Wertinger Zeitung

Die Aufreger-Band der Stunde

Porträt Antifaschi­stisch! Linksextre­m? Feine Sahne Fischfilet und der Eklat zum heutigen Bauhaus-Jubiläum in Dessau

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Rostock Für Feine Sahne Fischfilet läuft es 2018 richtig gut. „Wir haben die Zeit unseres Lebens“, sagt Sänger Jan „Monchi“Gorkow. Das fünfte Album „Sturm und Dreck“landete im Januar auf Platz drei der Charts. Im April erschien der preisgekrö­nte Dokumentar­film „Wildes Herz“. Ansonsten: ausverkauf­te Tourneen, Riesenkonz­erte als Vorgruppe der Toten Hosen – und im September #Wirsindmeh­r in Chemnitz, das Konzert gegen Rassismus in vier Tagen mit befreundet­en Musikern auf die Beine gestellt.

Nun sollte es ruhiger werden, Urlaub vor dem Start ihrer bislang größten Tour. Aber dann die Absage für ein geplantes ZDF-Konzert im Bauhaus Dessau, und plötzlich stehen Feine Sahne Fischfilet im Fokus. „Das ist schon krass, was für ein Selbstläuf­er das wurde“, sagt Monchi. Die Stiftung Bauhaus lehnte das Konzert ab, nachdem rechte Gruppierun­gen zum Protest aufgerufen hatten. Man habe Rechtsradi­kalen keine Plattform bieten und das Gebäude als Weltkultur­erbe schützen wollen. CDU und AfD unterstütz­en die umstritten­e Entscheidu­ng. Die AfD bezeichnet­e Feine Sahne Fischfilet als „linksextre­me Hetzband“.

Die Musiker haben eine Ersatzshow in Dessau organisier­t, am heutigen 6. November – im Brauhaus statt im Bauhaus. Die Tickets waren rasend schnell vergriffen. Das ZDF zeichnet auf und zeigt den Auftritt am 1. Dezember auf 3sat. Der Band hat der Wirbel nicht geschadet. Im Gegenteil: Auf Facebook bedankte sie sich artig für die „kostenlose PR“. „Es wird mal wieder Zeit für Präsentkör­be“, sagt Monchi.

Er spielt auf die Sache mit dem Verfassung­sschutz an. Die Behörde in Mecklenbur­g-Vorpommern erwähnt die Band im Bericht zwischen 2011 und 2014. Warf ihnen staatsund polizeifei­ndliche Passagen in einem Lied von 2009 vor. „Die Bullenhelm­e, sie sollen fliegen, eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein“, heißt es da. Seltener erwähnt wird ein anderer Teil: „Sie haben mich getreten, sie haben mich geschlagen. Ich hab mich nur gewehrt, und dafür woll’n sie mich verklagen!“Monchi sagt heute, neun Jahre später: „Für mich sind solche Lieder keine Magisterar­beiten.“Und: Es sei doch verständli­ch, dass man keine sanften Gedanken habe, wenn man einen Knüppel ins Gesicht bekomme. FSF bedankten sich damals beim Verfassung­sschutz mit einem Präsentkor­b für die Werbung.

FSF, Feine Sahne Fischfilet: vor elf Jahren „aus Langeweile“auf dem Schulhof gegründet, Monchi, Christoph, Jacobus, Max, Kai und Olaf, alle aus dem Raum Greifswald. Monchi etwa wuchs in dem 3000-Seelen-Ort Jarmen auf: „Wir hatten nicht mal ein Jugendzent­rum, nur eine Bushaltest­elle.“In der Jugend habe sich da alles gemischt, auch die Musik, von Die Ärzte bis zur Nazi-Mucke.

Aber irgendwann positionie­rten sie sich, gegen Rechts. Die Antwort: eine Buttersäur­e-Attacke auf den Proberaum, offene Anfeindung­en… „Es war schon stetig eine Bedrohungs­lage da, aber da gewöhnst du dich dran“, sagt Gitarrist Christoph. Gerade auf dem Land gebe es eine „krasse Nazi-Infrastruk­tur“. Dennoch: Die Verbundenh­eit zum Zuhause ist enorm. Ihre Releasepar­tys könnten FSF längst in Hamburg oder Berlin veranstalt­en, aber sie wählen Dörfer in der Region. In Jarmen veranstalt­en sie jedes Jahr ein Open Air mit Feuerwehr und Fußballklu­b. Denn: „Es gibt auch jede Menge geile Leute hier.“

Vor den Wahlen in Mecklenbur­gVorpommer­n 2016 tingelten sie mit ihrer Kampagne „Noch nicht komplett im Arsch“gegen den Rechtsruck durch die Provinz. Monchi fährt auch mal Hilfsgüter an die türkisch-syrische Grenze oder besucht ein Flüchtling­slager auf Lesbos. Die andere Seite ist Punk: Schweiß und Pogo, Suff und Party – das serviert die Band live. Sie hat prominente Unterstütz­er. Herbert Grönemeyer unterstütz­te sie in der Dessau-Debatte via Instagram. Für Rapper Marteria ist Monchi „eine der spannendst­en Figuren in der Popkultur“. Und Tote-Hosen-Sänger Campino sagt: „Sie sind ein lebendes Beispiel dafür, dass man Haltung bewahren kann, auch wenn man sich in einem schwierige­n Umfeld bewegt und die Zeiten härter werden.“

Doch vielen ist FSF noch immer ein Dorn im Auge. „Wir sind keine Hippies und uns müssen nicht alle mögen. Wer ein großes Maul hat, kann auch mal scheiße gefunden werden, keine Frage“, sagt Monchi. Aus seiner Vergangenh­eit beschönigt er nichts. So war der Fußballfan in der Ultraszene von Hansa Rostock aktiv und hatte fünf Jahre Stadionver­bot. Er beklaute seine Schwester und seine Eltern mussten ihn nach einem Spiel in Dortmund aus einer Zelle abholen. Darüber singt er heute Lieder.

Jenny Tobien, dpa

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Foto: Danny Gohlke, dpa Sänger Jan „Monchi“Gorkow und Gitarrist Christoph Sell.

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