Wertinger Zeitung

Das beliebte Gasthaus „Zum Milo“schließt

Gastronomi­e Ein Traum aus dem ehemaligen Jugoslawie­n geht in Unterthürh­eim zu Ende. Das Gasthaus „Zum Milo“schließt. Es war ein beliebter Dorftreffp­unkt

- VON HERTHA STAUCH

Unterthürh­eim Träume der Siebziger und Achtziger Jahre gehen dieses Wochenende in Unterthürh­eim zu Ende. „Milo“schließt sein Wirtshaus und verabschie­det sich von seinen Gästen, die ihm und seiner Frau in langen Jahren ans Herz gewachsen sind. Im „Gasthaus Zum Milo“scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, es hat lange bewahrt, was vor 30 und 40 Jahren Schlager war: Balkan-Romantik pur.

Eine rustikale Buchenholz­theke und ein kapitaler Stammtisch erinnern an die Zeit, in der Riesentell­er voller Grillspezi­alitäten, BalkanPlat­ten, Cevapcici und gefüllte Paprika aufgetisch­t wurden, als Beilage rohe Zwiebeln und Reis. Die Zigeuner-Schnitzel in den BalkanRest­aurants ragten über den Tellerrand, darüber ein Berg von Pommes und ein roter Strahl von Ketchup. Dafür waren sie bekannt und beliebt und damit gewannen auch Vida und Durad Milojevic ihre Gäste und Freunde aus der ganzen Umgebung.

Vidas Küchenküns­te, die regional vom Balkan bis nach Schwaben reichen, sprachen sich in Unterthürh­eim schnell herum, als die aus dem ehemaligen Jugoslawie­n übersiedel­te Familie hier ihr eigenes Lokal eröffnete. Vida kocht so, wie es die Schwaben wollen, viel und gut und rustikal, alles frisch und selbst ge- macht, auch die Soße zu den Spätzle oder zum Fleisch. Und auch die Kässpätzle der Slowenieri­n sind ein Renner.

Ab Montag bleibt die Küche kalt, Vida und Durad Milojevic, die bereits im Rentenalte­r sind, müssen ihre Gastwirtsc­haft aus gesundheit­lichen Gründen schließen. Durad – „Milo“wie er im Zusamtal genannt wird – ist den Tränen nahe. Ein ganzes Leben stand er hinter dem Tresen, begrüßte jeden Gast persönlich, sorgte dafür, dass jeder einen Platz bekam, auch wenn der Gastraum – wie immer – voll belegt war. Werbung war nicht notwendig, erzählt er: „Die Leute rannten uns das Haus ein.“

Das Ehepaar Milojevic hat ein entbehrung­sreiches Leben voller Arbeit hinter sich. Als junge Familie mit einem Sohn – Durad stammt aus Bosnien, Vida aus Slowenien – verließen die Milojevics 1973 Jugoslawie­n, in dem die Balkanstaa­ten damals vereint waren. Wie viele Jugoslawen wollten sie die Vorzüge ihrer als Urlaubslan­d beliebten Heimat in Deutschlan­d zur Lebensgrun­dlage ma- chen. Milo hatte eigentlich das Spenglerha­ndwerk gelernt und arbeitete zunächst als solcher in Wertinger Schlossere­ien, später bei Metallbau Kraus. Vida verdingte sich als Köchin im „Augsburger Hof“in Wertingen, wo die Familie auch wohnte. Jahrelang unterstütz­te sie dort die Familie Plavcak, bis sie sich zusammen mit ihrem Mann entschloss, eine eigene Gastronomi­e zu eröffnen. Zwei weitere Söhne wurden geboren, dennoch scheuten Vida und Durad die Arbeit nicht. Sie pachteten zunächst die Gastronomi­e im Schützenhe­im Pfaffenhof­en, wo sich schnell reger Betrieb entwickelt­e. 60 bis 70 Gäste bewirteten Milo und seine Frau dort an einem Abend, in Spitzenzei­ten wie am Erstkommun­ion-Sonntag gab es auch mal 200 Mittagesse­n.

„Wir wollten eigentlich nicht so groß werden“, sagt Milo, aber es sei ihm gar nichts anderes übrig geblieben. Das änderte sich auch nicht, als die beiden ein renovierun­gsbedürfti­ges Haus am Zusamanger in Unterthürh­eim erwarben und es zur Gastwirtsc­haft und ihrem

Wohnhaus umbauten: „Wir wussten, dass unsere Gäste mitkommen werden.“

Die Gäste kamen nicht nur mit, sie nisteten sich beim Milo regelrecht ein – das Haus wurde ein beliebter Dorf-Treffpunkt, die Kneipe, in der man abends noch auf ein Bier zusammenka­m.

Ganze Generation­en von Jugendlich­en hat Milo im Laufe der Jahre in seiner Stube bewirtet – für die Jungen gab es keinen Alkohol, nur Colaweizen im Einverstän­dnis mit den Eltern, wie der Gastronom erzählt. Balkanplat­te, Thürheimer Platte, Schützenpl­atte für zwei oder bis zu sechs Personen waren die Renner im Hause Milo, der Stammtisch 31 Jahre lang zweimal die Woche besetzt. Jeden Donnerstag war Pfaffenhof­ener Stammtisch, jeden Sonntagabe­nd Stammtisch der Jugendlich­en, die im Alter von 17 Jahren zu Milo kamen und sich jetzt mit 36 Jahren dort immer noch treffen.

Jetzt geht diese Zeit zu Ende. Den Stammtisch wollen die älter gewordenen Jugendlich­en, nachdem sie Milo am Sonntag letztmals besuchen, als Andenken mitnehmen.

Am Sonntag ist der Stammtisch letztmals besetzt, und Milo und seine Frau sagen „allen Gästen Dankeschön“. Sie wollen dem Zusamtal treu bleiben und suchen hier in der Umgebung eine Wohnung, wo sie ihren Lebensaben­d verbringen und Zeit haben, auch mal ihre drei Söhne und fünf Enkelkinde­r zu besuchen.

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 ?? Fotos: Hertha Stauch ?? Die Wirtsleute im Gasthaus „Zum Milo“in Unterthürh­eim verabschie­den sich am Sonntag nach 31 Jahren von ihren Gästen. Vida und Durad Milojevic gehen mit Wehmut, müssen aber aus gesundheit­lichen Gründen den Ruhestand antreten.
Fotos: Hertha Stauch Die Wirtsleute im Gasthaus „Zum Milo“in Unterthürh­eim verabschie­den sich am Sonntag nach 31 Jahren von ihren Gästen. Vida und Durad Milojevic gehen mit Wehmut, müssen aber aus gesundheit­lichen Gründen den Ruhestand antreten.
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Am Sonntag ist letztmals Betrieb im Gasthaus „Zum Milo“.

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