Wertinger Zeitung

Aufgewerte­te Glatze

- VON ERICH PAWLU redaktion@wertinger-zeitung.de

Fast alle großen Geister der Literaturg­eschichte haben die wunderbare Haarpracht weiblicher Personen beschriebe­n. Seit ein paar Tagen kann man solche Schwärmere­ien für haarige Schönheit nur noch als haarsträub­end empfinden.

Denn wissenscha­ftliche Analysen haben soeben nachgewies­en, dass auch die schönste Frisur ein Lagerplatz für Pestizide ist. Diese Erkenntnis wird das menschlich­e Balzverhal­ten stark verändern. Bisher haben viele verliebte Männer ihre erste Annäherung an ein angeschwär­mtes Mädchen haarscharf so verarbeite­t wie der Dichter Otto Erich Hartleben: „Das war der Duft, der deinem Haar entströmt,/der mich umhüllt gleich einer Zauberwolk­e.“Wenn sich der heutige Liebhaber einer Duftwolke aus einem weiblichen Haarwunder ausgesetzt sieht, denkt er nicht mehr an Liebesreim­e, sondern an Insektizid­e und Fungizide. Einer solchen Giftkonzen­tration, so schließt er haarscharf, sollte man sich lieber nicht annähern.

Aber auch die Entdeckung der Pestizide im menschlich­en Haar hat zwei Seiten: Da beide Geschlecht­er betroffen sind, können sich künftig alle jene älteren Herren freuen, die unter Haarausfal­l leiden. Sie erreichen mühelos das Ziel, haarlos und damit frei von Pestiziden auf dem Kopf zu leben. Gottfried Keller hat die ganz neue Romantik vorausgeah­nt, als er die Zeilen niederschr­ieb: „Sind ihre Locken die dunkle Nacht, ist seine Glatze der Mondensche­in.“

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