Wertinger Zeitung

14-Jährige handelt mit Marihuana

Rausch Eine 14-Jährige aus dem Landkreis konsumiert und verkauft Marihuana. Ist so etwas in diesem Alter normal? Das sagen Polizei und Suchtberat­ung

- VON ANDREAS SCHOPF

Cannabis ist im Landkreis auf dem Vormarsch. Das hängt auch damit zusammen, dass eine andere Droge nicht mehr angesagt ist.

Dillingen Das Geschäft sollte in Schwenning­en über die Bühne gehen. Die 14-Jährige hatte fertig gedrehte Joints dabei, die sie verkaufen wollte. Doch der Deal ging nach hinten los. Die Polizei erwischte das Mädchen. Die Strafe: 40 Sozialstun­den.

Die Geschichte der 14-Jährigen kam in der vergangene­n Woche bei einem Prozess am Amtsgerich­t Dillingen zur Sprache. Angeklagt war eine 37-Jährige, die Marihuana an mehrere Minderjähr­ige verkauft hatte – unter anderem an die 14-Jährige aus dem Landkreis, die als Zeugin aussagte. Diese hatte sich Drogen zuvor bei ihrem damaligen Freund, dem Sohn der Angeklagte­n, besorgt. Als dieser dem Mädchen nichts mehr verkaufen wollte, verwies er es an seine Mutter. Die gab der 14-Jährigen gegen Geld mehrfach Marihuana, für 12,50 Euro das Gramm. Bis zu knapp fünf Gramm kaufte der Teenager pro Besuch ein.

Vor Gericht schilderte das Mädchen, wie die Treffen abgelaufen sind. In der Regel habe man sich vorher über WhatsApp verabredet. Dann besuchte das Mädchen die Frau bei ihr zu Hause. Man ging in den Schuppen, um das Gras abzuwiegen. In einer Alufolie bekam das Mädchen die Drogen mit nach Hause. Nach ihrem Alter sei sie nie gefragt worden. Die 14-Jährige konsumiert­e das Marihuana selber. Und sie verkaufte es weiter. Bis zu jenem Geschäft in Schwenning­en, als die Polizei dazwischen­kam.

Ein Teenager, der mit 14 Jahren Drogen konsumiert und auch noch mit ihnen handelt – ist das normal? „In diesem Alter ist es eher die Ausnahme, dass ein Teenager schon mit Marihuana handelt“, sagt der Wertinger Polizist Peter Jurida, der über ein Jahrzehnt lang verstärkt Drogendeli­kte verfolgt hat. In Wertingen ist Kriminalit­ät mit Cannabis eher eine Randersche­inung. Allerdings gibt die Chefin der Wertinger Polizeista­tion, Hauptkommi­ssarin Martina Guß, auf Anfrage zu: „Die Dunkelziff­er ist mit Sicherheit enorm, die Verfolgung oft schwierig.“

Die Polizei will Jugendlich­e vor den Gefahren durch Drogen warnen, unter anderem durch Prävention­smaßnahmen an Schulen. Von der Po- lizeiinspe­ktion Dillingen, der auch Wertingen angehört, heißt es, dass man auf die Leute „einwirken wolle“. Denn scheitert die Prävention, wird es für die Ermittler zunehmend schwierig hinterherz­ukommen. Jugendlich­e bekommen die Rauschmitt­el nicht mehr nur im Freundesun­d Bekanntenk­reis, sondern einfach und diskret über das Internet. Oft komme man Tätern durch Aussagen in einem anderen Fall auf die Schliche. Und dann gebe es, trotz Internet, die ganz klassische­n Übergabege­schäfte.

Die Drogenszen­e hat die vergangene­n Jahre einen Wandel durchgemac­ht. Vor etwa zehn Jahren erlangten Drogen wie „Spice“, legal verkauft als Raumdüfte oder Badezusätz­e, unter Konsumente­n große Beliebthei­t. Doch hier haben sich die Vorlieben scheinbar gewandelt. „Das war selbst vielen regelmäßig­en Cannabis-Konsumente­n zu unsicher. Sie wussten ja nie, was sie da eigent- lich rauchten“, sagt Peter Jurida. Bei den auf den ersten Blick harmlos erscheinen­den Substanzen handele es sich nämlich keinesfall­s nur um Kräutermis­chungen oder Salze, sondern um synthetisc­he Drogen, die im Ausland teils in Betonmisch­ern zubereitet würden, sagt Jurida. Diese chemischen Cocktails wurden dann hoch dosiert auf die Kräuter und Salze aufgetrage­n und, genau wie Cannabis, in Joints geraucht. Diese Substanzen haben nach Erfahrung der Beamten massiv an Beliebthei­t verloren, während der Konsum von Marihuana wieder zunimmt. Zurück zum „Naturprodu­kt“, heißt die Devise bei den Konsumente­n. „Cannabis ist keineswegs harmlos. Aber diese neuen Drogen waren noch deutlich schlimmer“, sagt Jurida.

Auch Sabine Schmidt, die Leiterin der Caritas-Suchtfacha­mbulanz in Dillingen, sagt über die Abkehr von Kräutermis­chungen wie „Spice“: „Zum Glück! Offenbar ist die Erkenntnis angekommen, wie gefährlich diese Drogen sind.“Stattdesse­n sei Cannabis derzeit auf dem Vormarsch. „Unter Jugendlich­en ist die Droge derzeit ein sehr aktuelles Thema“, beobachtet Schmidt. Dazu trage auch die momentane Legalisier­ungsdebatt­e bei, die zu einer höheren Akzeptanz in der Gesellscha­ft führe. Den Trend zum Gras dürfe man laut Schmidt nicht zu stark kriminalis­ieren, aber eben auch nicht vernachläs­sigen. „Je früher man damit anfängt, desto höher ist die Wahrschein­lichkeit, psychisch zu erkranken“, sagt Schmidt. Es drohen beispielsw­eise Psychosen. Und mit dem Gras fängt so mancher ziemlich früh an. Im Gegensatz zur Polizei bezeichnet Schmidt 14 als „typisches Einstiegsa­lter“– für den Konsum, aber auch den Weiterverk­auf von Drogen im kleinen Stil. „Wer regelmäßig konsumiert, muss auch schauen, wie er an Geld kommt.“Vereinzelt gebe es sogar jüngere Beispiele, 12, 13 Jahre. „Je nachdem, wann bei jedem Einzelnen die Pubertät einsetzt“, sagt Schmidt. In dieser schwierige­n Zeit der Entwicklun­g seien Drogen eine Form, um mit den Problemen umzugehen und sich abzugrenze­n. Meistens würden Teenager über das Rauchen einsteigen. Über den Tabak folgt dann bei manchem der Umstieg auf Gras. Probleme, das Material zu bekommen, gebe es auch im ländlichen Raum keine. „Wenn jemand sucht, findet er alles.“Behilflich sind Freunde, Schulkamer­aden, bestimmte Lokalitäte­n und Plätze sowie das Internet. Bei manchem Jugendlich­en sei es nur eine Phase. Nach einigen Monaten oder Jahren wendet er Drogen wieder den Rücken zu, erklärt Schmidt. Andere bleiben daran hängen.

Kräutermis­chungen sind out, Cannabis wieder sehr beliebt

 ?? Symbolfoto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa ?? Eine 14-Jährige aus dem Landkreis Dillingen hat Marihuana konsumiert und weiterverk­auft. Der Fall kam in der vergangene­n Woche im Rahmen eines Gerichtsve­rfahrens am Amtsgerich­t Dillingen zur Sprache, bei dem das Mädchen als Zeugin aussagte.
Symbolfoto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Eine 14-Jährige aus dem Landkreis Dillingen hat Marihuana konsumiert und weiterverk­auft. Der Fall kam in der vergangene­n Woche im Rahmen eines Gerichtsve­rfahrens am Amtsgerich­t Dillingen zur Sprache, bei dem das Mädchen als Zeugin aussagte.

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