Firmenchefin mit Herz und Holz
Unternehmen aus der Region Wie ihr Vater Hubert Fritz ist Dagmar Fritz-Kramer eine Vorkämpferin. In ihrer Firma Baufritz stehen die Mitarbeiter und ihre Familien im Mittelpunkt
Erkheim Eine große Holztür schwingt auf und eine blonde Frau im dunkelblauen Blazer und hellblauer Bluse tritt ein. „Servus“, ruft sie fröhlich. „Servus Dagi“, grüßt die Frau hinter dem Empfangstresen zurück. Beide plaudern kurz. Man könnte meinen, irgendeine Mitarbeiterin sei gerade angekommen. Ist aber nicht so. Es ist Dagmar Fritz-Kramer, Chefin des Bauunternehmens Baufritz. In den vergangenen Jahren hat sie mit ihrem Unternehmen so ziemlich jeden Preis gewonnen, den es in der Branche gibt. Zuletzt hat die Unternehmensberatung EY sie zur Unternehmerin des Jahres 2018 gekürt. FritzKramer ist Trägerin des Bayerischen Verdienstordens, hat den Mittelstandspreis gewonnen und ihr Unternehmen wurde mehrfach für seine Familienfreundlichkeit ausgezeichnet. Da stellt sich die Frage, was macht diese Frau?
Baufritz gibt es schon ziemlich lange – seit 122 Jahren sitzt das Unternehmen in Erkheim im Landkreis Unterallgäu. Fritz-Kramer leitet die Firma seit 2004. Sie hat sie von ihrem Vater übernommen, der sie von seinem Vater geerbt hatte, und auch der hatte sie von seinem Vater. Zu Beginn war der Betrieb eine normale Zimmerei, der etwa in den 1940er Jahren anfing, nicht nur Dachstühle zu bauen, sondern auch komplette Häuser aus Holz zu fertigen. Eines dieser ersten Baufritz-Häuser steht immer noch im Ort. Später baute die Firma Häuser im Blockhaus-Prinzip. Erst in den 80er Jahren begann Baufritz, umweltfreundliche Fertighäuser aus Holz zu produzieren. Dafür ist die Firma heute bekannt.
In der Produktion lässt sich besichtigen, was das bedeutet. In zwei Hallen stellen Mitarbeiter sämtliche Teile her, die später im Haus verbaut werden. Dächer und Decken, Innen- und Außenwände, samt Fenstern und Türen, Rollläden, Steckdosen und Kabelschächten. Die Wände hängen an Ketten von der Hallendecke, dazwischen laufen Mitarbeiter umher, bringen Putzgitter an, tragen erste Putzschichten auf und gucken auf Bauzeichnungen.
Pro Woche verlassen etwa fünf Häuser die Fertigung. Verpackt in weiße Folie werden sie auf Laster verladen. Ein Haus entspricht etwa fünf Ladungen. Sie kommen jeweils so an der Baustelle an, dass immer die passenden Teile zur richtigen Zeit eintreffen. „Wir bauen nichts vor Ort“, sagt Chefin Fritz-Kramer. „In der Halle können wir viel präziser arbeiten.“
Ohne Digitalisierung und Computer wäre das nicht möglich. Weil Baufritz zwar Fertighäuser baut, aber jeder Kunde sich sein Haus nach den eigenen Vorstellungen gestalten kann, sind die Bauteile Maßanfertigung. In den Produktionshallen gibt ein Computer den Mitarbeitern vor, welcher Arbeitsschritt als nächster folgt.
Einer der wichtigsten Rohstoffe im Baufritz-Haus: Holzspäne. Die Flocken stecken in jedem Dach, jeder Decke und jeder Wand. Sie dämmen und zeigen, was an dem Unternehmen so besonders ist: Eigentlich sind Späne ein Abfall-Produkt. Doch durch Zufall kam Dagmar Fritz-Kramers Vater, Hubert Fritz, darauf, dass sie sich auch zum Isolieren eignen. Bei einem Stammtisch-Treffen sprach er mit einem befreundeten Molkerei-Besitzer. Zusammen kamen sie auf die Idee, die Späne mit Soda und Molke zu imprägnieren. So fangen sie nicht an zu brennen und Schimmelpilze können sich nicht daran festsetzen. Seither hält die Firma das Patent auf diesen nachhaltigen Dämmstoff.
Auch die Idee zum ökologischen Bauen hat einen sehr persönlichen Hintergrund, erzählt Fritz-Kramer. In den 70er Jahren erkrankte ihre Mutter an Krebs. Ein Grund: die giftigen Baustoffe, die in dem Haus verbaut waren, in dem die Familie lebte. Vater Hubert Fritz entschloss sich, eine Alternative zu entwickeln. Ein Haus zu bauen, das frei von Giftstoffen ist. Das auskommt ohne Kleber und Schäume, ohne Dämpfe aus der Farbe. In den 70er Jahren war er damit ein ziemlicher Außenseiter. Heute profitiert das Unternehmen vom Trend zu nachhaltigen Produkten. Von der ökologischen Denkweise, die langsam in der Mitte der Gesellschaft ankommt. Damals gab es fast keine Produkte auf dem Markt. Also sagte Hubert Fritz sich: Dann machen wir es halt selber.
„Wir waren damals so richtige Ökos“, sagt Fritz-Kramer rückblickend. Sie hatten eine Komposttoilette, mit Wasser gefüllte schwarze Schläuche auf dem Dach als Solarthermie-Anlage und einen Klärteich im Garten. Für einen Teenager, wie sie es damals war, ein Albtraum. Heute ist es von Vorteil. Denn viele der Ideen haben bis heute Bestand.
Aber manches hat sich geändert, seit Fritz’ Tochter am Ruder ist. Die familienfreundliche Ausrichtung zum Beispiel. „Wenn ein Mitarbeiter früher an Sankt Martin zum Laternenumzug in den Kindergarten wollte, hat mein Papa gefragt: Muss man da hin?“, erzählt sie und lacht. Heute sei es selbstverständlich, dass Mitarbeiter solche Anlässe mit ihren Familien verbringen. Denn FritzKramer weiß, wie wichtig Familie ist. Sie hat selbst zwei Kinder, führt das Unternehmen in Teilzeit. Und sagt: „Ich kann nur jedem Unternehmen empfehlen, sich zu öffnen. Flexibel zu sein.“
Bei Baufritz heißt flexibel sein: Es gibt einen Betriebskindergarten und die 500 Beschäftigten arbeiten in 270 verschiedenen Arbeitszeitmodellen. „Für unseren Personalchef bedeutet das natürlich sehr viel Planungsaufwand. Aber für die Mitarbeiter ist es wichtig zu sehen, dass Familie auch im Betrieb stattfinden darf“, sagt Fritz-Kramer.
Und es hat Auswirkungen: Im Unternehmen arbeiten 30 Prozent Frauen – eine gute Quote für ein Bauunternehmen, findet die Chefin. „Im Endeffekt sind es etwa acht Jahre, dann sind die Kinder aus dem Gröbsten raus. Als Unternehmen müssen wir schauen, wie wir Familien in dieser Zeit unterstützen“, glaubt sie.
Und die Familienfreundlichkeit hat noch einen anderen positiven Nebeneffekt: „Wir sind hier auf dem platten Land, umgeben von lauter tollen Arbeitgebern. Mit unserem Modell stechen wir positiv hervor.“