Gesichter der Zeit
WILHELM II. (1859–1941)
Mit seinem sogenannten Blankoscheck vom Juli 1914, einer Erklärung der Bündnistreue, ermuntert der deutsche Kaiser das verbündete Österreich-Ungarn zum Angriff auf Serbien. Zugleich versucht er im Briefwechsel mit dem russischen Zaren, den Frieden zu retten. Der nominell oberste Kriegsherr überlässt später das Geschehen immer mehr dem Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg und der Obersten Heeresleitung um Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff.
FRANZ JOSEPH I. (1830–1916)
Im hohen Alter von 83 Jahren entscheidet sich der Kaiser des Vielvölkerstaats Österreich-Ungarn zum Krieg gegen Serbien. Einen Weltkrieg will er wohl nicht. Er müsse nach dem Mord am Habsburger Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo der „Zertrümmerung meines Reiches“begegnen, schreibt er an Wilhelm II. Bis zum Tod bestimmt der traditionsbewusste Monarch die Politik.
NIKOLAUS II. (1868–1918)
Der russische Zar bietet Wilhelm II. noch Ende Juli 1914 an, mäßigend auf Wien einzuwirken. Gleich danach gibt er den Befehl zur Mobilmachung. 1915 übernimmt er den Oberbefehl über sein mangelhaft ausgerüstetes Heer, kann aber katastrophale Niederlagen nicht verhindern. 1917 muss der letzte Romanow abdanken, 1918 wird er ermordet. Da hatte der bolschewistische Revolutionär Wladimir Iljitsch Lenin schon den Krieg mit Deutschland beendet.
WOODROW WILSON (1856–1924)
Der US-Präsident rechtfertigt 1917 den Kriegseintritt seines Landes als „Kreuzzug für die Demokratie“. Vor deutschen U-Boot-Angriffen auch auf US-Handelsschiffe hatte er auf „bewaffnete Neutralität“gesetzt. Den Oberbefehl über die US-Truppen in Europa übernimmt General John Pershing. Wilsons 14-Punkte-Programm für den Weltfrieden, in dem er unter anderem die Gründung des Völkerbundes anregt, scheitert an den Verbündeten und am US-Parlament.
RAYMOND POINCARÉ (1860–1934)
Der französische Präsident verbündet sich mit dem russischen Zaren gegen Deutschland und Österreich. Zu Kriegsbeginn konzentrieren sich die Angriffe seiner Truppen auf Elsass-Lothringen, das die Deutschen 1871 annektiert hatten. Im Friedensvertrag von Versailles setzt Poincaré die Rückgabe dieses Gebietes und hohe deutsche Reparationen durch.
GEORGE V. (1865–1936)
Der britische König sendet seinem Cousin Wilhelm II. Anfang August 1914 die Kriegserklärung. Der nominelle Oberbefehlshaber greift nicht ins Geschehen ein, macht aber viele Frontbesuche. Sein Feldmarschall John French stoppt den deutschen Vormarsch in der Marneschlacht. Die Niederlagen an der Somme und den türkischen Dardanellen werden der Regierung angekreidet.
FRIEDRICHEBERT (1871–1925)
Während der Novemberrevolution überträgt Reichskanzler Prinz Max von Baden sein Amt dem Vorsitzenden der stärksten Partei im Reichstag. Der SPD-Politiker lässt mehrere Aufstände von Sozialisten mit Waffengewalt niederschlagen, geht aber auch gegen Putschversuche von rechts vor. Ebert wird später der erste Reichspräsident der Weimarer Republik.
KARL LIEBKNECHT (1871–1919)
Die SPD schließt den Marxisten wegen seiner radikalen Kritik 1916 aus. Er wird Mitbegründer des Spartakusbundes und der kommunistischen Partei KPD. Sein Ziel: eine Republik, in der vom Volk gewählte Räte die Macht ausüben. Bei den Januar-Unruhen 1919 ruft er zum weiteren „Kampf des revolutionären Proletariats“auf. Er wird von Offizieren drei Wochen vor Ende des Ersten Weltkrieges verschleppt und am 15. Januar 1919 erschossen. Sein Leichnam wird wie der seiner Gefährtin Rosa Luxemburg in den Landwehrkanal geworfen.
ROSA LUXEMBURG (1871–1919)
Gemeinsam mit Karl Liebknecht und anderen verfolgt sie vehement den sozialistischen Umsturz. Rosa Luxemburg ist ebenfalls zunächst Mitglied der SPD, dann der KPD. Als Mitglied des Spartakusbundes ist sie ein Feindbild der neuen Weimarer Regierung. Gemeinsam mit Liebknecht wird sie verschleppt. Während sie auf ihre Erschießung (siehe oben bei Liebknecht) wartet, soll sie ihren Rocksaum geflickt und Goethes „Faust“gelesen haben.
KURT EISNER (1867–1919)
Der aus Berlin stammende, jüdischstämmige Sozialist und Schriftsteller ist der erste Ministerpräsident des Freistaats Bayern, dessen Gründung er selbst am 7. November 1918 auch ausruft. Eisner ist einer der Protagonisten der USPD in Bayern, scheitert aber bei der ersten Landtagswahl kläglich und wird, kurz bevor er seinen Rücktritt bekannt geben will, von dem völkisch-nationalistischen, antisemitischen Grafen Anton von Arco auf Valley, auf offener Straße in München erschossen. (dpa, AZ)