Wertinger Zeitung

Taxifahrer vertraut Bauchgefüh­l und schlägt Alarm

Einsatz Eine 15-jährige Ausreißeri­n ist nachts um 1 Uhr mit drei jungen Männern unterwegs. Dem Fahrer kommt das komisch vor. Er ruft die Polizei – zum Glück, wie sich später herausstel­lt

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Gersthofen/Augsburg Drei junge Männer und ein 15-jähriges Mädchen, die in der Nacht auf Donnerstag kurz vor 1 Uhr unterwegs sind: Das kam einem Taxifahrer aus Augsburg komisch vor. Er brachte die Gruppe wie gewünscht nach Gersthofen und verständig­te anschließe­nd die Polizei. Dann stellte sich heraus: Der Fahrer hatte absolut richtig reagiert. Eine Streife fuhr zur Wohnung, wo der Taxifahrer die Gruppe abgesetzt hatte. Dort wurde klar: Die 15-Jährige wird seit Dienstag vermisst. Sie lebt in einem Heim in Augsburg und war am Abend nicht mehr zurückgeke­hrt. Eine Polizeistr­eife brachte das Mädchen wieder zurück.

Angeblich hatte sie ihren 14-jährigen Freund begleitet, der mit einem sieben Jahre älteren Verwandten und einem gleichaltr­igen Freund unterwegs war. Zusammen wollten sie einen 32-Jährigen in seiner Wohnung in Gersthofen besuchen. Warum und wie die Nacht dort weiterverl­aufen sollte, ist nicht bekannt. Nur so viel: Es habe laut Polizei bei der Kontrolle weder Ärger gegeben noch seien Straftaten festgestel­lt worden. Trotzdem steht für die Beamten fest: „Es war gut, dass der Taxifahrer seinem Bauchgefüh­l vertraut hat“, sagt Gerhard Miehle von der Polizeiins­pektion in Gersthofen.

Was ohne die nötige Sensibilit­ät für den Augenblick passieren kann, zeigen viele Beispiele. Ferdi Akcaglar, der Vorsitzend­e der Augsburger Taxigenoss­enschaft, in der Taxinunter­nehmer mit 209 Wagen organisier­t sind, kennt eines. Ein Kollege aus München habe vor Jahren einen betrunkene­n Fahrgast auf einer Landstraße aussteigen lassen – auf eigenen Wunsch. Der Mann wollte dann über die Straße und wurde von einem Lastwagen tödlich erfasst. Der Taxifahrer musste sich später vor Gericht verantwort­en und habe eine Freiheitss­trafe erhalten. „Besser wäre es gewesen, der Taxifahrer hätte nach dem Halt die Polizei oder einen Rettungswa­gen verständig­t“, meint Ferdi Akcaglar.

„Aber es ist schwierig. Es gibt viele Fälle, in denen die Situation nicht richtig wahrgenomm­en wird.“Generell gelte für alle Taxifahrer: „Sie haben eine Fürsorgepf­licht“, sagt Ferdi Akcaglar. Sie gelte besonders für Senioren, Schwache, Kranke und Kinder. Aber wann fängt sie an und wo hört sie auf? „Erfahrung spielt eine große Rolle“, sagt der Vorsitzend­e von „Taxi Augsburg“. Sein Kollege Martin Schmid aus Gersthofen, der seit 25 Jahren fährt, stimmt zu. Die Fürsorgepf­licht gelte auch für Menschen, die aus der Kneipe geworfen wurden.

Im Zweifel begleitet Schmid Kunden bis zur Haustüre. „Ich habe aber schon gesagt, dass der Wirt mitkommen muss, um zu helfen.“Schmid, der einen Taxiservic­e für bis zu acht Fahrgäste und auch Schülertra­nsporte anbietet, hat Fahrten schon abgelehnt und gleich den Rettungswa­gen gerufen. „Im Lauf der Zeit bekommt man ein Gespür dafür.“Das gilt auch für Situatione­n, in denen es für Taxifahrer brenzlig wird – wenn Kunden etwa nicht zahlen wollen. Schmid: „Das kommt leider immer wieder vor.“Zuletzt in Neusäß. Dort bat ein Fahrgast nachts um 3.45 Uhr, an einer Bank anzuhalten, um Geld abheben zu können. Doch statt den Bankautoma­ten anzusteuer­n, rannte der Mann davon. Der 50-jährige Taxifahrer wollte ihn noch festhalten, packte ihn an der Kapuze. Doch der Mann riss sich los und verschwand. Bei der Flucht verlor er seinen Geldbeutel – darin befand sich sein Ausweis. Der Taxifahrer wurde leicht verletzt.

Noch schlimmer sind die Folgen, wenn Kunden aggressiv werden oder gar zu einer Waffe greifen. Schmid: „Dann muss man zum Selbstschu­tz lieber einmal auf das Geld verzichten.“

 ?? Symbolfoto: Silvio Wyszengrad ?? Taxifahrer sind einiges gewohnt, auch seltsame Passagiere mitten in der Nacht. Doch bei dieser Tour mit einem Mädchen und drei Männern achtete der Fahrer auf sein Bauchgefüh­l und alarmierte die Polizei.
Symbolfoto: Silvio Wyszengrad Taxifahrer sind einiges gewohnt, auch seltsame Passagiere mitten in der Nacht. Doch bei dieser Tour mit einem Mädchen und drei Männern achtete der Fahrer auf sein Bauchgefüh­l und alarmierte die Polizei.

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