Wertinger Zeitung

So soll der Brexit für beide Seiten funktionie­ren

Großbritan­nien II Brüssel und London haben sich auf Grundsätze ihrer künftigen Beziehung geeinigt. Wichtige Details fehlen aber noch

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Zusammense­tzen, abstimmen und wieder nach Hause fliegen – EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk hat sich bei der Vorbereitu­ng des Brexit-Sondergipf­els von großem Optimismus leiten lassen. Nur gut zwei Stunden soll das außerorden­tliche Treffen der 27 Staats- und Regierungs­chefs am kommenden Sonntag in Brüssel dauern: eine Stunde mit der britischen Premiermin­isterin Theresa May und eine Stunde ohne sie.

Das könnte sogar klappen, denn am Donnerstag ist den Unterhändl­ern ein wichtiger Schritt gelungen, der sogar May am Nachmittag veranlasst­e, von einem „richtigen Deal für das Vereinigte Königreich“zu schwärmen: „Er bringt uns die Kontrolle über unsere Grenzen, über unser Geld und unsere Gesetze wieder.“

Vorausgega­ngen war eine Einigung „im Prinzip“, so Tusk, auf die Grundsätze jener politische­n Erklärung, über die am Sonntag abgestimmt werden soll. Sie ist – neben dem bereits veröffentl­ichten formellen Austrittsv­ertrag – das wichtigste Dokument für den Brexit. Schließlic­h enthält sie die Leitlinien, die nach dem Austritt des Vereinigte­n Königreich­es aus der Union am 29. März 2019 in eine Art Grundlagen­vertrag einfließen sollen. Man wolle eine „ehrgeizige“und „tiefe“wirtschaft­liche und politische Partnersch­aft, heißt es da. Im ökonomisch­en Bereich solle ein „Freihandel­sgebiet geschaffen werden“– ohne Zölle, Abgaben und mengenmäßi­ge Beschränku­ngen. Man wolle den Unternehme­n eine Fortsetzun­g ihrer Geschäftst­ätigkeiten möglichst leicht machen.

Außerdem erklärten sich Brüssel und London bereit, die zunächst bis Ende 2020 befristete Übergangsp­eriode, in der die Insel noch in einer Zollunion mit der Gemeinscha­ft verbleibt und sich deshalb wenig ändert, gegebenenf­alls bis Ende 2022 zu verlängern. Das wäre, so wurde bei der EU betont, „ein großer Schritt auf Großbritan­nien zu“, weil man damit vielleicht den ungeliebte­n „Backstop“verhindern könnte, also eine langfristi­ge Verlängeru­ng der Zollunion. Dieses Instrument war erdacht worden, um eine harte Grenze zwischen Nordirland und dem Königreich zu verhindern.

Dennoch sind auf dem Weg zum Gipfel noch nicht alle Stolperste­ine ausgeräumt. Frankreich und offenbar einige andere Staaten wollen noch Korrekture­n bei den Fischereir­echten in der Irischen See durchsetze­n. Der derzeit schärfste Widerstand aber kommt bisher aus Spanien. Madrid wehrt sich dagegen, dass der künftige Status der britischen Enklave Gibraltar im Rahmen des Austrittsv­ertrags (also durch die EU) geregelt wird. „Künftige Verhandlun­gen über Gibraltar sind getrennte Verhandlun­gen“, bekräftigt­e Außenminis­ter Josep Borrell in dieser Woche.

Der Südzipfel der Iberischen Halbinsel gehört seit 1713 zu Großbritan­nien. Bei zwei Volksabsti­mmungen votierten die Bewohner Gibraltars für die Zugehörigk­eit zu London. Der spanische Ministerpr­äsident Pedro Sánchez, der im kommenden Jahr vor Regionalwa­hlen steht und sich deshalb Zugeständn­isse nicht leisten kann, wittert in einer EU-Regelung den Versuch, spanische Hoheitsans­prüche ein für alle Mal zu verlieren.

Allerdings könnte auch in dieser Frage eine Lösung nun greifbar nahe sein. Premiermin­isterin May sagte gestern Nachmittag, sie habe mit Sánchez telefonier­t und sie sei sich „sicher, dass es am Sonntag einen Deal für die ganze britische Familie geben wird – einschließ­lich Gibraltar“.

Was nun noch offen ist, soll bis Sonntagvor­mittag geklärt werden. Theresa May reist zu diesem Zweck bereits am Samstag nach Brüssel.

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