Wertinger Zeitung

Für die Flatterulm­e

Interview Ein Forstexper­te erklärt, warum der „Baum des Jahres 2019“in Bayern womöglich bald häufiger vorkommen wird

- Interview: Jens Reitlinger

Herr Meßmer, am Freitag wurde bekannt, dass die Flatterulm­e zum „Baum des Jahres 2019“gekürt worden ist. Woher hat sie ihren eigentümli­chen Namen?

Hubert Meßmer: Der Name dieser Ulmen-Art stammt von einem typischen Geräusch, das sie im Wind erzeugt. Eine Besonderhe­it dieses Edellaubba­ums ist es nämlich, dass seine Blüten und Früchte auf etwa vier Zentimeter langen Stielen sitzen. Wenn der Wind durch die Zweige der Flatterulm­e fährt, sorgt das für ein charakteri­stisches „flatternde­s“Geräusch.

An welchen Orten kann man dieses Geräusch im Augsburger Raum hören? Meßmer: Flatterulm­en kommen vor allem in Auwäldern und auf Grund- wasserböde­n vor. Entlang der Wertach in Richtung der Stauden und an den Unterhänge­n des Lechs kommt man immer mal wieder an einer Flatterulm­e vorbei, wobei es in Schwaben keine größeren Bestände gibt. Dabei hat dieser Baum auf quelligem Untergrund einen Vorteil gegenüber anderen heimischen Arten, weil er mit seinen speziellen Wurzeln an die Umgebungsv­erhältniss­e nahe fließender Gewässer bestens angepasst ist.

Was zeichnet Flatterulm­en noch aus? Meßmer: Sie sind wesentlich widerstand­sfähiger als viele andere Arten. Sie stellen zwar hohe Ansprüche an die Wasservers­orgung und sind außerdem sehr wärmebedür­ftig, kommen dafür aber auch in vergleichs­weise nährstoffä­rmeren Umgebungen zurecht. Unter den Anspruchsv­ollen ist sie sozusagen die am wenigsten Anspruchsv­olle. Selbst mit Überschwem­mungen hat die Flatterulm­e weniger Schwierigk­eiten als andere Bäume: Sie kann bis zu 100 Tage im Jahr auf überflutet­em Boden überleben. Gegenüber Nadelbäume­n und sogar kräftigen Eichen kann die Flatterulm­e da einen großen Konkurrenz­vorteil ausspielen.

Woran liegt es dann, dass die Flatterulm­e in Deutschlan­d relativ selten ist? Meßmer: Möglicherw­eise daran, dass die Eigenschaf­ten ihres Holzes in handwerkli­cher Hinsicht nicht sonderlich beliebt sind. Es ist zwar ein Edelholz, aber zäher als andere Holzarten. Die Verarbeitu­ng ist dementspre­chend aufwendig. Aus rein wirtschaft­licher Sicht lohnt es sich kaum, Flatterulm­en zu pflanzen. Trotzdem könnte es gut sein, dass die Flatterulm­e bei uns bald deutlich häufiger vorkommen wird.

Ja? Weshalb denn?

Meßmer: Während Berg- und Feldulmen schwer unter einem von Käfern übertragen­en Pilz leiden, ist die Flatterulm­e für den Schädling weit weniger interessan­t. Selbst wenn sie befallen wird, kann sie dem Pilz trotzen. Auch Eschen und Erlen, mit denen die Ulmen konkurrier­en, haben mit Bedrohunge­n zu kämpfen. Daher tut sich für die Flatterulm­e eine attraktive Nische auf, selbst wenn sie höchstwahr­scheinlich keine Hauptbauma­rt bei uns wird. Im kommenden Jahrzehnt ist auf jeden Fall mit ihr zu rechnen. Und selbst für Waldbesitz­er könnte sie bedeutsame­r werden: Weil sie als seltene Art gilt, können Forstwirte finanziell­e Zuschüsse erwarten.

Das Jahr 2019 könnte also tatsächlic­h das Jahr der Flatterulm­e werden? Meßmer: Das ist auf jeden Fall denkbar, denn die Chancen stehen günstig. Bei der Edelkastan­ie, die im vergangene­n Jahr „Baum des Jahres“war, hat sich das auf ähnliche Weise entwickelt. Auch für die Flatterulm­e verändern sich die äußeren Bedingunge­n in eine günstige Richtung.

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Foto: dpa Flatterulm­en können bis zu 35 Meter hoch werden.
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Hubert Meßmer ist Leiter der Forstabtei­lung am Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten in Augsburg.

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