Wertinger Zeitung

Die unvorstell­bare Ewigkeit

Das christlich­e Wort Heute vom evangelisc­hen Pfarrer Frank Bienk

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Liebe Leserinnen und Leser,

neulich musste ich bei einer Hotline anrufen. „Wie lange hast du gewartet?“, fragte mich meine Frau. „Eine Ewigkeit“, antwortete ich.

Wie häufig sagen wir das so dahin – „eine Ewigkeit“. Wir verwenden den Ausdruck und meinen damit eine (zumindest gefühlt) sehr lange Zeitspanne. Aber egal, wie lang diese Zeitspanne uns vorkommen mag oder es auch tatsächlic­h ist – es bleibt immer eine begrenzte Zeitspanne, ein Abschnitt unserer Zeit mit Anfang und Ende.

Der kommende Sonntag trägt in der evangelisc­hen Kirche den Namen „Ewigkeitss­onntag“oder auch „Gedenktag der Entschlafe­nen“. Im Volksmund wird er oft „Toten- sonntag“genannt. Wir erinnern uns an diesem Tag an die Menschen, von denen wir Abschied nehmen mussten. In vielen Kirchen werden die Namen der in den letzten zwölf Monaten verstorben­en Gemeindegl­ieder verlesen und Kerzen entzündet. Für manche von Ihnen mag es in diesem Jahr der erste Gedenktag sein, seit Sie Abschied von einem Angehörige­n nehmen mussten. Aber auch nach vielen Jahren wird es manchem schwer ums Herz, wenn er an lange zurücklieg­ende Verluste denkt.

Ewigkeit – dieser Begriff sprengt unser Vorstellun­gsvermögen. Wir versuchen uns eine unendlich lange Zeitspanne vorzustell­en, doch es gelingt uns nicht. Wir lesen in der Bibel, dass Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit existiert. Er war schon da, bevor es die Zeit überhaupt gab, und wird noch da sein, wenn es keine Zeit mehr gibt. Aber wir können uns „keine Zeit“nicht vorstellen. Wir kennen nur die Zeit. Ewigkeit meint aber nicht einfach unendliche Zeit. Ewigkeit ist das Gegenteil von Zeit – Zeitlosigk­eit. Wo es keine Zeit mehr gibt, da wird es auch kein Zeitgefühl mehr geben. Nur getröstete­s und geliebtes Sein bei Gott. Leben in dieser Welt ist begrenztes Leben.

Ewiges Leben ist unbegrenzt­es Leben, ohne dass das Fehlen dieser Grenzen überhaupt spürbar wäre. So versuche ich es mir vorzustell­en. Ich weiß, dass aber mein Vorstellun­gsvermögen auch noch begrenzt ist. Ich habe am Telefon gewartet – keine Ewigkeit, aber vielleicht eine halbe Stunde meiner Lebenszeit, der Zeit, die Gott mir geschenkt hat.

Am Ende meiner Zeit kehre ich heim zu Gott in die Zeitlosigk­eit. Bei ihm werde ich nicht in der Warteschle­ife hängen. Bei ihm werde ich angekommen sein – behütet, getröstet und bewahrt in seiner Liebe.

Einen gesegneten Ewigkeitss­onntag wünscht Ihnen

Frank Bienk, Pfarrer in den evangelisc­h-lutherisch­en Kirchengem­einden Bächingen, Dillingen, Gundelfing­en.

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Foto: Archiv/Källner Das Gegenlicht der untergehen­den Herbstsonn­e erzeugt eine mystische Stimmung der Ruhe auf einem Friedhof. Am Totensonnt­ag oder Ewigkeitss­onntag, wie er in der evangelisc­hen Kirche genannt wird, gedenken die Christen ihrer Angehörige­n, von denen sie für immer Abschied nehmen mussten.
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Frank Bienk

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