Wenn Unternehmen die Persönlichkeit testen
Stellensuche Manche Firmen wünschen sich von Bewerbern, dass sie Fragen zu ihrem Charakter beantworten. So wollen sie herausfinden, ob Kandidat und Stelle zusammenpassen. Welche Tests es gibt und wie Sie damit umgehen
Bonn/Bochum Die Bewerbung hat offenbar Interesse geweckt: Am Telefon ist der neue Arbeitgeber und erkundigt sich zu Lebenslauf und Anschreiben. Das erhoffte Vorstellungsgespräch ist zum Greifen nah. Dann heißt es: „Wir würden mit Ihnen gern einen Test machen, bevor wir uns persönlich kennenlernen.“
Gemeint sind Verfahren, von denen sich Unternehmen erhoffen, mehr über den Kandidaten zu erfahren. Ziel ist, einschätzen zu können, wie der Bewerber tickt. „Sobald es um Führungsaufgaben, eine Teamoder Abteilungsleitung geht, werden solche Tests verwendet“, sagt Wolfram Tröger, Vorsitzender des Fachverbandes Personalberatung. „Je mehr Führungsverantwortung jemand erhalten soll, desto wahrscheinlicher ist es, dass man einen Test macht“, sagt Thomas Belker, Vizepräsident des Bundesverbandes der Personalmanager.
Mal müssen die Job-Anwärter Online-Fragebögen zu Verhaltensweisen und Gewohnheiten im Berufsleben beantworten, mal ihre Zuoder Abneigung zu geometrischen Formen übermitteln. Und neuerdings lassen manche Unternehmen sie auch mit einem Computer telefonieren, der Eigenheiten des Sprachverhaltens misst und mit anderen Kandidaten abgleicht.
Besonders häufig im Einsatz bei der Personalauswahl ist der sogenannte Myers-Briggs-Typen-Indikator (MBTI). Der MBTI teilt Menschen in 16 Persönlichkeitstypen ein. Diese beruhen auf unterschiedlichen Ausprägungen der vier Kategorien Sensitivität, Intuition, Fühlen und Denken. 43 Prozent der Unternehmen nutzten einer Umfrage zufolge den MBTI. Dicht dahinter kommt das in den 20er Jahren entwickelte DISG-Modell, das vier Persönlichkeitstypen benennt, denen jeweils eine bestimmte Farbe zugeordnet ist. Rot beispielsweise steht für den dominanten Typ.
Über beide Methoden fällt der Wirtschaftspsychologe Rüdiger Hossiep ein vernichtendes Urteil: „Solche Kategorisierungen halte ich für abenteuerlich“, sagt der Leiter des Projektteams Testentwicklung an der Uni Bochum. „Das sind keine psychometrischen, wissenschaftsbasierten Verfahren.“Auch die Sprachsoftware sei ein „völliges Unding“. Ein ordentliches Testverfahren müsse der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden. Heißt: Theoretische Grundlagen, Anwendungsbeschreibung und Kennwerte sind öffentlich zugänglich, transparent und genau nachvollziehbar.
Das gilt etwa für den Persönlichkeitstest, den Hossiep entwickelt hat und erfolgreich vermarktet: das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP). Es enthält 210 Aussagen zu persönlichen Verhaltensweisen und Gewohnheiten. Alle beziehen sich auf das Berufsleben und sind vom Kandidaten anhand einer sechsfach abgestuften Skala möglichst spontan zu bewerten. Der Studie von 2015 zufolge ist das BIP der nach MBTI und DISG der am dritthäufigsten eingesetzte Test.
Wie aber gehen Bewerber mit den Tests um? „Seien Sie ganz Sie selbst“, rät Hossiep. Und Personalberater Tröger sagt: „Ich würde jedem empfehlen, sich ganz normal und ohne Druck hineinzubegeben.“Es gehe nicht ums Bestehen, sondern um das Erkennen von Kompetenzen und Fähigkeiten für den Job. „Ansonsten erziele ich vielleicht ein Ergebnis, das nicht zu mir passt, und ich lande dann in einem Job, der zu mir nicht passt.“
Für Hossiep verrät der Test auch den Kandidaten etwas: „Ich kann mir ein Bild machen davon, wie qualifiziert das Unternehmen damit umgeht.“Bewerber sollten sich fragen: Was will das Unternehmen von mir? Will ich da wirklich arbeiten? Und sich dann im Test „einen Tacken besser darstellen“. „Das würden Sie auch in einem Gespräch machen oder beim Zusammenstellen der Unterlagen“, sagt er. Keiner der drei Fachleute gesteht den Tests zu, alleiniges Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen einen Bewerber zu sein. Und alle drei raten dringend dazu, sich im Nachgang immer das Testergebnis von einem Experten erläutern zu lassen.