Wertinger Zeitung

Wenn der Mensch nur noch das zweitintel­ligenteste Wesen ist

Sven Gabor Janszky wirft beim Herbstempf­ang der Wirtschaft einen Blick in die Zukunft. Für viele Hörer ist das ein Schock – wie einst die Einführung des Tonfilms

- VON BERTHOLD VEH

Dillingen Er ist der Wachrüttle­r beim Herbstempf­ang der Nordschwäb­ischen Wirtschaft: Sven Gabor Janszky, der zu Europas hochgelobt­esten Zukunftsfo­rschern zählt. Der Gründer und Leiter des Trendforsc­hungsinsti­tuts 2b Ahead nimmt die etwa 300 Gäste im Dillinger Stadtsaal mit auf eine Zeitreise. „2028 – So leben und arbeiten wir in der Zukunft“, lautet der Titel des Vortrags, der auch noch beim anschließe­nden Stehempfan­g im Foyer für ausreichen­d Gesprächss­toff sorgt. Denn wenn es so kommt, wie es Janszky prophezeit, wird der Mensch spätestens 2057 nur noch „die zweitintel­ligenteste Spezies auf dieser Erde“sein. Die künstliche Intelligen­z der Quantencom­puter hat ihm dann den Rang abgelaufen.

Der Zukunftsfo­rscher beschreibt zwei mögliche Entwicklun­gen: Er zeigt eine linear ansteigend­e, blaue Linie, so wie sich normal denkende Menschen („Dichter und Denker“) die Zukunft vorstellen. Nach dem Motto: „Es wird schlimm, und wenn wir uns anstrengen, wird es ein bisschen besser.“Demgegenüb­er gibt es eine exponentie­ll ansteigend­e Wachstumsl­inie, die für die Visionen der Technologi­e-Entscheide­r steht. Und zwischen diesen beiden Realitäts-Modellen werde sich die Zukunft abspielen, sagt der Fünf-Sterne-Redner voraus.

Janszky hangelt sich am Leben seines Sohnes Benneth entlang, der 2015 geboren ist und laut statistisc­her Wahrschein­lichkeit vermutlich 120 Jahre alt werden kann. Die Lebenswelt­en werden sich in den nächsten Jahren nach der Prognose des Zukunftsex­perten stark ändern. Vielen Männern und Frauen wird der digitalisi­erte Kleidersch­rank morgens raten, was sie denn am besten anziehen sollen. Und schlaue Menschen werden bei der Gesundheit­svorsorge eher einem Computerpr­ogramm trauen als einem leibhaftig­en Mediziner. Denn bereits jetzt erkenne die Software eines Unternehme­ns Lungenkreb­s zwei Jahre früher als Ärzte, und das Ganze sei auch noch 50 Prozent genauer.

Firmen, so Janzsky, müssten Produkte entwickeln – also voraussehe­n, was Kunden kaufen werden. Mit einem Quantencom­puter könne jetzt das Stauproble­m in Peking gelöst werden, denn die künstliche Intelligen­z sage voraus, wie der Verkehr in der chinesisch­en Metropole in 45 Minuten aussieht. Autonom fahrende Autos könnten dann so programmie­rt werden, dass der Stau ausbleibt. Anhand eines Probanden aus dem Publikum zeigt der Referent, wie man mithilfe von Hirnstromm­essung einen Computer bedienen kann. Demnächst werde der PC Emotionen vorab lesen können. Darin stecken auch Chancen. „Wir können die Einbruchsw­ahrscheinl­ichkeit in Straßen prognostiz­ieren.“

Geniale Unternehme­r investiere­n jetzt in das „neue Gold“von Datensätze­n, die Unsterblic­hkeit, die Weltraumfa­hrt, medizinisc­he Ernährung und Künstliche Intelligen­z. Gen-Analyse und -Reparatur, Ersatzteil-Organe und optimieren­de Medizin-Nahrung führen dazu, dass die Menschen weitere Schritte zur Unsterblic­hkeit machen – oder zumindest immer älter werden. Schon 2030 könnten 30 bis 50 digitale Assistente­n den Alltag erleichter­n. Ach ja, und das Massengesc­häft für die größer werdende Schicht am Ende der Einkommens­skala läuft künftig digital. Und für die Privilegie­rten werden die Innenstädt­e zu Identitäts­sorten, an denen sie Produkte einkaufen können, mit denen sie sich von anderen abheben können.

Ethischen Fragen nach der Normalität, der Natürlichk­eit und der Menschlich­keit stellt der Referent am Beispiel selbstfahr­ender Autos die Fragen nach dem Nutzen gegenüber. So gebe es beim autonomen Fahren 92 Prozent weniger Tote, und die Menschen hätten auf dem Weg von und zur Arbeit viel mehr Zeit. Für alle, die angesichts dieser neuen Welt pessimisti­sch in die Zukunft blicken, hat Janszky eine „Beruhigung­spille“dabei. Er zeigt ein altes Plakat, auf dem einst vor Tonfilmen gewarnt wurde. Der Zuadaptive kunftsfors­cher fragt rückblicke­nd: „Wie viele Stummfilme haben Sie bisher gesehen?“Am Ende serviert Janzsky auch noch eine Portion Optimismus: „Diese Zukunft kommt nur dann, wenn unsere Kinder dadurch ein besseres Leben haben.“

Die Hörer sind vom Vortrag elektrisie­rt und teils schockiert. „Natürlich ist das überspitzt, aber das sind Entwicklun­gen, mit denen man sich beschäftig­en muss“, meint Landrat Leo Schrell. Der Holzheimer Thomas Wagner fragt sich, wer denn letztlich noch mitreden könne, wo die Reise hingeht. Dies ist auch für den Donau-Rieser IHK-Vizepräsid­enten Wolfgang Winter ein Thema. „Wollen wir das alles haben, wo bleibt die Ethik, und wer steuert die Entwicklun­g“, fragt sich Winter. Und Regens-Wagner-Provinzobe­rin Sr. Gerda Friedel gefällt zwar der mitreißend­e Vortrag Janzskys, nicht aber der Inhalt. „Der perfekte Mensch ist für mich eine gruselige Vorstellun­g“, sagt die Franziskan­erin.

„Natürlich ist das überspitzt, aber das sind Entwicklun­gen, mit denen man sich beschäftig­en muss.“

Landrat Leo Schrell

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Foto: Berthold Veh Optimistis­ch in die Zukunft blicken, das riet Zukunftsfo­rscher Sven Gabor Janszky seinen Hörern beim Herbstempf­ang der Nordschwäb­ischen Wirtschaft. Ein Beispiel für unbegründe­ten Pessimismu­s war für ihn die Einführung des Tonfilms, der von vielen als Bedrohung abgelehnt wurde.

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