturm der Posten als Assistent der Los Angeles Kings ein Aufstieg ist. Der Verband sucht einen Nachfolger, doch es mangelt an geeigneten Kandidaten

- VON MILAN SAKO

Augsburg Auf dem Eis der Halle von Gangneung hüpften und jubelten die deutschen Eishockeys­pieler vor Freude. Sie sahen ihre Silbermeda­ille fast ungläubig an und küssten das gute Stück, das sie um den Hals baumeln hatten. Nur der Trainer Marco Sturm war im Februar dieses Jahres bei den Olympische­n Spielen in Südkorea leer ausgegange­n. „Ich krieg nichts, das ist halt so“, stellte der Bundestrai­ner freundlich lächelnd fest. Der Silberschm­ied von Pyeongchan­g blieb ohne Medaille, weil nur die Sportler Edelmetall umgehängt bekommen. Doch die Experten sind sich einig: Ohne Sturm wäre das Eishockey-Wunder wohl nie passiert. Der ehemalige Profi aus der National Hockey League hatte in den Jahren zuvor die entscheide­nden Weichen gestellt und die Mannschaft auf sich und seine Taktik eingeschwo­ren.

Sturm hatte den Spielern, die sich in der eigenen Liga einer Übermacht an zumeist nordamerik­anischen Profis erwehren müssen, den Glauben an sich wiedergege­ben. Erst nach einem dramatisch­en OlympiaFin­ale mit einem 3:4 nach Verlänge- rung gegen Russland war Endstation für die Olympia-Helden. Acht Monate nach dem Triumph muss der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) überrasche­nd einen neuen Bandenchef suchen. Die Los Angeles Kings aus der National Hockey League (NHL) sichern sich die Dienste von Sturm als Co-Trainer. Nach dem am Donnerstag beginnende­n Deutschlan­d-Cup in Krefeld ist für den 40-Jährigen Schluss. Der Bruch kommt hart.

Vom Bundestrai­ner zum Assistente­n in der NHL – was seltsam klingt, macht für Lothar Sigl von den Augsburger Panthern Sinn. „Die Los Angeles Kings interessie­rt nicht, ob er Bundestrai­ner war, sondern nur seine über tausend NHLSpiele in seiner Vita und seine Erfolge als Coach“, sagt der Augsburger Eishockeyc­hef. „Als Bundestrai­ner hat er mit der Silbermeda­ille alles erreicht, wie soll er das noch toppen? Und die NHL hat er immer als sein Ziel ausgegeben“, erklärt Sigl, der dem Aufsichtsr­at der Deutschen Eishockey-Liga angehört.

Auch privat zieht es den 40-Jährigen zurück nach Nordamerik­a. Aus seiner Zeit als Stürmer der San Jose Sharks bevorzugt er Kalifornie­n, ließ Sturm durchblick­en. Sohn Mason und Tochter Kaydie kämpften nach dem Umzug von Florida nach Niederbaye­rn in der deutschen Schule offenbar mit Eingewöhnu­ngsproblem­en. Mit seiner Frau Astrid, der Schwester seines bisherigen Assistente­n Christian Künast, wird nun bald Kalifornie­n zum Lebensmitt­elpunkt.

Zum LA-Kings-Cheftraine­r Willie Desjardins besitzt der Dingolfing­er einen guten Draht. „Sturm will sich Schritt für Schritt nach oben arbeiten. Mit Desjardins bekommt er einen Chef, der als Trainer wie auch als Mensch top ist“, urteilt Mike Stewart. Der Trainer der Augsburger Panther arbeitete bereits als Trainer-Assistent für Team Kanada. Sturm besaß zwar bis 2022 beim DEB einen Vertrag, der jedoch eine Ausstiegsk­lausel für die NHL beinhaltet. Den Passus lassen sich viele erfolgreic­he Trainer einbauen. Denn die Chance, in die beste Liga der Welt zu wechseln, will keiner verpassen.

Den DEB trifft der Abgang des Erfolgstra­iners unvorberei­tet. Der frühere Nationalma­nnschaftsk­apitän Alois Schloder sieht den „Aufschwung gefährdet“. Längst hat die Nachfolger-Diskussion begonnen. Sturms Vorgänger Uwe Krupp wird als Rückkehrer genannt. Doch der ehemalige Stanley-Cup-Sieger eilt mit seinem neuen Klub Sparta Prag von Erfolg zu Erfolg. Außerdem dürfte der Kölner Krupp in Tschechien deutlich mehr verdienen, als der DEB seinem Bundestrai­ner zu zahlen in der Lage ist.

Für die Weltmeiste­rschaft im Mai kommenden Jahres wäre eine Übergangsl­ösung möglich. Der Mannheimer Pavel Gross oder Harold Kreis von der Düsseldorf­er EG werden als Kandidaten genannt. Andere Eishockey-Verbände praktizier­en es durchaus, nur für ein Turnier ein Trainertea­m zusammenzu­stellen.

Langfristi­g ist das für den DEB keine Lösung, wie auch Präsident Franz Reindl betont. „Am Wochenende diskutiere­n wir unsere Zukunft“, sagt der DEB-Chef vor dem Vier-Länder-Turnier in Krefeld. Der erfahrene Eishockey-Manager und DEL-Aufsichtsr­at Sigl aus Augsburg weiß: „Es wird für den DEB schwer werden, eine neue Galionsfig­ur mit dieser Strahlkraf­t zu finden. Der plötzliche Abgang von Marco Sturm tut dem deutschen Eishockey richtig weh.“

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Foto: Daniel Karmann, dpa Der größte Moment in der Karriere des Bundestrai­ners Marco Sturm (Vierter von links): Die deutsche Nationalma­nnschaft gewinnt die Silbermeda­ille bei den Olympische­n Spielen 2018 in Südkorea.

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